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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Verhandlungen um die SNCM gescheitert - Gewerkschaften lehnen Privatisierungspläne ab Bericht von Bernard Schmid vom 7. Oktober 2005 Am Donnerstag wurde das vorläufige Scheitern der Verhandlungen zwischen den verschiedenen Gewerkschaften bei der Schifffahrtsgesellschaft SNCM (die von Marseille aus die Fährlinien nach Korsika und Algerien betreibt) und der Pariser Regierung bekannt. Die Gewerkschaften lehnen weiterhin das von der französischen Zentralregierung verfolgte, doch „abgemilderte“ Privatisierungsvorhaben ab. Die Verhandlungsrunde vom Mittwoch endete ergebnislos. Am Freitag oder Samstag sollen die Unterhändler – auf gewerkschaftlicher Seite angeführt von Jean-Paul Israel, Generalsekretär der CGT-Seeleutegewerkschaft – erneut zusammentreffen. (Alle Gewerkschaften, auch die CFDT, die im Transportbereich der Linksopposition innerhalb ihres eher pro-neoliberalen Dachverbands angehört, ziehen derzeit bei der SNCM an einem Strang.) „Wir werden uns nicht mehr von der Stelle bewegen“ verkündete jedoch der französische Wirtschaftsminister Thierry Breton. Er hat bereits angekündigt, den überarbeiteten Privatisierungsplan jetzt alsbald in die Tat umzusetzen. Sonst, so drohte er, werde er „als Alternative“ im Namen der bisher noch in öffentlicher Hand befindlichen SNCM alsbald den Konkurs eröffnen, dies bestätigte der Minister am Freitag auf der Titelseite der (arbeitgeberfreundlichen) Wirtschafts-Tageszeitung „Les Echos“. Privatisierung oder Einleitung des Konkursverfahrens – auch in den Medien wurde dies teilweise als glatte Erpressung bezeichnet. Am Donnerstag wurde der Streik im gesamten Freihafen von Marseille (PAM, Port autonome de Marseille) fortgesetzt. 25 Schiffe blieben am An- und Ablegequai blockiert, 47 im Hafenbecken. Am heutigen Freitag rief die CGT, um eine Stärkedemonstration in der Mittelmeermetropole bem??ht, zu einem allgemeinen Aktionstag in Marseille auf. Laut ersten Radioberichten vom Vormittag wurde der Aktionstag deutlich befolgt, etwa bei den städtischen Transportbetrieben (RTM). Auch aus der Privatindustrie, namentlich von STMicroelectronics (wo die Beschäftigten von Entlassungen bedroht sind) und dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé (dessen Beschäftigte in Marseille vor kurzem einen wichtigen Erfolg gegen den Konzern erzielten, der gerichtlich zur Wiedereinstellung von 427 „betriebsbedingt“ entlassenen ArbeiterInnen gezwungen wurde), nahmen bedeutende Abordnungen an dem Aktionstag teil. Um 11 Uhr sollte eine Großdemonstration am Alten Hafen von Marseille losgehen. Der alte und der neue Regierungsplan Ursprünglich plante die Regierung, die öffentliche Transport- und Verkehrsgesellschaft SNCM (Société nationale Corse – Méditerranée), mit Sitz in Marseille, zu 100 Prozent zu privatisieren. Übernehmen sollte sie die französisch-amerikanische Investmentgesellschaft „Butler Capital Partners“. Dabei handelt es sich um einen Finanzinvestor, der selbst keinerlei eigene Erfahrung im Transportsektor mitbringt, sondern dessen Ziel darin bestünde, die aufgekaufte Gesellschaft „auszuschlachten“ und weiter zu verkaufen. Im Durchschnitt behält „Butler Capital Partners“ die aufgekauften Firmen sieben Jahre, bevor sie (oftmals nach Zerlegung) wieder den Besitzer wechseln. Da diese Frist bei anderen vergleichbaren Investmentfonds durchschnittlich nur vier bis fünf Jahre beträgt, handelte die französischen Regierung den Anleger zunächst als angeblich besonders humanen Vertreter seiner Zunft. In Wirklichkeit dürfte ein Faktor eine größere Rolle bei der Auswahl des Aufkäufers gespielt haben: Walter Butler, der Inhaber des Investmentfonds, ist (rein zufällig natürlich) ein Studienfreund von Premierminister Dominique de Villepin aus gemeinsamen Tagen bei der Verwaltungshochschule und französischen Eliteschmiede ENA (Ecole nationale de l’administration). Nach den erheblichen sozialen Konflikten der vergangenen Woche hat die Regierung ihre Regierungspläne jetzt überarbeitet. Ihr neues „Angebot“ sah vor acht Tagen noch so aus: „Butler Capital Partners“ sollte weiterhin 40 % der Anteile an der bisher öffentlichen Verkehrsgesellschaft SNCM übernehmen. Zusätzlich sollte ein anderes Privatunternehmen einsteigen, der private Transportbetreiber Connex (eine Filiale des Véolia-Konzerns, ehemals Vivendi-Gruppe). Als „industrieller Betreiber“ sollte Connex 30 % der Anteile übernehmen und die Führung der Geschäfte übernehmen. Connex wiederum gehört einem persönlichen Freund – nicht von Premierminister Dominique de Villepin (wie wir am Dienstag fälschlich schrieben: das ist bereits der andere, also der Inhaber des Butler-Investmentfonds), wohl aber von Präsident Jacques Chirac: Henri Proglio. Der französische Staat sollte seinerseits noch 25 % der Anteile behalten (gegenüber ursprünglich geplanten null Prozent), da die Gewerkschaften und die um ihre Arbeitsplätze fürchtenden Beschäftigten ihn in die politische Verantwortung nehmen möchten. Ferner sollten die abhängig Beschäftigten selbst – 2.360 Personen arbeiten bei der SNCM – insgesamt 5 % der Anteile übernehmen. Dieses Vorhaben stieß wiederum auf spürbare Widerstände seitens der Gewerkschaften, die – selbst wenn sie eine Teilprivatisierung nicht ausschließen (Anmerkung: die natürlich dennoch betriebswirtschaftliche Erfolgskriterien in die Verwaltung der SNCM einführen würde) - die Aufrechterhaltung eines Anteils der öffentlichen Hand in Höhe von mindestens 51 % fordern. Bei der Verhandlungsrunde vom Dienstag wollte die Pariser Regierung dieser Forderung jedoch nicht nachgegeben. Der neue, ultimative und letzte „Rettungsvorschlag“ der Regierung lautet folgendermaßen: Der Anteil der öffentlichen Hand bleibt bei 25 Prozent. Der Anteil der abhängig Beschäftigten (bei dem es sich notwendigerweise um Streuaktien handeln würde, also um einen weitgehend zersplitterten Aktienbesitz) sollte von 5 auf 8 Prozent erhöht werden; die Pariser Abendzeitung „Le Monde“ wollte auch von 9 Prozent gehört haben. Damit, so behauptete die Pariser Regierung, sei eine „Sperrminorität“ (in Höhe von einem Drittel der Gesellschaftsanteile) gewährleistet, da die Anteile des französischen Staates und der abhängig Beschäftigten ja nunmehr 33 bzw. 34 Prozent betrügen. Tatsächlich benötigen einige grundlegende, strategische Unternehmensentscheidungen (wie beispielsweise der Verkauf größerer Bestandteile der Gesellschaft) eine Zwei-Drittel-Mehrheite der Stimmanteile unter den Aktionären. Dagegen wären diese Minderheitsanteile im Alltagsbetrieb, den weiterhin Connex als „industrieller Betreiber“ übernehmen soll, weitgehend bedeutungslos. Der Investmentfonds „Butler Capital Partners“ soll weiterhin den größten Anteil (nunmehr 38 %) übernehmen und die Firma Connex 28 %. Kritik an Connex Ein Bericht der KP-nahen Tageszeitung „L’Humanité“ vom Donnerstag dürfte die Kritik am durch die Regierung eingesetzten „industriellen Betreiber“, Connex, nur noch verschärfen. Die Zeitung berichtet über die vorangegangenen Erfahrungen mit ebendieser Firma im britischen Eisenbahnsektor. Connex hatte anlässlich der Privatisierung des Eisenbahnnetzes unter der konservativen Regierung von John Major, 1996, den Betrieb von 2 der nunmehr 23 privatisierten Bahnnetze übernommen: South Central und South East. Letztere umfasst den Londoner Vorort- und Pendlerverkehr in Richtung Süden und Osten und ist damit ein besonders lukratives „Beutestück“. Die Verwaltung des Eisenbahnbetriebs unter Connex war jedoch dermaßen desaströs (NutzerInnen beklagten sich täglich über dauernde Verspätungen und schmutzige Züge), dass es zu einer Premiere kam: Die britische öffentliche Hand entzog im Jahr 2003 erstmals dem privaten Betreiber wieder seine Nutzungserlaubnis. Connex hatte bis dahin 58 Millionen Pfund (rund 85 Millionen Euro) an öffentlichen Subventionen eingesteckt. Nunmehr forderte die Gesellschaft, dass ihr nochmals zusätzliche 2 Millionen Pfund in den Rachen gestopft würden. Das war dann sogar der neoliberalen britischen Regierung zu viel: Sie übernahm vorläufig wieder selbst das Bahnnetz South-East (182 Bahnhöfe, 3.000 Beschäftigte, täglich 120.000 Passagiere) - sucht jedoch bereits nach einem neuen privaten Betreiber, während die britischen Gewerkschaften die Renationalisierung des gesamten Eisenbahnwesens fordern. Dieselbe Zeitung berichtet am Donnerstag auch, dass die Privatisierung des Schifffahrtsbetriebs zwischen Marseille und Korsika anscheinend von längerer Hand geplant ist. „L’Humanité“ enthüllt, dass die korsische Regionalregierung (eine Koalition aus liberal-konservativen Rechten und korsischen Nationalisten, wobei letztere sich nicht eben als progressiv erwiesen haben) seit längerem für 2007 eine Neudefinition der Auflagen für den öffentlichen Dienst im Transportbereich plant. An dem Text wird demzufolge seit längerem gearbeitet. Demnach soll nur noch eine Schrumpfversion, die allein den Gütertransport (aber nicht mehr den besonders lukrativen TouristInnen-Transport) umfassen würde, des als solcher definierten „öffentlichen Dienstes“ anerkannt werden. Den Privatkonkurrenten, so die seit längerem gehegten Pläne, soll damit der lukrativste Sektor vollständig „geöffnet“ werden. Bereits heute erhält die private Konkurrenz für den Touristentransport in Richtung Korsika– ebenso wie die SNCM – öffentliche Subventionen, im Namen der Strukturförderung für die strukturschwache Region Korsika. |