Artikel aus "il manifesto" vom 28.3.2000.
Francesco Piccioni
Die Karten liegen auf dem Tisch. Bei der Eisenbahn hat nach 2 Jahren, durch die Pflicht die "Mindestdienste" zu garantieren, "verkrüppelter" Streiks der erste Streik, der sich so abspielen konnte, daß er der gesamten Berufsgruppe erlaubte mehr oder weniger frei daran teilzunehmen, eine Tatsache von politischer Tragweite bestätigt: die ORSA und die Nationale Koordination der RSU-Delegierten (die "Basis" von CGIL-CISL-UIL, die mittlerweile unabhängig von den Gewerkschaftskonföderationen ist) haben die Beteiligung der großen Mehrheit der Eisenbahner erreicht. Die Schätzungen über die Zahl der Züge, die am Sonntag verkehrten, sprachen von kümmerlichen 10%. Das Unternehmen hat eine ziemlich widersprüchliche Erklärung herausgebracht, die die totale Lahmlegung des Zugverkehrs einräumte, aber diese einer nicht glaubwürdigen Zahl von 25% Streikenden zuschrieb.
Also ein Erfolg, der nicht nur das reisende Personal einbezogen hat, sondern mit wachsenden Prozentanteilen auch das der festen Anlagen. Das war nicht von vornherein klar, weil Jahre der Auflösung der gewerkschaftlichen Vertretung neues Unverständnis zwischen verschiedenen Zweigen innerhalb der Berufsgruppe geschaffen haben. Ein Auffächern, das sich auch in dem großen Fächer vorhandener Gewerkschaften widerspiegelt. Und die Vereinigung in einer Konföderation (der Or.S.A.) zügelt dies, aber beseitigt es nicht. Gerade hier liegt der mögliche Schwachpunkt der neuen gewerkschaftlichen Vertretungen "von unten" oder von "berufsbezogenen" Forderungen. Die Linie des Unternehmens (und der Regierung) ist ausreichend klar: die FS zerstückeln, die Arbeitskosten dramatisch senken, Teile der Beschäftigung eliminieren und vor allem befestigte Rechte und Errungenschaften beseitigen. Es ist ein allgemeines und organisches Vorhaben. Wenn in der Opposition der Arbeiter gegen dieses Vorhaben eine "berufsbezogene" Logik die Oberhand hätte, käme es sofort zu einer Zersplitterung dieser neuen Vertretung und würde die Eisenbahner insgesamt der "Privatisierung" ausliefern, da sie dann ohne Identität und Rückgrat dastehen würden. Die Alternative, sagen viele Delegierte, "liegt darin, eine Plattform (1) für den ganzen Bereich zu definieren, die sich auf der Höhe der Herausforderung bewegt und den Punkt hält".
Auf der Gegenseite produziert der "Streikalarm" Antworten von autoritärer Ordnung. Es vervielfachen sich die Stimmen, die die Annahme des Gesetzes fordern, das de facto die Streiks in den "essentiellen öffentlichen Diensten" verbieten würde sowie des Gesetzes über die gewerkschaftliche Vertretung <im Betrieb /d.Ü.>, "um die unglaubliche Anzahl von vorhandenen Gewerkschaften zu lichten". Sergio Cofferati (2) möchte in diesem Zusammenhang, daß "es im Gesetz die Pflicht gibt die Gründe, aufgrund derer eine Organisation streikt, bekannt gemacht werden" und diese Pflicht auch auf die Medien ausdehnen. Das hat er gesagt, um die Distanz der CGIL zu den Streiks der letzten Tage deutlich zu machen, aber eine derartige Pflicht würde uns vielleicht von einer großen gleichlautender Meldungen über das "Chaos der Streiks" befreien.
Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover
1) Unter gewerkschaftlichen Plattformen versteht man in Italien einen Forderungskatalog mit inhaltlicher Begründung.
2) Der Chef des größten italienischen Gewerkschaftsbundes CGIL und Mitglied der Hauptregierungspartei DS (Linksdemokraten = der ehemalige rechte Mehrheitsflügel der 1990 aufgelösten italienischen KP).
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