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Updated: 18.12.2012 15:51
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Ein Interview mit dem Gewerkschaftssekretär der korsischen Gewerkschaft STC

Auch nach dem Ende der Auseinandersetzung um die Privatisierung der Fährgesellschaft SNCM und der gewerkschaftlichen Niederlage dabei lohnt es sich das Interview zu lesen, das Marco Santopadre am 8. Oktober mit dem Generalsekretär der STC, Jacky Rossi, für die italienische Tageszeitung "Il Manifesto" machte - hier in der deutschen Übersetzung der Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover vom 16. Oktober 2005 "Wir wehren uns gegen die von Paris angestrebten Privatisierungen".

Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover: Nach diversen, tendenziösen Berichten der bürgerlichen Presse und einigen Beiträgen aus der Linken hier nun erstmals ein Interview mit der korsischen Gewerkschaft STC, deren Aktivisten am 27.September 2005 die Fähre „Pascal Paoli“ aus Protest gegen die geplante Privatisierung der französischen Fährgesellschaft SNCM und die damit verbundenen 400 Entlassungen besetzten und nach Korsika steuerten bis das Schiff noch auf See von der französischen GSG 9 (der GIGN) geentert wurde. Die linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ interviewte den Generalsekretär der STC, Jacky Rossi, für die Ausgabe vom 8.10.2005 zum Stand der Dinge und den Gründen für den fortdauernden Streik.

„Wir wehren uns gegen die von Paris angestrebten Privatisierungen“

Der Generalsekretär der größten Gewerkschaft der Insel erläutert die Gründe für den Streik der Hafenarbeiter

MARCO SANTOPADRE

In Marseille, Bastia und Ajaccio sowie auf den Schiffen der Société Nationale Corse Méditerranée gehen die Streiks weiter. Die Gewerkschaften haben nämlich den letzten Vorschlag der Regierung zur Privatisierung zurückgewiesen (nur 25% der Aktien sollen demnach beim Staat verbleiben) und warten am Montag auf die Versammlung des CdA. Die 2.400 Seeleute der Fährgesellschaft setzen ihren am 20.September begonnenen unbefristeten Streik fort, in dem es Momente hoher Spannung gab als einige Arbeiter im Hafen von Marseille die Fähre „Pascal Paoli“ beschlagnahmten / entführten, um sie nach Korsika zu bringen und die Armee dadurch dazu veranlassten, mit Hubschraubern und Kriegsschiffen zu intervenieren. Der Präsident des französischen Unternehmerverbandes MEDEF, Laurence Parisot, forderte die öffentlichen Gewalten „feierlich“ dazu auf, die Blockade der Häfen zu beenden. Alain Mosconi vom maritimen Sektor der Gewerkschaft der Korsischen Arbeiter (STC), ließ allerdings wissen, dass die Seinen sie wahrscheinlich nicht wieder besetzen werden. Angesichts der Erbitterung der korsischen Unternehmen sagte Mosconi, dass „der Gegner die Pariser Logik der Privatisierung und nicht das korsische Volk ist“. Zusammen mit der, der französischen KP (PCF) nahe stehenden, CGT ist der, den korsischen Unabhängigkeitskämpfern nahestehende STC (der seit 2002 stärkste Gewerkschaft auf der Insel ist) der Protagonist dieser Mobilisierung. Wir interviewten dazu den Generalsekretär, Jacky Rossi.

Was fordert Ihr?

„Dass die SNCM eine öffentliche Gesellschaft bleibt. Der Seeverkehr muss die kollektiven Interessen des korsischen Volkes respektieren und kann nicht als ein Teil des Marktes wie alle anderen betrachtet werden, sondern muss von den öffentlichen Institutionen reguliert werden, um den Anforderungen der Bevölkerung, die ihn nutzt, und der Arbeiter gerecht zu werden. Der STC musste oftmals mit der Ächtung durch die anderen Gewerkschaften fertig werden. Dieses Mal aber sind alle Gewerkschaften gegen die Privatisierung und fordern die Beibehaltung des öffentlichen Charakters der Gesellschaft. Die französischen Gewerkschaften fordern eine staatliche öffentliche Gesellschaft. Wir fordern, dass die korsische Regionalversammlung der Eigentümer wird. In dieser Phase des Kampfes hat das aber keine Bedeutung.“

Der französische Wirtschaftsminister Breton hat bekräftigt, dass die Exekutive nicht beabsichtigt den Beschluss, die SNCM zu privatisieren, rückgängig zu machen und schlägt nur eine Erhöhung des für die Arbeiter bestimmten Anteils von 5% auf 9% vor. Was meint Ihr dazu?

„Es handelt sich um ein Diktat der Europäischen Kommission, demgegenüber die französische Regierung wenig Spielraum zu haben scheint. Unsere Forderung hat nichts Absurdes oder Undurchführbares an sich. Es existieren bereits zwei regionale öffentliche Schifffahrtsgesellschaften in Frankreich, z.B. in der Bretagne. Wir fordern von unseren in die Regionalversammlung Gewählten, den Willen der korsischen Bevölkerung in den staatlichen und den internationalen Institutionen zu vertreten. Wenn das Urteil der lokalen Gemeinschaft nicht mit den von den Regierungen erlassenen Maßnahmen übereinstimmt, kann dieser Gegensatz nur dadurch gelöst werden, dass dem Volkswillen Rechnung getragen wird. Der Europäische Rat der Wirtschafts- und Sozialminister hat behauptet, dass die Neuordnung des Seeverkehrs ein besonderes Problem ist, das einer spezifischen Lösung bedarf und damit uns Recht gegeben, wenn wir fordern, dass in den Schifffahrtsgesellschaften das öffentliche Kapital überwiegt.“

Ihr wurdet beschuldigt, antidemokratische und sogar gewalttätige Kampfmethoden anzuwenden. Einige rechte Abgeordnete haben der Regierung gegenüber die Möglichkeit ins Spiel gebracht, Eure Gewerkschaftsbewegung zu verbieten…

„Es handelt sich um unakzeptable Drohungen. Wir verwenden seit jeher die klassischen Methoden des gewerkschaftlichen Kampfes. Um die Arbeitsplätze zu verteidigen, sind wir gezwungen, den Verkehr zu blockieren. Sicherlich gibt es negative Auswirkungen auf die Bevölkerung und auf die Touristen. Aber die Bevölkerung Korsikas unterstützt unsere Forderungen, auch weil eine Privatisierung der SNCM der Wirtschaft der Insel insgesamt schaden würde. Wenn die Regierung nicht auf den Beschluss verzichtet, die SNCM zu privatisieren, werden wir den Kampf fortsetzen. Unsere Aktion ist eine legitime Verteidigung.“

Die STC repräsentiert ausschließlich die korsischen Arbeiter. Wie versöhnt man einen nationalistischen Standpunkt mit den Forderungen, die gewerkschaftlichen und sozialen Charakter haben?

„Welches Europa wollen wir? Wir wehren uns gegen ein Europa der Staaten, der wirtschaftlichen und Finanzinteressen. Wir wollen ein Europa, in dem alle Völker volle Anerkennung genießen und in dem sich die Interessen der Arbeiter und der unteren Klassen durchsetzen. Es gibt keinen Widerspruch zwischen einem nationalen korsischen Standpunkt und der Verteidigung der Volksinteressen, im Gegenteil.“

(Vorbemerkung und Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover)


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