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Antifa-AG der Uni Hannover:

Wie angespannt die Lage in Genua im Vorfeld der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Genua ist und wie die Herrschenden und ihr Repressionsapparat infolge der eigenen Verunsicherung immer weitere Gruppen der Bevölkerung gegen sich aufbringen, zeigt besonders eindrucksvoll der folgende Bericht aus "il manifesto" vom 14.6.2001 über die Angriffe der Carabinieri auf eine Demonstration von ILVA-Stahlarbeitern, die gegen ihre bevorstehende Entlassung protestierten:

 

Schläge für die Arbeiter. Zusammenstöße vor dem Sitz der Regionalregierung.

Die Kokerei ist umweltverschmutzend und muß geschlossen werden, aber Riva droht mit der Schließung des gesamten Komplexes.

Augusto Boschi – Genua

 

Die Kokerei ist umweltverschmutzend und muß geschlossen werden, hat das Gericht angeordnet. Der padrone Riva sucht keine Lösungen und lanciert erneut die Drohung das ganze Werk zu schließen und 1100 Beschäftigte in Mobilität zu schicken. Niemand bewegt sich, außer den Beschäftigten: Der Demonstrationszug erreicht in der Mitte des Vormittages zusammen mit den schweren Fahrzeugen, mit denen sie von Cornigliano bis ins Zentrum marschiert waren, die piazza Dante. Dann bewegen sich die Arbeiter zum Palast der Regionalregierung in der via Fieschi. Die Polizei (am Anfang wenige Beamte) scheint überrascht. Als der Demonstrationszug versucht, in das Gebäude der Regionalregierung zu gelangen, reagiert sie gewalttätig. Blutlachen auf dem Straßenpflaster. Einer der Demonstranten hält sich eine Hand an den Kopf. Das Blut rinnt ihm aus einer Platzwunde bis zum Hals. Am Ende werden es 13 Verletzte sein: 4 unter den Demonstranten, die anderen unter den Ordnungskräften, aber die Bilanz berücksichtigt nur die Arbeiter, die im Krankenhaus behandelt wurden.

Die Arbeiter fordern Biasotti (Forza Italia), den Ministerpräsidenten der Region zu treffen, aber es kommt Gianni Plinio (Abgeordneter von Alleanza Nazionale und Präsident des Regionalrates). Er wird umringt und es hagelt Ohrfeigen. Abkriegen tut sie sein Stellvertreter, der Linksdemokrat Giacomo Ronzitti. Weitere Schläge, Stöße und als Knüppel verwendete Gewehre. Biasotti, der sich in der 9.Etage verbarrikadiert hat, ist bereit eine Delegation von 25 Arbeitern zu empfangen. "In Ordnung, aber er muß herunterkommen", lautet die Antwort. Das tut er nicht. Er fürchtet, daß die Demonstranten, wenn er erst einmal in der Vorhalle ist, den Polizeikordon durchbrechen. Irgendjemand schlägt vor, alle reinzulassen und das Treffen im Ratssaal stattfinden zu lassen, aber der Saal bietet nur Platz für 140 Personen. Man entscheidet sich für eine unbegrenzte Kundgebung vor dem palazzo.

In der Zwischenzeit telefoniert Sandro Biasotti von seinem Büro in der 9.Etage aus mit dem Innenminister und seinem Parteigenossen Claudio Scajola, der hätte um 14.30 Uhr im Sitz der Regionalregierung zu einer Visite eintreffen sollen, um über den G8-Gipfel zu sprechen. Er <Biasotti /d.Ü.> rät ihm lebhaft davon ab, sich in der via Fieschi sehen zu lassen und der Minister streicht die Visite. Im Innern des palazzo ist die Situation surreal: Regionalräte, die kommen und gehen und dabei einen Slalom zwischen den Mikrophonen und den Fernsehkameras zurücklegen und Angestellte, die die Stechkarte abstempeln, während reihenweise Carabinieri, Gewehr bei Fuß, in den Korridoren lagern und draußen eine Menge ohne Schilder, aber voller Wut fordert, daß ihnen jemand erklärt, wie ihre Zukunft aussehen wird.

Ein Gewerkschafter bestätigt, daß die Beschlagnahmeverfügung noch nicht auf dem Tisch von Emilio Riva, dem Präsidenten <und Besitzer /d.Ü.> des Stahlwerkes angekommen ist. Gegen Riva wird zusammen mit weiteren 11 Vorstandsmitgliedern von ILVA wegen der Emission gefährlicher Substanzen ermittelt, aber die Unternehmenspolitik ist ganz klar: Kaum daß wir die Verfügung erhalten haben, wird die Mobilität für die gesamten 1 100 Arbeiter beginnen. Nicht nur für die der Kokerei (200), sondern auch für die vom Hochofen. Es werden Vermittler und Gesprächspartner gesucht. Biasotti kommt bis zur 1.Etage herunter und geht, um mit dem zur Lega Nord gehörenden Vizepräsidenten des Regionalrates, Francesco Buzzone, zu sprechen und ihn zu bitten, den Arbeitsminister <Roberto Maroni, der auch der rechtspopulistischen Lega Nord angehört /d.Ü.> zu kontaktieren.

Bruzzone hängt sich ans Telefon und erklärt Roberto Maroni die Situation, der sich bereit erklärt, eine Delegation der Arbeiter zu empfangen, um eine Lösung zu finden. Inzwischen wird in aller Eile in der Präfektur ein Gipfeltreffen zwischen dem Bürgermeister Giuseppe Pericu (Linksdemokraten - DS), der Präsidentin der Provinzregierung Marta Vincenti (ebenfalls DS) und Biasotti organisiert, an dem auch Scajola teilnimmt. Der Minister versichert, daß das Stahlwerk im Mittelpunkt einer der nächsten Kabinettssitzungen stehen wird. Der Demonstrationszug der Arbeiter formiert sch um 17 Uhr neu, verläßt den Sitz der Regionalregierung und begibt sich zur Präfektur. Zu diesem Zeitpunkt verschwindet der Innenminister durch eine Hintertür, um seine Nach-Wahl-Tour in Ligurien fortzusetzen, während man darauf wartet, daß Emilio Riva eintrifft, der einbestellt worden ist, um mit den Spitzen der lokalen Regierung über die Entlassungen zu diskutieren.

 

Vorspann, Übersetzung und Anmerkungen: Antifa-AG der Uni Hannover


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