letzte Änderung am 14.Januar 2004 | |
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Auch rund 3 Wochen nach Unterzeichnung eines neuen Tarifvertrags im Nahverkehr durch die drei grossen Gewerkschaftsverbände geht die Streikbewegung weiter: Am 9.Januar 2004 gab es in allen italienischen Grosstädten und in vielen Regionen eine massive Streikbeteiligung, am 12.Januar erneut in Mailand.
Wenn etwa 10 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder eines Sektors in den diversen Basisgewerkschaften organisiert sind und der Aufruf dieser Gewerkschaften zum Streik für die ursprünglichen Forderungen, gegen den von den drei Grossverbänden unterzeichneten Tarifvertrag, mehrere Male landesweit über 60 Prozent aller Beschäftigten - in den Grosstädten über 80 Prozent - mobilisiert, so ist dies Ausdruck von zwei grundlegenden Tatsachen: 1.Gibt es im heutigen Italien Millionen von Menschen, die trotz Erwerbsarbeit in Armut leben und viele KollegInnen aus dem Nahverkehrsbereich gehören dazu. 2.Dementsprechend ist die Unzufriedenheit der Beschäftigten und der Mitglieder der drei grossen Verbände CGIL, CISL und UISL enorm: ihre Beteiligung an der Basis-Streikbewegung war enorm. Dazu kommt, dass diese Streikbewegung so statfindet, obwohl die gesetzliche Beschränkung des Streikrechts in den Jahren seit 1990 immer weiter fortgeschritten ist.
Die so zusammengefasste Einschätzung wird von den diversen Basisgewerkschaften weitgehend so geteilt. Die Pressemitteilung der nationalen Streikkoordination "UNA CAPORETTO PER L’ACCORDO DEL 20 DICEMBRE" auf der homepage der Basisgewerkschaft CUB macht dies ebenso deutlich wie auch im "Communicato Stampa su sciopero" der (italienischen) Pressemitteilung der Cobas zum Streik auf deren homepage so deutlich gemacht.
In einem redaktionellen Artikel in (und bei) der Zeitung "Il Manifesto" vom 10.Januar 2004 mit dem Titel Tram, la fermata intelligente" werden Vertreter des Gewerkschaftsbundes CISL mit aussagen zitiert, wie "die Streikbewegung ist fehlgeschlagen". Von der CGIL äusserte sich gegenüber der Zeitung nur Giampaolo Patta (von der Strömung "Cambiare rotta" im Bundesvorstand), der eine sofortige Urabstimmung forderte.
Währenddessen befanden sich auf der homepage der Transportgewerkschaft FILT im Gewerkschaftsbund CGIL noch am 12.Januar 2004 auf der Sektion "Lokaler Transport" nur Dokumente darüber, wie stark die Unterstützung der Mitgliedschaft für den abgeschlossenen Tarifvertrag sei.
Rosario Saltini, aktiver Basisgewerkschafter in Mailand sagte dazu in einem kurzen Telefoninterview am 13.Januar 2004: "Wenn sich die CGIL und die anderen weiterhin weigern, die grosse Unzufriedenheit, nein : die Wut, offiziell auch nur zur Kentniss zu nehmen, dann wird dies ein absolutes Desaster für sie werden - was es zum guten Teil schon ist. Es geht den Menschen gar nicht um "Politik", sondern um ihr Leben: Sie arbeiten und arbeiten und das Geld reicht hinten und vorne nicht. Das ist kein Abenteuer, keine Taktik, sondern ein Aufschrei gegen den Kapitalismus - damit müssen alle rechnen. Ihr hättet nur mal erleben müssen, was hier los war, als Verterter der Mailänder Stadtverwaltung öffentlich sagten, die Beschäftigten im Nahverkehr verdienten genug, nämlich 1.700 Euros. Auf der Versammlung bei der ich war, als diese Meldung kam - und sie war sehr gross - war niemand, der auch nur entfernt dieses Gehalt hat. Aber es waren sehr viele da, die in diesem Moment dem Sprecher der Verwaltung etwas angetan hätten, wäre er da aufgetaucht."
"Damit müssen alle rechnen" - diese Aussage Rosarios scheint mir auf die Tiefe der Probleme, auch - und gerade - der grossen Gewerkschaftsverbände hinzuweisen.
Zusammengestellt von Helmut Weiss
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