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"il manifesto"vom 27.4.2000:

Unser 1.Mai in Rom

Viele Förderer und viel Unterstützung für die Manifestation, der man keine Piazza zur Verfügung stellen will.

Carla Casalini

Kann man in Rom noch demonstrieren ?  Die Frage ist angesichts des Tanzes, der zwischen der Stadtverwaltung, dem Superintendenten der Schönen Künste und dem Polizeipräsidenten bezüglich der 1.Mai-Manifestation in Rom aufgeführt wird, nicht ungewöhnlich. Wobei nicht die 1.Mai-Manifestation des Papstes am Vergata-Tor gemeint ist, die allem Anschein nach die Zustimmung der Institutionen auf sich konzentriert und die offizielle Unterstützung der nationalen Führungen von CGIL, CISL und UIL erhalten hat.

Die Sekretariate der konföderalen Gewerkschaften haben in der Tat die 1.Mai-Feier in Rom gecancelt, um sie dem "Heiligen Vater, auch wegen des starken sozialen Bekenntnisses" zu schenken, "die er dem <christlichen 2000 Jahres- /d.Ü.> Jubiläum zu geben beabsichtigt". Dies ist das Ergebnis einer halbgeheimen Verhandlung, die die Gewerkschaftsspitzen mit einer besorgniserregenden Anmaßung, was die Vertretung der Eigentümerschaft, d.h. der Entscheidungsfreiheit von Arbeiterinnen und Arbeitern angeht, die in Italien, wie im Rest der Welt, die Eigentümer des 1.Mai-Feiertages und daher die einzigen Entscheidungsberechtigten sind, geführt haben.

Ein Demokratiediebstahl und eine Lektion, was die Autonomie angeht, aber auch ein tiefgreifender kultureller Rückschritt sorgen dafür, daß ein - nach dem Polizeimassaker am Chicagoer Streik für die Reduzierung der Arbeitszeit vor einem Jahrhundert - symbolischer Tag, der eine allgemeine Bedeutung der Freiheit für alle, die sich aufgrund ihrer Kultur, ihrer politischen Entscheidungen bzw. religiösen oder weltlichen Überzeugungen unterscheiden, beseitigt wird.

Wer hindert uns ?

Das ist der Grund, weshalb seit Monaten in Gewerkschaften und Vereinigungen eine "Wiederaneignung" des 1.Mai in Rom diskutiert und dann organisiert worden ist. In "il manifesto" haben wir den Vorschlag gemacht, uns alle auf dem Campo die Fiori um die Statur von Giordano Bruno (dem Symbol der Freiheit in den Jahrhunderten) herum einzufinden.

Die Antwort auf unsere Einladung waren zwei Appelle: Einer (initiiert von außerkonföderalen Gewerkschaftsorganisationen, RSU’en und Vereinigungen des sozialen Engagements), der dazu aufruft sich um 10 Uhr morgens auf der piazza Esedra einzufinden, um von dort aus zum Campo die Fiori zu marschieren. Der andere Aufruf lädt direkt auf die piazza Campo die Fiori ein und ist von der CGIL-Gewerkschaftslinken Roms, von ARCI und Legambiente Lazio initiiert worden. Jetzt, da die Unterstützungserklärungen jeden Tag mehr werden, ist der Campo die Fiori aber von der <mitte-links-regierten römischen/d.Ü.> Stadtverwaltung verweigert worden.

Die Alternative ist bis heute die piazza Navona, aber es gibt "Probleme" mit den Schönen Künsten und es ist unverständlich welche. Immerhin ist die piazza für die <Regional- /d.Ü.>Wahlkundgebung von Piero Badaloni bewilligt worden. Verbirgt sich hinter dem ganzen Tanz vielleicht die Absicht diesen 1.Mai zu verhindern, indem man nach und nach jede bedeutende piazza verweigert ?  Es gibt jemanden der dafür die Verantwortung übernimmt:

Die Confindustria1

Das wäre gravierend. Nicht zufällig fließen bei den beiden "Aufrufen" in der Straßenmanifestation verschiedene Subjekte mit verschiedenen Wegen und Erfahrungen zusammen. Gemeinsam ist ihnen jedoch das Ziel diesen 1.Mai als Kampftag gegen die Unfreiheit auf der Arbeit und außerhalb davon zu markieren - für die Einheimischen und für die Migranten, für die das Leben in unseren Städten unmöglich gemacht worden ist.

Es ist eine Manifestation, die sich innerhalb des Kampfes gegen die Entlassungen, gegen die Referenden der Radikalen Partei und gegen ein wildes Sozialmodell bewegt, das noch gestern die Confindustria zu einer Unterstützungsaktion auf den Plan gerufen hat, indem sie Amato2 aufforderte, sich "vom DPEF"3 an mit "Reformen" zu beeilen, die auf die Konkurrenzfähigkeit ausgerichtet sind.

Übersetzung & erläuternde Fußnoten:  Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover



1 Italiens wichtigster Kapitalistenverband.

2 Giuliano Amato kommt aus der nach Aufdeckung der Verstrickung in die jahrzehntelange Schmiergeldpraxis bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen etc. 1994 aufgelösten PSI, war bis April 2000 Haushaltsminister in der zweiten Mitte-"Links"-Regierung von Massimo D’Alema und ist nun - nach der Schlappe bei den Regionalwahlen - selbst der neue Regierungschef (was er 1992/93 im übrigen schoneinmal war).

3 Das heißt von der Veröffentlichung des neuen Wirtschaftlichen und finanziellen Plandokumentes an. Hinter diesem bombastischen Namen verbirgt sich die etwas interventionistischere italienische Variante des deutschen Jahreswirtschaftsberichtes.


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