Der folgende Artikel aus der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 5.2.2000 faßt die Inhalte des neuen italienischen Bau-Tarifvertrages sowie die ersten Reaktionen darauf zusammen.
Arbeit:
Cinzia Gubbini Rom
Einige Gewerkschafter sagen, daß es nach der Unterschrift unter diesen Tarifvertrag sehr viel schwieriger werden wird neue Mitglieder zu werben. Vielleicht werden sie sogar welche verlieren. In der FILLEA-CGIL (1) ist die Einschätzung über den neuen nationalen Tarifvertrag für den Bausektor, der am 29.Januar von den konföderalen Gewerkschaften (2) unterschrieben worden ist (der alte war im Juli 99 abgelaufen), kontrovers. Auf der einen Seite die Zufriedenheit darüber <den padroni /d.Ü.> etwas entrissen zu haben, auf der anderen der Eindruck, daß dieses "etwas" teuer bezahlt worden ist zu teuer.
Sicherlich, das neue Abkommen liegt voll im herrschenden Trend. Die Gewerkschaften mußten die Rechnung mit einem Arbeitsmarkt machen, der sich verändert vor allem in der Gesetzgebung über die Arbeitsverhältnisse. Man muß sich z.B. mit der Flexibilität auseinandersetzen, die durch das Gesetz 196 von 1997 eingeführt worden ist. Und es sind gerade die Interimsarbeitsverträge, die jetzt zum Zeitvertrag und dem traditionellen "zeitlich befristeten" Vertrag hinzukommen, die stärkere Kritik hervorrufen. "Zumindest haben wir es genormt", antwortet Carla Cantone (Mitglied des Sekretariats der FILLEA). "Nun können wir die flexiblen Arbeiter garantieren." "Der Sektor ist aber bereits ziemlich prekär", beobachtet Piero Greotti von der FILLEA Brescia (3), "und die Bauwirtschaft ist ein Sektor mit Gefahr für die <Arbeits- /d.Ü.>Sicherheit. Da <noch> Prekäres hinzuzufügen, ist eine falsche Entscheidung. Kein europäisches Land nutzt die Flexibilität in Bau- und Landwirtschaft."
Daß die Sicherheitsnormen auf den Baustellen mehr die Ausnahme als die Regel sind, ist bekannt. Die letzten INAIL-Daten besagen, daß es in 1998 allein auf dem Bau 330 Tote gegeben hat. "Das sind 30% der Gesamtzahl", merkt Rino Pavanella (im Sekretariat der FILLEA für "Umwelt und Arbeit" zuständig) an "bei Kosten von 10 Billionen Lire (4) im Jahr." Und doch sind die Gewerkschaften, laut Cantone, fähig gewesen sich nicht in den Sack stecken zu lassen: "Der Tarifvertrag spricht Klartext: Die Interimsarbeiter müssen Ausbildungskurse machen und vor allem sind sie obligatorisch dem nationalen Tarifvertrag unterworfen ein Sieg." Einige Verpflichtungen sind wirklich verankert worden: So darf nicht mehr als ein Drittel der Arbeiter prekär beschäftigt sein (bezogen auf diejenigen mit unbefristeten Arbeitsverträgen) und maximal sieben. "Aber es ist das Kleingedruckte, das Dich bescheißt", droht Greotti. "Der Mittelwert der unbefristeten Arbeitsverträge wird in Bezug auf das vorangegangene Jahr ermittelt und die Bauwirtschaft ist ein mobiler Sektor. Von einem Jahr aufs andere ändert sich der Rahmen. Durchschnittlich hat ein Bauunternehmen 4 Arbeiter. Es werden Baustellen aus dem Boden schießen, auf denen nur prekäre Arbeiter arbeiten."
"Es wird helfen die Schwarzarbeit auf dem Bau zu bekämpfen", verspricht Cantone. "Wer Leute mit Zeitverträgen einstellt, wird verpflichtet die bilateralen Organe zu informieren und nimmt sich so die Maske ab", beobachtet Nino Galante von der FILLEA-CGIL. Und doch sind viele der Meinung, daß sich einfach die reguläre Arbeit verringern wird, weil die Schwarzarbeiter entweder eine erbärmliche (sehr viel weniger als ein Interimsarbeiter) oder eine sehr hohe Bezahlung erhalten. Kurz, der Schwarzarbeiter wird nicht ins "Visier" der für die Lohnarbeit zuständigen Agenturen geraten.
Aber die Liste der Neuheiten ist nicht zu Ende: Es gibt nicht mehr die Obergrenze von 150 Überstunden. "Eine archaische Norm", nennt Carla Cantone sie, die aber fast 20 Jahre lang eine grundsätzliche Verpflichtung zum Schutz der Arbeiter gewesen ist.
Dennoch, die Sekretärin der FILLEA besteht auf der Feststellung, daß "dies ein guter Tarifvertrag ist". "Wir haben die bei archäologischen Ausgrabungen beschäftigten Arbeiter im Bausektor gewürdigt: Es sind Hunderte von Jugendlichen, die diese Arbeit machen. Es ist uns auch gelungen 72 000 Lire Lohnerhöhung (5) zu erreichen, genau wie vorher gefordert mit einer ersten Tranche von 80%." "Ja, aber wo sind die Rückstände aus einem Jahr Verhandlungszeit (6)?"
Im Kielwasser der Erneuerung des gesamten Sektors revolutioniert der Tarifvertrag auch die Beziehungen zu den Baukassen, die im allgemeinen das einzige Instrument der Transparenz in der äußerst verworrenen Welt der Bauwirtschaft sind. Von nun an werden die Arbeiter auf Montage nicht mehr automatisch Mitglied der Baukasse am Ankunftsort sein, sondern sie werden Mitglieder in der Kasse am Herkunftsort bleiben. "So ist es gerade nicht", behauptet Cantone. "Wir haben für ein Jahr den Weg des Experimentierens gewählt und das wird in drei Monaten beginnen. Und dann sind unaufschiebbare Garantien geschaffen worden." Das heißt, daß die Information zwischen den Baukassen effizient gemacht worden sei und daß ein landesweit einheitliches Spektrum von Formularen für Klagen / Meldungen, für die Rücklagen und für die Beiträge eingeführt wird. Das alles am Ende, um die Kommunikation zwischen den Baukassen fließender zu machen. Die Absichtserklärungen gibt es. Es fehlt hingegen wage Andeutungen einmal beiseite gelassen die Frage der Arbeitssicherheit. Das ist ein entscheidendes Problem im Bausektor, wo z.B. in 1998 169 Arbeiter getötet wurden, weil sie vom Gerüst fielen. "Selbst die Pharaone hatten begriffen wie man verhindert, daß die Leute von einem Gerüst fallen", steigert sich Pavanella. "Die Frage der Sicherheit kann man nicht in einem Tarifvertrag abhandeln", sagt Nino Galante. "Das Problem ist komplex. Fürs Erste hat man beschlossen endlich die nationale Kommission tätig werden zu lassen, die beobachten wird, wo und wie die Sicherheitsnormen angewendet werden." Ein Tarifvertrag, der viel an den guten Willen delegiert.
1) die Bauarbeitergewerkschaft der CGIL (Ende 1999: 292
000 Mitglieder).
2) das heißt von den Bauarbeitergewerkschaften der
CGIL-CISL-UIL.
3) ... und Mitglied der CGIL-Linken.
4) Das sind gut 10 Milliarden DM.
5) Das heißt ca.73 DM mehr im Monat.
6) seit Auslaufen des alten Tarifvertrages.
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