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Zu dem von den drei großen sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftszentralen CGIL-CISL-UIL und dem Telecom Italia-Vorstand getroffenen Abkommen schreibt die rechtsliberale, aber sehr seriöse italienische Tageszeitung “Il Messaggero” (der FAZ in Deutschland vergleichbar) am 29.3.2000 folgendes:

Die Tarifauseinandersetzung im Morgengrauen beendet. Salvi: “Ein vorwärts weisendes Abkommen mit Null Kosten für die Staatskasse.” Unternehmen und Gewerkschaften zufrieden.

Personalüberschuß Telecom: Abkommen vereinbart

Die Frühverrentungen halbiert. Mobilität für 5 300 und 6 200 Neueinstellungen.

ROM – Es ist kurz nach 5.30 Uhr morgens und beim Arbeitsminister ist die Übereinkunft endlich unter Dach und Fach. Die Zahl der überschüssigen Arbeitskräfte bei der Telecom sinkt von 13 500 auf 13 000 und die härteste Klippe, die der “Frühverrentungen”, ist überwunden. Die ordentliche Mobilität wird 5 300 Beschäftigte betreffen gegenüber 10 000 anfangs von der Telecom vorgeschlagene. Das Paket, das bei den Verhandlungen herausgekommen ist, wird ausgeglichen durch ein weiteres Paket aus aktiver Arbeitsmarktpolitik, das im Großen und Ganzen ein ähnliches Gewicht hat. Das Unternehmen wird 6 200 Neueinstellungen vornehmen (davon 2 000 in Süditalien) mit einem Investitionsplan über insgesamt 30 Billionen Lire <gut 30 Mrd. DM>. Der Saldo zwischen Entlassungen und Neueinstellungen wird um ca. 900 Einheiten positiv sein. Das ist die Synthese der Übereinkunft, die CGIL, CISL und UIL nach 4monatigem Kräftemessen gestern im Morgengrauen mit der Telecom nach einer Nacht unterschrieben haben, in der man knapp am endgültigen Bruch über die Frühverrentungen vorbeigeschlittert ist.

Und der <Arbeits->Minister Salvi,1 dem es gelungen ist, daß sich beide Seiten auf einen nach 2stündiger Unterbrechung der Verhandlungen präsentierten Vorschlag einigen, ist zufrieden: Das Abkommen ist äußerst positiv” – behauptet er am Ende des Vormittags als die Dokumente mittlerweile alle unterschrieben sind - ”sehr vorwärts weisend und mit Null Kosten für die Staatskasse.” Die ca. 350 Mrd. Lire <gut 350 Millionen DM>, die die Mobilität kosten wird, werden in der Tat durch die Beiträge gedeckt, die in den nächsten Jahren von der Telecom gezahlt werden, um die sozialen Amortisierungen zu leisten (ca. 200 Mrd. Lire im Jahr). Außerdem sagte Salvi, hat Roberto Colaninno2 bei dem auf das Ende der Verhandlungen folgenden Treffen seine Bereitschaft versichert, die Zahl der Einstellungen in Süditalien “um einige Hundert” zu erhöhen. Dies zusätzlich zu jenen, die im Abkommen fixiert worden sind ( 2 Call Center in Kalabrien und Apulien plus die Vervollständigung des “Nautilus”-Projektes in Palermo). Es handelt sich dabei um ein neues Verkabelungsprojekt auf hohem technischen Niveau in der Basilicata.

Die Sackgasse ist geöffnet und die Kommentare der Protagonisten sind allesamt positiv. Angefangen beim Staatssekretär Michele Lauria, der auf den von Colaninno gezeigten Weitblick aufmerksam macht als dieser sich der Beschäftigungsprobleme Süditaliens angenommen hat und auf die Gewerkschaften, weil “man das Gleichgewicht gefunden hat, das wir immer zwischen Arbeitern, die den Betrieb verlassen, und den anderen Instrumenten (Arbeitszeit, Mobilität in der Unternehmensgruppe, Bildung und technische Hilfe, die 5 200 Personen betreffe) gesucht haben”. Roberto Colaninno seinerseits kündigt an, daß die Telecom innerhalb von drei Jahren 11 Billionen Lire <gut 11 Mrd. DM> für die Breitband-Technologie und die, mit dieser verbundenen, neuen Dienstleistungen sowie für die UMTS ausgeben wird (den Standard, der das Internet auf die Handys bringen wird). Die 6 200 von Telecom Italia vorgesehenen Neueinstellungen werden – spezifiziert Colaninno – gerade “die neuen Bereiche des Unternehmens” betreffen, “d.h. das Internet und das Datenangebot und damit die jungen Leute, die sich auf diesem Markt mit einer anderen Kultur zeigen im verglichen mit der bis heute im Unternehmen vorhandenen”. “Diese Arbeitsplätze sind gerettet worden und für die Gewerkschaft ist die Zufriedenheit darüber groß”, kommentiert Walter Cerfeda3 (CGIL), der in der Partie mit der Telecom eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Sehen wir uns die wichtigsten Punkte an:

Mobilität.  Unter Rückgriff auf das Gesetz 223 sind es 5 300 Beschäftigte über 50, die die Telecom im Zeitraum zwischen dem Beginn der Prozedur und dem 31. Dezember 2001 verlassen und dabei in den Genuß eines finanziellen Anreizes zum Ausscheiden kommen werden.

Entlassungen.  Finanzielle Anreize gibt es füpr den Exodus von 3 000 Personen, die bereits die Voraussetzungen für die Rente nach <40 /d.Ü.> Arbeitsjahren erworben haben. Blockiert wird der Turnover.

Bildung.  2 200 von der außerordentlichen Cassa integrazione für 24 Monate auf Null Stunden gesetzte <und anschließend dann auch formell entlassene ! /d.Ü.> Einheiten <Arbeitsvieh /d.Ü.> werden in Umschulungskurse, die auf die Wiedereinstellung zielt, gebracht und können nicht gekündigt werden.4

Instandhaltung.  900 Arbeiter der Instandhaltung und des Kundendienstes bleiben im Unternehmen. Diese Bereiche werden nicht an Fremdfirmen abgegeben.

Flexibilität.  Der Rückgriff auf Teilzeit nimmt zu und das Job-Sharing wird bei der Staffette Alte – Junge auf dem Versuchswege eingeführt, was dafür sorgen soll, daß junge den Arbeitsplatz von reifen Arbeitern übernehmen. Diese Eingriffe betreffen 100 Beschäftigte.

Solidarität.  Diese Verträge betreffen 500 überschüssige Einheiten <Arbeitsvieh /d.Ü.>, aber sie beziehen insgesamt 2 000 Personen ein, die die Arbeitszeit um 25% und die Entlohnung um 10% reduzieren.

Mobilität innerhalb der Unternehmensgruppe.  Tausende von Arbeitern werden in andere Gesellschaften der Gruppe verschoben.

Investitionen.  30 Billionen Lire <gut 30 Mrd. DM>, davon 5 Billionen Lire in Süditalien.

Einstellungen.  Es sind 6 200 Einstellungen vorgesehen, davon 2 000 im Süden. Es werden die vom Gesetz vorgesehenen Instrumente bevorzugt: Auszubildendenstatus, Probezeit und Anfängerverträge.5 Sie werden vor allem die mit dem Internet, dem Breitband und dem Customer Care verbundenen Aktivitäten betreffen.

Übersetzung und erläuternde Anmerkungen:  Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover



1 Salvi gehört dem linken Flügel der Linksdemokraten (DS) an (wobei dies inhaltlich nicht übermäßig viel zu sagen hat).

2 Colaninno ist der Vorstandsvorsitzende der Telecom Italia seit diese mehrheitlich dem Olivetti-Konzern von De Benedetti gehört.

3 Cerfeda ist quasi die rechte Hand des CGIL-Chefs Sergio Cofferati und im Nationalen Sekretariat der CGIL eigentlich für Organisationsfragen zuständig.

4 Nach der gesamten Erfahrung mit der sog. cassa integrazione (dieser bezahlten Kurzarbeit Null mit schönen Versprechungen) in Italien liegt die reale Chance auf Wiedereinstellung bei der Telecom Italia bei unter 5%, auch wenn bei Beginn der Maßnahme immer das Gegenteil behauptet wird !

5 Das heißt drei Varianten atypischer Arbeitsverträge, die mit absoluten Dumpinglöhnen verbunden sind.


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