LabourNet Germany Dies ist das LabourNet Archiv!!! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home Über uns Suchen Termine

 

Der folgende Artikel aus der linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 28.4.2000 liefert sehr interessante Fakten über die Lohn-, Preis- und Streikentwicklung in Italien in den letzten Monaten.

Kapital – Arbeit:

Der festgenagelte Lohn

Francesco Piccioni

Es gibt Nachrichten, die in direktem Zusammenhang gelesen werden müssen, sonst begreift man die Realität des gegenwärtigen Kapitalismus nicht. Die erste: Die Löhne haben im März keinerlei Wertzuwachs verzeichnet. Die durch Tarifverträge (d.h. durch jene – laut der weitverbreiteten wirtschaftsliberalen Meinung – "zu rigiden" Tarifverträge) geregelten Löhne liegen somit den 5.Monat in Folge unter der Inflationsrate. Das heißt übersetzt: Sie verringern sich, laut den gestern verbreiteten ISTAT-Daten. Die Inflation allerdings stagniert nicht, sondern ist von den 2,4% im Februar auf 2,5% gestiegen. Laut dem ISTAT [1] liegt der Grund für die mangelnde Anpassung der Löhne an die Inflation an der fehlenden Erneuerung der Tarifverträge (die bereits unterschriebenen Abkommen haben ihre Auswirkungen sehr schnell erschöpft).

Zweite Nachricht: Die Konfliktbereitschaft der abhängig Beschäftigten ist weiter im Sinken begriffen. Im ersten Trimester dieses Jahres sind wenig mehr als 1 Million Arbeitsstunden aufgrund von Streiks verloren gegangen. Bezogen auf die gleiche Periode des vergangenen Jahres bedeutet das einen Rückgang um 60%. Und dies trotz der Tatsache, daß bis jetzt erst 7 der ca. 100 im Dezember abgelaufenen Tarifverträge erneuert worden sind. 79% der bei Arbeitskämpfen verlorengegangenen Stunden sind im Dienstleistungssektor konzentriert. An erster Stelle liegt der Transportsektor mit 38,3%. Zwei Anmerkungen dazu: <1.> Als die Streikstunden Hunderte von Millionen im Jahr betrugen war die Dynamik der Löhne entschieden lebhafter und günstiger für die Arbeiter. <2.> Auf den Dienstleistungssektor ist das Beil des von der Mitte-Links-Regierung gewollten und mit Einwilligung der konföderalen Gewerkschaften [2] beschlossenen Anti-Streik-Gesetzes niedergegangen. Kurz wir sind auch in statistischer Hinsicht nahe an der "Null Tolleranz".

Dritte Nachricht: Die Produktionspreise haben im März mit einer Zunahme um 0,5% auf Monatsbasis und 5,2% auf Jahresbasis den höchsten Punkt erreicht. Es scheint offensichtlich, daß die Inflation "am Anfang" nicht noch "zu wenig flexiblen" Arbeitskosten zur Last gelegt werden kann. Was auch Giorgio Cremaschi [3] zu der Anmerkung veranlaßt, daß "das Hauptproblem der italienischen Wirtschaft die sinkende Kaufkraft der Löhne ist" und damit eine interne Frage. Aber man kann sich sicher sein, daß sich keine Analysten finden werden, die in der Lage sind, eine derartige Feststellung der Regierung des "Dottor sottile" [4] zu unterbreiten.

Übersetzung und erläuternde Fußnoten: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

  1. Das italienische Gegenstück zum Statistischen Bundesamt in der BRD.
  2. Mit diesem Begriff sind immer die drei großen sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftszentralen CGIL, CISL und UIL gemeint, die die Lohnabhängigen in der konzertierten Aktion (concertazione) "vertreten".

  3. Cremaschi ist der piemontesische Regionalchef der CGIL-Metallarbeitergewerkschaft FIOM (und ihre Nummer 2 auf nationaler Ebene) sowie einer der drei führenden Vertreter des seit September 99 vereint agierenden linken Flügels der CGIL.

  4. Der "spitzfindige / subtile Doktor" – Spitzname des neuen italienischen Regierungschefs Giuliano Amato.


Home
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: