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Der nachfolgende Brief einer Call Center-ArbeiterIn aus Florenz, Italien zeigt, dass in einigen Läden die Sache langsam eng wird... und ArbeiterInnen sich wehren. "Aber vielleicht schwelt unter der Asche die Revolte..." schreibt sie am Ende.
Ein Großteil der ArbeiterInnen bei BLU ist über Zeit- und sogenannte Ausbildungsverträge eingestellt. Jetzt werden die nicht verlängert, weil die Eigentümer den Laden dichtmachen wollen. Einige Aufgaben sind schon in andere Call Center von BLU umgeleitet worden (u.a. nach Palermo). BLU soll aber verkauft werden, was auch die Schliessung insgesamt - nicht nur der Call Center - bedeuten kann.
Seit einigen Wochen organisieren die ArbeiterInnen des Call Centers in Florenz Aktionen, um die scheibchenweise Entlassung (bzw. Nichtverlängerung der Verträge) zu verhindern. Dabei werden sie auch von ArbeiterInnen aus anderen Call Centern (vor allem der Telecom Italia in Florenz) unterstützt. Sie haben stundenweise gestreikt, Kundgebungen gemacht usw., wobei ihnen die etablierten Gewerkschaften Knüppel zwischen die Beine werfen - nicht ungewöhnlich - während sie von einigen Basisgewerkschaftern unterstützt werden.
BLU ist nur ein Beispiel für die Auseinandersetzungen um die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Kündigungen usw. in den Tempeln der New Economy. Seit die Blase geplatzt ist, machen immer mehr Call Center dicht oder entlassen Leute.
Im Ruhrgebiet läuft das etwa bei der Deutschen Bank 24 in Duisburg-Rheinhausen. Die Bilder gleichen sich: Vor weniger als drei Jahren mit Pomp ausgebaut, stellte die DB24 damals über 100 neue Leute ein, und erzählte denen großspurig was von den tollen Perspektiven. Die Arbeit ist wie erwartet: Überweisungen eintippen bis dir die Ohren verschmalzen, Teamleiter, die dir von hinten über die Schulter sabbern, um zu sehen, ob du auch schön fleissig bist; Kontroll-Trainer, die dir nach abgehörten Telefonaten Smilies verbraten, wenn du genug WPAs benutzt hast (Worte persönlicher Anerkennung)...
Eigentlich sollten wir uns freuen, wenn sie solche Läden dicht machen... wenn da nicht dieser Zwang wäre, irgendwie die Brötchen und die Miete zu bezahlen. Zeit also, den Kampf aufzunehmen. Besser wird's sonst eh nicht...
prols@prol-position.net
http://www.prol-position.net/
Beim Streik am Freitag, den 15. Februar[1], ging es nicht nur um die Rechte der ArbeiterInnen, gegen die neoliberalen Politiker und den Krieg. Die ArbeiterInnen des Call Centers (des Knasts?) von Blu haben eine Kundgebung organisiert, um gegen die Entlassungen zwei Tage vorher zu protestieren. Die Hauptaktionäre des viergrößten Mobilfunk-Unternehmens in Italien, Benetton-Autostrade und British Telecom, versuchen seit einigen Monaten die Firma an den meistbietenden Käufer loszuwerden, obwohl die alles andere als katastrophal da steht.
Mit diesem Ziel im Kopf wurden die auslaufenden Ausbildungs-Verträge[2] nicht verlängert. Es geht um 24 Leute, die erst wenige Stunden vor Ablauf des Vertrages darüber informiert wurden. Die Geschäftsführung des Call Centers versucht, damit die Produktivität zu erhöhen, und lügte die ArbeiterInnen monatelang an. Am Tage der Abrechung würde, wie die "Diener" wohl wussten, keiner der 24 Leute übernommen. Es handelt sich unter anderem um einige der zuerst Eingestellten, der Erfahrensten, jene der "ersten Stunde". Das gleiche stand etwa 50 Leuten im Februar bevor und etwa wenigstens nochmal so vielen im März. Den Rest erwartet eventuell auf die Schliessung des Call Centers oder sogar die Auflösung von Blu.
An einer spontanen Rebellion am Mittwoch nahmen praktisch alle ArbeiterInnen teil, ohne Vorankündigung und ohne Gewerkschaft. Die Arbeit wurde für einige Stunden niedergelegt und die Unfähigkeit der Manager angeprangert, die sich sonst so "charismatisch" geben. Die vereinten Gewerkschaften (hier CGIL und UIL)[3] waren gezwungen, eine Versammlung einzuberufen. Diese begannen sie mit einer blanken Verteidigung der großen und kleinen Chefs, der Bullen und diverser anderer Vorgesetzter, die ihrer Meinung nach ganz unschuldig sind und darüberhinaus Lob verdienten für ihr Verschweigen der Tatsachen denen gegenüber, die Aufklärung über die Zukunft verlangten. Glücklicherweise scheint es, als seien viele aufgewacht aus der Trägheit, die das Call Center zu einem befriedeten Ort machte. Das ist auch heute noch selten zu sehen. Wenige haben die pathetische Rechtfertigungen der "Gewerkschaften" geschluckt und deren Gelassenheit (dieselbe Gelassenheit, mit der sie angesichts der Änderung des 18. Artikels erklärten, dass es für einen Streik zu früh sei).[4]
Dank der Solidarität der ArbeiterInnen von TIM und Telecom wurde die Kundgebung vom Freitag ein voller Erfolg, als 100 BLU-Beschäftigte gegen die Kündigungen streikten. Und dass, obwohl die Gewerkschafter von CGIL und UIL sich darin übten, die Streikenden zu terrorisieren, indem sie einen Erklärung verbreiteten, dass der Streik nicht "autorisiert" sei. Sie fragten das Unternehmen um eine Erlaubnis zum Streiken (das ist keine Phantasterei, das ist wirklich wahr). Die Erlaubnis wurde nicht gegeben, zur großen Zufriedenheit dieser "Verteidiger der ArbeiterInnen".
Wenn sich jemand spontan organisiert, individuell oder kollektiv, werden die Monopolisten der Tarifverhandlungen nervös. Das verwundert uns nicht. Eigentlich müssen wir sie nicht demaskieren, das machen sie schon selbst, allein oder im Zusammenspiel mit den Unternehmern. Es wird immer deutlicher, dass Blu nur geboren wurde, um zu sterben, um Italien mit krebserregenden Antennen vollzustellen und die Taschen der Reichen zu füllen. Unter dem Vorwand, Arbeitsplätze zu schaffen, hat Blu Steuerermäßigungen, Subventionen und freie Hand[5] verlangt, was von der letzten Regierung prompt gewährt wurde. Im Austausch verkaufen sie an den Meistbietenden jetzt die diversen Einzelteile, die sie in den letzten zwei Jahren vernutzt haben. Darunter ist auch die "menschliche Arbeitskraft", von der sie annahmen, dass deren Fähigkeit zur Rebellion nach einiger Zeit absterben würde, hypnotisiert von den Monitoren und unter dem Druck der Flexibilisierung. Aber vielleicht schwelt unter der Asche die Revolte...
(1) Generalstreik der Basisgewerkschaften
(2) contratto di formazione e lavoro (CFL: eine Art Billig-Ausbildung mit etwa 700 Euro brutto und Befristung zwischen 12 und 24 Monaten für Leute bis Ende Zwanzig
(3) Confederali, CGIL, CSIL, UIL, dem deutschen DGB vergleichbar
(4) Der 18. Artikel des Arbeitsgesetzes regelt die Wiedereinstellung Gekündigter, bei denen ein Gericht die Unrechtmäßigkeit der Kündigung festgestellt hat. Die Rechts-Regierung will den Artikel streichen.
(5) omertà: im Sinne von Stillhalten...
(7) In Calenzano. Florenz ist das Call Center von BLU
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace |
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