Artikel aus der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 19.2.2000.
Francesco Piccioni Rom
Dieses Mal haben die Züge gestreikt. Aus den verschiedenen Eisenbahnbezirken kommen Dutzende von Nachrichten, alle mit demselben Tenor: "Die Eisenbahner sind bei der Arbeit, die Züge in den Abstellhallen." Nur von der FILT-CGIL kommt eine andere Angabe: "80% Streikbeteiligung, ohne die zur Arbeit kommandierten Arbeiter." Die FS sprechen von einber durchschnittlichen Beteiligung von 23%, mit der geringsten Beteiligung unter den Lokführern (6,5%). 52% der Züge sind fahrplanmäßig verkehrt (weniger als bei den letzten Malen als die Prozentsätze der Streikenden höher waren !). Wenn wir bei den Gemeinplätzen stehenbleiben wollten, müßten wir sagen: "Krieg der Zahlen". Aber dieses Mal ist die Partie zu ernst und zu komplex, um sich der Faulheit des deja vu zu überlassen.
CGIL, CISL und UIL (und die National-Alliierten der UGL(1) haben den gestrigen Streik für die "Respektierung der Abkommen vom 23.November" proklamiert, die das hat das Unternehmen deutlich zu verstehen gegeben von den FS als Altpapier betrachtet werden. Gegen das Abkommen hatten die ORSA und die Koordination der RSU-Delegierten (d.h. die konföderale "Basis") zwei Streiks erklärt und dabei wachsende Beteiligung erreicht. Die gestrige Probe wurde deshalb für die konföderalen Gewerkschaften, die sich mit schwindender Zustimmung, dem Verschwinden der Gegenseite und der Gleichgültigkeit der "befreundeten" Regierung herumschlagen müssen, entscheidend. Wie ist diese Probe also wirklich ausgegangen ?
In Bologna melden die RSU-Delegierten, daß selbst in den historischen Hochburgen der Gewerkschaften (den großen Reparaturwerkstätten und der OTE) der Prozentsatz der Streikenden nicht über 20 25% hinausgegangen ist. In Mailand seien die Dinge noch schlechter gelaufen: mit den Eisenbahnern, die zusammen mit den Passagieren auf die Züge warten und den Fernsehkameras der Tagesschau, die das alles wiedergeben. In Cagliari (wo eine besondere Situation herrscht, weil man dort die Demontage des Streckennetzes mit Händen greifen kann) berichten alte Delegierte von unbedeutenden Prozentzahlen (nur 4 Züge abgesagt, 2 davon nur wegen des Fehlens des Zugchefs). Und dasselbe in Florenz, Piacenza, Genua, Pisa und Turin. Aus vielen Bezirken wird gemeldet, daß die Liste der "aufgrund des Streiks" abgesagten Züge <bereits> seit dem Nachmittag des Vortages verbreitet worden war. Eine wirklich unübliche Praxis für ein Unternehmen, das bei anderen Gelegenheiten über die "kommandierten Mindestdienste" versucht hatte das Maximum der möglichen Züge zu garantieren. Was soweit ging, daß es Fahrten bewerkstelligte, indem es "Mannschaften" aus Nicht-Streikenden zusammenstellte: aus Pionieren des Heeres, Ingeniueren und Ausbildern. Diesmal aber nicht. Im Gegenteil, selbst für die Eurostar-Züge hat es viele "vorbeugende" Absagen gegeben (in anderen Fällen war auf die Strecke Rom Mailand mindestens eine Fahrt "kommandiert" worden).
ORSA und RSU-Koordination sprechen offen von "Aussperrung der Arbeiter durch die Geschäftsleitung". D.h. die FS hätten die Reduzierung des Zugverkehrs begünstigt, um den Eindruck eines guten Erfolges des Streiks zu vermitteln. In dem Augenblick aber, in dem sie die Presseerklärung mit den Zahlen des Tages aufsetzten, haben die FS mit jenen kümmerlichen 23% der Repräsentativität der konföderalen Gewerkschaften jedoch einen schweren Schlag versetzt. So nimmt die von einigen Delegierten, die schon lange dabei sind, zum Ausdruck gebrachte Überzeugung Gestalt an: Das Unternehmen hat es sich mit keiner Partei verderben wollen und kann jetzt sagen: "Diejenigen, die das Abkommen mit mir unterschrieben haben, sind kein glaubwürdiger Repräsentant mehr. Mit denjenigen, die es nicht unterzeichnet haben, kann ich auch nicht reden. Also handele ich, indem ich mache, was mit am besten erscheint." Eine Analyse, die ziemlich verbreitet zu sein scheint, muß man sagen. Keiner der "Selbstorganisierten", die wir gestern gehört haben, hat sich über das schlechte Gelingen des Streiks glücklich gezeigt. "Man geht einer für alle Eisenbahner sehr schwierigen Situation entgegen. Die konföderale Gewerkschaft müßte fähig sein, eine radikale Selbstkritik wegen der bis jetzt verfolgten Linie zu machen:" Aber sie sind skeptisch.
Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum
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