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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Aktuell: Zum Fortgang der Proteste im französischen Bildungswesen Am Montag vormittag eröffnete das, Ende voriger Woche blockierte, Lycée
Montaigne (eine prestigereiche Oberschule im Pariser Stadtzentrum) seine Tor
wieder, jedoch mit davor stationierten Polizisten in persönlicher Begleitung
des Rektors, die eine Eingangskontrolle vornahmen. Daraufhin blockierten
zunächst 100 bis 200 SchülerInnen den Zugang vollständig, unterstützt durch"eine Mehrheit der Lehrerschaft", wie es seitens der streikenden
SchülerInnenschaft hieß. Später kam Verstärkung aus anderen Schulen hinzu,
und rund 300 SchülerInnen sowie einige Studenten besetzten das Lycée
Montaigne. Bei Attacken der Bereitschaftspolizei CRS flogen Tische gegen die
angreifenden Beamten, die ihrerseits eifrig Knüppel und Tränengas
einsetzten. Rund 100 der BesetzerInnen gelangten dann jedoch auf das Dach
des Gebäudes, wo sie bis circa 17 Uhr verblieben, während 300 Personen sich
vor dem Gebäude mehrmals Rangeleien mit den CRS lieferten (detaillierten
Berichten zufolge flogen "Eier, Sylversterknaller, Flaschen und Gemüse" auf
die uniformierten und behelmten Bereitschaftspolizisten). Mehrere Schüler
sowie ein Fernsehjournalist von TF1 wurden verletzt. Gegen 18 Uhr am Montag
verließen die ehemaligen BesetzerInnen und BlockiererInnen die Schule in
einem spontanen Demozug in Richtung Sorbonne, und zogen in Richtung
nördliches Stadtgebiet weiter. Unterwegs errichteten sie smybolischen
Barrikaden mit den Absperrgitter des Rathauses und des Justizpalasts, an
denen sie vorbeikamen. Auf der Höhe der Kreuzung Boulevard de Strasbourg/
rue Saint-Denis (nördlich der Innenstadt) erfolgte die Auflösung, nachdem Am Mittwoch nachmittag (13. April) fand eine Demonstration der Nationalen
OberschülerInnen-Koordination in Paris statt, von der Place Denfert-Rocherau
bis zur Bastille. Daran nahmen circa 1.000 Oberschüler statt. Im Anschluss
kam es zu militanten Zusammenstößen zwischen Anhängern der
anarcho-syndikalistischen CNT und den Polizeikräften, wobei zwischen 300
(laut "Libération") und 500 (laut "Le Figaro") SchülerInnen den "Aufrührern"
folgten. Voraus ging eine Totalabsperrung der vom Bastille-Platz abgehenden
rue de la Roquette durch massive Polizeikräfte, die darauf mit allerlei
Gegenständen bis hin zu Stühlen eines Straßencafés beworfen wurden und mit
dem Abfeuern von neun Tränengasgranaten antworteten. Alle Zufahrten zur Dagegen rief die den Sozialdemokraten nahe stehende SchülerInnenorganisation FIDL nicht zur Teilnahme an der Mittwochsdemo auf, sondern dazu, am Donnerstag um die Mittagszeit vor mehreren Pariser Oberschulen und vor den Rathäusern zweier Bezirkshauptstädte im Pariser Umland, Bobigny und Créteil, geographisch verstreut zu demonstrieren. Die LehrerInnen im Pariser Umland wurden ebenfalls am Donnerstag, 14. April
von einer Reihe von Gewerkschaften (von Mitgliedsgewerkschaften des
Dachverbands FSU und die CGT im Bildungswesen über die linksalternativen SUD
bis zur anarcho-syndikalistischen CNT Bildungswesen) zu Streiks und
Demonstrationen aufgerufen. Der Pariser Demo, die am Donnerstag um 14.30
begann, schloss sich dann auch die (relativ linke) Nationale Koordination
der OberschülerInnen an. An ihr nahmen nach ersten Schätzungen 2.000 bis
4.000 Personen teil. Im Anschluss an die Demo kam es am Donnerstag
nachmittag ab circa 16 Uhr auf der Place de la Nation zu militanten
Zusammenstößen zwischen mehreren hundert Jugendlichen und den Neuer "Dialog" soll zur Beruhigung beitragen Seit Dienstag abend ist aber auch der "Dialog" zwischen Bildungsminister François Fillon und den von ihm anerkannten SchülerInnenverbänden, der FIDL (eine Satellitenorganisation der sozialdemokratischen Partei) und der UNL (etwas unabhängiger, aber der Parteilinken bei den Sozialdemokraten nahe stehend) wieder eröffnet worden. Der linke Flügel der Protestbewegung, etwa in Gestalt der Aktionskomitees der Oberschüler CAL (Comités d'actions lycéens) und der von ihnen geprägten Nationalen Koordination der Oberschüler, wird von Fillon nicht als Gesprächspartner anerkannt. Die FIDL erklärte in einer ersten Stellungnahme, es handele sich um einen
ersten Anfang, und die Verhandlungen müssten fortgesetzt werden. François
Fillon hatte das Angebot auf den Tisch gelegt, über die Anstellung von
mehreren tausend jener "pädagogischen Hilftskräfte" (in Gestalt von
Studierenden, die später in den Schuldienst wollen) zu reden, von denen er
in der Vorwoche bereits 300 einzustellen ankündigte. Dabei handelt es sich
jedoch nicht um "vollwertige" Pädagogenjobs, von denen mehrere tausend
abgebaut werden sollen, sondern um befristete und prekäre Verträge.
Ebenfalls will François Fillon über "demokratische Räume" im schulischen Die FIDL blieb auch am Donnerstag noch zuversichtlich bezüglich des weiteren Verhandlungsprozesses. Dagegen erklärte die UNL (die ebenfalls der sozialdemokratischen Partei nahesteht, jedoch eher der Parteilinken und bei größerer Eigenständigkeit) zeigte sich dagegen nach ersten optimistischen Tönen deutlich skeptischer. Bezüglich des ersten Zusammentreffens mit Fillon vom Dienstag hieß es seitens der UNL nachträglich, dieses sei im Ergebnis"ein Schlag ins Wasser". Weitere Aussichten Die Regierung hofft unterdessen sehnlich auf das Herannahen der
Frühjahrsferien (Mitte April), von denen sie sich eine Beruhigung der Lage
verspricht. Aber auch danach droht neue Ungemach. Denn in diesem Jahr soll
zum ersten Mal der Pfingstmontag in den meisten französischen Städten und
Bezirken ein normaler Arbeitstag sein, da die Regierung im Vorjahr diesen
gesetzlichen Feiertag abgeschafft hat. Der offizielle Beweggrund dafür war,
die Pflegekosten für ältere Menschen zu finanzieren, indem dieser Tag durch
die Lohnabhängigen zusätzlich gearbeitet und quasi als kostenloser
Arbeitstag "spendiert" wird - die Höhe der Monatslöhne bleibt natürlich Die Wut deswegen steigt zusehends an. In einigen Städten hatte man sich
entschieden, statt des Pfingstmontags lieber den Ostermontag als Feiertag
abzuschaffen, da beispielsweise in Nîmes am Pfingstmontag traditionell ein
Stierkampf stattfindet, den die Stadtoberen unbedingt "retten" wollten.
Dort, wo dies der Fall war, wurden am Ostermontag riesige Fehlquoten unter Von Bernhard Schmid, 15.4.05 |