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Updated: 18.12.2012 16:07
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Französischer Transportstreik: Fortsetzung folgt. später

Am gestrigen Montag trafen sich die unterschiedlich ausgerichteten Gewerkschaften, die in den französischen Transportbetrieben vertreten sind, am Hauptsitz des größten französischen Gewerkschaftsbunds CGT in Montreuil bei Paris. Am Ende einer dreistündigen Diskussion wurde beschlossen, sich am 31. Oktober wieder zu treffen, um dann über eine eventuelle Wiederaufnahme des Streiks zu beraten. Zwischenzeitlich sollen die Verhandlungen beginnen; am morgigen Mittwoch werden zunächst die (rechtssozialdemokratische) CFDT und die ("postkommunistische") CGT beim Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand empfangen, um über die Bedingungen der "Reform" der Rentenregelungen in den Transportbetrieben und anderen Sektoren, wo bislang "Sonderregelungen" gelten, zu diskutieren.

Die Führung der CGT, die (mit 40,9 Prozent der Stimmen bei den letzten Personalvertretungswahlen der französischen Bahngesellschaft SNCF) noch immer die mit Abstand stärkste Gewerkschaft unter den Eisenbahner/inne/n darstellt - obwohl sie gegenüber früheren Perioden an Terrain verloren hat -, hatte beim Streik vom vorigen Donnerstag stark auf dessen zeitliche Begrenzung insistiert. Sowohl die branchenübergreifende Leitung des Dachverbands CGT als auch die Eisenbahner-Sektion traten jeweils für die strikte Einhaltung der Formel "vingt-quatre carré" (24 im Quadrat) ein, also für einen Ausstand, der innerhalb von 24 Stunden durchgeführt und danach beendet werden soll. Dagegen hatten die linksalternative Basisgewerkschaft SUD Rail (die 14,9 Prozent der Stimmen bei den Personalvertretungswahlen der SNCF "wiegt") wie auch die populistisch-schillernde FO-Eisenbahner (6,6 % der Stimmen bei der SNCF) für eine unbefristete Fortführung des Streiks über die 24 Stunden hinaus plädiert. Noch ist das Gesetz über den ,Service minimum' (Mindestbetrieb oder Mindestbelegschaft), das am 1. Januar 2008 in Kraft tritt, nicht anwendbar: Letzteres wird im Prinzip der Praxis der einmal begonnen und danach unbefristet weiter geführten Arbeitskämpfe im Transportsektor einen Regel vorschieben, zu seiner Umsetzung allerdings konkrete Betriebsvereinbarungen in den betroffenen Verkehrsbetrieben benötigen.

Das Kalkül der CGT lautet, dass (einerseits) das Risiko, einen Streik der Transportbetriebe nach ein paar Tagen unpopulär werden zu sehen, vermieden werden solle. Darüber hinaus ist die CGT (andererseits) auch nicht gewillt, das Risiko einzugehen, mit einem hohen Einsatz zu spielen und danach zu verlieren. Ihre grundlegende Furcht lautet, dass eine unter Aufbietung großer Energien gesuchte Kraftprobe, wenn sie denn verloren geht, über längere Jahre hinaus die französischen Gewerkschaften in die Defensive (zurück)werfen könnte. Ähnlich, wie die damalige britische Premierminister Margarat Thatcher nach der Niederlage der Lohnabhängigen im nordenglichen Bergarbeiterstreik 1984/85 den Gewerkschaften eine strategische Niederlage, mit länger anhaltenden Konsequenzen, zugefügt hatte. Deshalb möchte die CGT den Einsatz, die "Kampfzone" und das Risiko von vornherein begrenzen. Gleichzeitig hat die Erfahrung im Streik um die regressive "Rentenreform" im Mai/Juni 2003 -- in dessen Verlauf der Apparat der CGT den spontan ausgebrochenen Transportstreik schnell abgewürgt hatte, um danach zu versuchen, ihn auf Sparflamme alle paar Tage wieder hochkochen zu lassen, was freilich scheiterte, nachdem einmal die Luft draußen war - erwiesen, dass man in dieser Hinsicht auch "Selbstmord aus Angst vor dem Tode" begehen kann.

Unterdessen haben die unterschiedlichen Gewerkschaften im sonstigen öffentlichen Dienst (bei den LehrerInnen, Krankenschwestern, .) am Montag angekündigt, am 20. November in den Ausstand zu treten [siehe den Aufruf "Fonction publique : Appel à la grève le 20 novembre 2007" externer Linkbei der SUD]. Es soll um eine Anhebung der Löhne und Gehälter - vor dem Hintergrund der seit 2000 anhaltenden Erosion der Kaufkraft - sowie um eine Bekämpfung des durch die Regierung rabiat verfolgten Stellenabbaus in den öffentlichen Diensten gehen. Nach den derzeitigen Regierungsplänen soll im kommenden Jahr 2008 jeder dritte durch altersbedingte und sonstige Abgänge frei gewordene Arbeitsplatz in den öffentlichen Diensten nicht wieder besetzt werden ; in der Periode 2009 bis 2012 soll dies gar für jeden zweiten Arbeitsplatz dort gelten.

Möglicherweise wird sich ja um diesen Arbeitskampf etwas herum kristallisieren. Und im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen um die "Reform" der spezifischen Rentenregelungen im Transportsektor (dessen Abschaffung die zahlenmäßig wichtigsten Gewerkschaften voraussichtlich hinnehmen würden, falls sie im Gegenzug höhere Pensionen und Sondergarantien für Lohnabhängige mit spezifisch erschwerten Arbeitsbedingungen heraushandeln können) könnten die dortigen Gewerkschaften sich unter Umständen mit daran hängen.

Artikel von Bernard Schmid vom 23.10.2007


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