Artikel aus der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 5.2.2000.

Streiks:

Die Basisgewerkschaften blockieren die FS

Francesco Piccioni – Rom

24 Stunden Streik sind kein Scherz. Sie stellen am Monatsende einen schwerwiegenden Einschnitt dar. Und doch haben sich die Eisenbahner in bemerkenswerten Prozentsätzen dem von der Or.S.A., der Konföderation, die die verschiedenen Basis- oder Berufsgewerkschaften (COMU, UCS, FISAFS, SAPEC, SAPENT, FITU-CUB, RdB-CUB, RSU-Delegierte und ORSA navigazione) vereinigt hat, angeschlossen. Die Gewerkschafter sprechen von Prozentsätzen zwischen 80% und 85%. Das Unternehmen tischt, wie in vielen anderen Fällen, wenig glaubwürdige Zahlen auf (typisch dafür die Angabe nur 21% der Lokführer hätten sich beteiligt) Ein wichtiges Detail dabei: Die Zahlen sind jedenfalls höher als die während des Dezember-Streiks verbreiteten. Der "Krieg der Zahlen" ist jedoch mittlerweile etwas abgestanden. Es sind nicht einmal 33% der Fernzüge gefahren. Die Streikbeteiligung muß also wesentlich höher gelegen haben als nach den von den FS verbreiteten Zahlen. Im Bahnhof Termini in Rom sind 12 von 18 auf der Anzeigentafel zwischen 7.30 Uhr und 9 Uhr vorgesehene Züge abgesagt worden. In Genua, Mailand, Turin, Triest, Bologna, Cagliari, Venedig, Neapel, Palermo und Reggio Calabria ist der Eisenbahnverkehr zum Stillstand gekommen. Die Fahrkartenschalter sind geschlossen geblieben. Der Unterschied bei den Zahlen liegt - wird gesagt – voll und ganz an der äußerst willkürlichen Zählweise, der sich das Unternehmen bedient. Dieses betrachtet alle zwangsweise einberufenen Arbeiter, die die "Mindestdienste" garantieren sollen, als "Nicht-Streikende". "Mindestdienste", deren Zahl mit jedem Streik zunimmt, bis sie sich fast vollständig mit dem "normalen" Dienst decken. Die Tricks reichen bis hin zu der "Finesse" einen Zug, dessen Personal voraussichtlich in den Streik treten wird, abzusagen, diese Arbeiter als "Nicht-Streikende" zu zählen und ihnen schlußendlich nichtsdestotrotz den Tag vom Gehalt abzuziehen. Bei diesen Maßstäben muß man sich wundern, daß sich bei den FS am Ende überhaupt noch einige spärliche Gruppen von Streikenden ergeben.

Aus den verschiedenen Bezirken kommen jedoch anregende Nachrichten: In Bari, Domodossola und Verona streift man die 100%. Hier hat man den Punkt erreicht, daß auch die "kommandierten" Züge Mühe gehabt haben anzukommen. Schwieriger ist es den "Kunden" die tiefgehenden Gründe dieses neuerlichen Streiks begreiflich zu machen. In der Tat unterscheiden sich diese Gründe, was das Objekt abnbelangt, wenig von den vorangegangenen. Es sind: der "Unternehmensplan", der die Zerlegung in vier Gesellschaften, die Kürzung der Löhne um rund 20%, die 27%ige individuelle Produktivitätssteigerung, das vorgesehene Verschwinden eines einheitlichen nationalen Tarifvertrages für den Transport auf der Schiene, die mit Hungerlöhnen und eine Perspektive der Verbesserung neu Eingestellten (für sie sind die Lohnsteigerungen aufgrund der Länge der Betriebszugehörigkeit abgeschafft). Zu diesen Konfliktpunkten mit dem Unternehmen (und mit den konföderalen Gewerkschaften, die den Pakt am 23. November 99 unterschrieben haben) ist ein weiterer hinzugekommen: die Übertragung des Warensektors (die "Cargosi") auf eine gemischte schweizerisch-italienische Gesellschaft, die auf der Aktionärsebene theoretisch paritätisch ist, in deren "Substanz" aber 16 000 italienische Eisenbahner 6000 schweizerischen gegenüberstehen. Von den italienischen werden 4 500 als "überzählig" angesehen.

Kurz, ein Streik, der wie eine trockene Absage an das Abkommen zwischen Regierung und konföderalen Gewerkschaften klingt.

 

Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

 


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