Mit den Reaktionen, die aus den Gewerkschaftsapparaten zur Wahl des neuen Confindustria-Chefs kamen, beschäftigt sich der nachfolgende "il manifesto"-Artikel, der ebenfalls am 10.3.2000 erschien.

Gewerkschaften:

"Mit dem neuen Präsidenten wird es Konfrontation geben"

Manuela Cartosio – Mailand

Agnelli besiegt und – um das ganze Ausmaß darzustellen – Cofferati, der Callieri an der Spitze der Confindustria bevorzugt hätte, ebenfalls. D’Amato hat mit großem Abstand gewonnen und der "Chinese" (1) ist noch wortkarger als gewöhnlich: "Für den Augenblick gehen meine Glückwünsche an den designierten Präsidenten der Confindustria und wenn er es vorlegt, werden wir sein Programm beurteilen." Man ahnt, daß die Auseinandersetzung sich verschärfen wird. Der Sekretär der UIL, Larizza, "nimmt" die Ernennung D’Amatos "zur Kenntnis" und es ist ihm ein Anliegen öffentlich "Freundschaft und Wertschätzung" für Callieri zu erklären. "Unser Urteil wird immer und ausschließlich eines über die Sache sein", sagt die Nummer 1 der CISL, D’Àntoni, dessen Denken sofort auf die Notwendigkeit gerichtet ist, "das Erbe der konzertierten Aktion zu schützen", der vom neuen Confindustria-Präsidenten eine Falle gestellt worden ist. Andere Töne erklingen in Kampanien, wo CGIL, CISL und UIL Genugtuung und Zufriedenheit zum Ausdruck bringen, weil "ein Mann des Südens" die "mächtige Confindustria" führen wird. "In Neapel haben wir mit D’Amato viel Anlaß zum Streit gehabt", räumt Michele Gravano, Regionalsekretär der CGIL, ein. "Aber ich schaue mit Vertrauen in die Zukunft."

Hinter dem Erfolg von D‘Amato steht –von Romiti abgesegnet – die Achse zwischen Süd- und Nordostitalien. Gehen wir also in den Veneto, um den Kommentar des CISL-Regionalsekretärs Franco Sech einzuholen. "Man hat eine Front zwischen zwei Gebieten geschweißt, in denen sich die Interessen von denen der Großindustrie unterscheiden. Gebiete, die bisher in der Confindustria unterrepräsentiert gewesen sind." Bedeutet das, daß D’Amato der CISL des Veneto besser gefällt ? "Es wird gesagt, daß wir den Baum an den Früchten erkennen werden. Von ihm erwarten wir uns größere Aufmerksamkeit für regionale und lokale Themen, die – aus unterschiedlichen Gründen – sowohl den Mezzogiorno als auch den Nordosten gleichermaßen berühren." Zum Beispiel ? "Mehr Raum für die regionalen, lokalen und betrieblichen Tarifverhandlungen." Das dürfte genügen, um zu begreifen, daß sich D’Amato – der die CISL beunruhigt, weil er gegen die konzertierte Aktion eingestellt ist – als ein guter Verbündeter entpuppen könnte, wenn es um die regionalen und lokalen Tarifverhandlungen geht.

Die dezentrale und betriebliche Tarifpolitik – "ein wahrhaft schwarzes Loch" – ist einer der Prüfsteine, an denen die CISL den "noch nicht dagewesenen (Gesprächs-) Partner" in seinen ersten 100 Tagen messen wird, sagt das Mitglied des nationalen Sekretariats Pierpaolo Baretta. Die anderen Prüfsteine sind die Investitionen in Süditalien und die Renten. Und die konzertierte Aktion ? "Wenn die starken Worte der Wahlkampagne verraucht sind, werden wir sehen, was von den Drohungen D’Amatos bleibt." Mario Scotti, Sekretär der piemontesischen CISL denkt ähnlich: "Um die niedere Basis zu erobern, ist D’Amato als Kandidat über die Begrenzungslinien hinausgegangen. Als Präsident wird er regieren müssen, indem er die gesamte Basis der Confindustria berücksichtigt." FIAT eingeschlossen. "Die Niederlage von FIAT ist überdeutlich wendet Giorgio Cremaschi, Sekretär der FIOM Piemont (2) ein, "aber kein Turiner Gewerkschafter weint deshalb. Callieri war nicht unser Kandidat." Der Aufruhr auf dem Unternehmergipfel ist für Cremaschi "ein weiteres Signal dafür, daß die konzertierte Aktion beendet ist. Je eher die Gewerkschaft das zur Kenntnis nimmt, um so besser für die Arbeiter." Jede Organisation entscheidet autonom, sagt Titti Di Salvo, Sekretärin der CGIL Piemont. Daher keine Erklärung. Außer einer Sache: Der neue Präsident D’Amato sollte die Position der Confindustria bezüglich der Referenden (3) überdenken. Was dieses Thema angeht "waren und sind" Callieri und D’Amato "gleich". Jenes Ja zu allen antisozialen Referenden, das vom Vorstand der Confindustria einstimmig ausgesprochen wurde bevor der Verfassungsrat sein Urteil verkündete, ist eine Tatsache, die man nicht zu den Akten legt.

Antonio Panzeri <CGIL’ler und /d.Ü.> Sekretär der Kammer der Arbeit von Mailand, hätte Callieri bevorzugt. "Die padroni sind alle padroni. Und doch muß D’Amato, wenn er zu dem steht, was er gesagt hat, unter Beobachtung gehalten werden. Er ist von einer Basis auf seinen Posten gebracht worden, die willig ist die (Tarif-) Verhandlungsstruktur und das Verhandlungsmodell zur Diskussion zu stellen. Die volle Respektierung des Weihnachtspaktes >von Dezember 1998 /d.Ü.> ist die erste Sache, die die Gewerkschaft verlangen muß." Mit D’Amato siegt die Seilschaft, die voll "auf die Reduzierung der Arbeitskosten" abzielt.. Was den besiegten Agnelli anbelangt, sagt Panzeri: "Das ist der Gang der Welt." "Eine Photographie des Existierenden", nennt es Baretta.

 

Übersetzung und erläuternde Fußnoten: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

erläuternde Fußnoten:

1) Spitzname Cofferatis wegen seines Aussehens.
2) ... und einer der führenden Exponenten des seit September 1999 vereint agierenden linken Flügels der CGIL.
3) Gemeint sind die 7 tatsächlich neoliberalen Refertenden der Radikalen Partei (bei der Europawahl im Juni 99: 8,5% der Stimmen), die nach dem Urteil des Verfassungsrates zur Volksabstimmung am 21.Mai 2000 zugelassen wurden (während die übrigen 13 als nicht verfassungskonform suspendiert wurden). Das wichtigste der verbliebenen 7 ist die Forderung nach weitgehender Abschaffung des Kündigungsschutzes.


Home
LabourNet Germany Archiv: Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: