Home > Internationales > Frankreich > Arbeitskampf > streik221007
Updated: 18.12.2012 16:07
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Frankreich vor der Entscheidung über die Fortsetzung des Arbeitskampfs um die Rentenregelungen: Und wer verhandelt da schon wieder hinter dem Rücken der Anderen herum? Die alte CFDT mal wieder! Oh jeh, CFDT.

Im Laufe des heutigen Montag werden sich die verschiedenen, bei den französischen Transportbetrieben (und insbesondere bei der Bahngesellschaft SNCF) vertretenen Gewerkschaften treffen, um über eine eventuelle Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Streiks vom vorigen Donnerstag zu beraten.

Im Großraum Paris blieb der öffentliche Personenverkehr unterdessen weiterhin nicht unerheblich beeinträchtigt, mit Ausnahme des Pariser Stadtgebiets, wo Métro und Busse weitgehend normal verkehrten. Unterdessen fuhr aber nur ein kleinerer Teil der Vorortzüge rund um Paris, vor allem in die nördliche und nordwestliche Banlieue (Trabantenstadtzone). Die Übergänge (interconnexions) von der Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP zur nationalen Bahngesellschaf SNCF, die normalerweise an Knotenpunkten wie Nanterre den nahtlosen Übergang vom Pariser Verkehrsnetz auf bestimmte Vorortstrecken erlauben, blieben am Montag Vormittag blockiert. Ansonsten funktionierte der Personentransport im übrigen Frankreich weitgehend reibungslos, außer zwischen Lyon und Saint-Etienne. (Vgl. den Artikel )

Die, obwohl sehr ungleichzeitige, teilweise Fortführung des Ausstands in einem Teil der Transportbetriebe seit Donnerstag hängt mit dem fortdauernden Streikaufruf zweier Gewerkschaften zusammen: der linken Basisgewerkschaft SUD Rail (SUD Schienenverkehr) sowie der populistisch-schillenden FO cheminots (Force Ouvrière-Eisenbahner). Hingegen hatte die dritte von insgesamt acht Gewerkschaften bei den Eisenbahner/inne/n, die zunächst zum Weiterstreiken über den vergangenen Donnerstag hinaus aufrief, die autonome Lokführergewerkschaft FGAAC, ihren Aufruf diesbezüglich am Donnerstag Abend zurückgezogen. Inzwischen ist auch klar, warum.

Die berufsgruppenspezifische Gewerkschaft (die 3 Prozent des Personals der Bahngesellschaft SNCF, aber gut 30 % der Lokführer/innen vertritt) ließ sich dadurch ködern, dass den von ihr ausschließlich vertretenen Lokomotivführen spezifische Zugeständnisse angeboten worden sind. In Aussicht gestellt wurde ihnen am Donnerstag Abend, auch in Zukunft fünf Jahre früher als andere Eisenbahnbeschäftigte in den Ruhestand zu gehen. Bislang können die SNCF-Mitarbeiter/innen ab 55 in Rente abgehen, die Lokführer hingegen ab 50. Nunmehr wird dieses Mindestalter laut den Plänen von Regierungschef François Fillon (bis 2012) auf 60 Jahre angehoben; gleichzeitig soll nur noch eine volle Pension beziehen können, wer (ab 2012) mindestens 40 Beitragsjahre in die Rentenkassen einbezahlt hat. Aber, kündigte François Fillon am frühen Abend des Donnerstag an, aufgrund besonderer Anrechnungsmechanismen soll es den Lokführer/inne/n erlaubt werden, bereits ab 55 (statt bisher 50; und statt 60 für die übrigen Eisenbahner/innen) ihren Rentenanspruch geltend zu machen. Daraufhin sah die FGAAC "keinen Anlass" mehr zum Weiterstreiken, was die anderen Gewerkschaften erzürnte, da dieser Abgang erfolgte, "noch bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben" (laut CGT).

Unterdessen zeichnet sich ein weiterer schwerwiegender Abgang ab, der die Gewerkschaftsfront wesentlich tiefer spalten würde. Am Wochenende zeichnete sich nämlich ab, dass der sozialliberale Gewerkschaftsdachverband CFDT demnächst ausscheren dürfte. Bislang hatten alle 8 unter den Eisenbahner/innen (wo die CFDT rund 15 Prozent der Stimmen wiegt) vertretenen Gewerkschaften den Arbeitskampf unterstützt. Doch der für die Renten zuständige nationale Sekretär der CFDT, Jean-Louis Malys, hatte bereits am Donnerstag an Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand geschrieben, um ihm seine "Vorschläge" zu unterbreiten. Am Sonntag verlautbarte, dass die Regierung Anstalten unternahm, auf die CFDT zuzugehen. (Vgl. den Artikel ) Im Angebot bei der CFDT: Zwar wird eine Abschaffung der ,Régimes spéciaux' (Sonderregelungen bei der Rente) bis 2012 von ihr als inakzeptabel betrachtet. Aber bis 2014, ja, da könnte man doch glatt mit sich reden lassen. Konkret hatte die Regierung (nachdem sie lange Zeit noch offen gelassen hatte, ob sie die ,Régimes spéciaux' nun bis 2012 oder "erst" bis 2017 abschaffen möchte) in Aussicht gestellt, für die betroffenen Lohnabhängigen pro Jahr bis 2012 zwei Trimester (oder ein halbes Jahr) erforderlicher Beitragssätze hinzuzufügen, um bis in fünf Jahren die frühere Verrentungsmöglichkeit abzuschaffen. Nunmehr schlug die CFDT also vor, pro Jahr "nur" ein Trimester bis 2011, und in den Jahren danach bis 2014 dann zwei Trimester draufzuschlagen. Toller Kompromissvorschlag, wahrhaftig. Oder: Der Verrat scheint bei der CFDT zur zweiten Natur geworden zu sein.

Die französische Sozialdemokratie wies unterdessen die Regierung am Wochenende energisch darauf hin, dass es doch "vernünftige Gewerkschaften" gebe, mit denen es sich verhandeln ließe. Die rechtssozialdemokratische, blairistische Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal versuchte mal wieder, Präsident Nicolas Sarkozy von rechts zu kritisieren, indem sie darauf hinwies, dieser habe gefehlt, indem er den Ausbruch eines Streiks nicht verhindern konnte. (Vgl. den Artikel )

Bernard Schmid, Paris, 22.10.2007


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang