Prozesse gegen Teilnehmer der SchülerInnenproteste in Paris: Erstmals Freispruch, andere sind bereits verurteilt

Nach den mehrere Wochen anhaltenden Schüler/innenprotesten, -demonstrationen und Besetzungsaktionen vom März und April 2005 rächt sich die Staatsmacht nun in Form einer Serie von Prozessen.

In Paris wurde bereits ein Oberschüler (Samuel Morville) zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er angeblich einen Polizisten körperlich angegriffen und bespuckt haben soll. Eine kaum glaubwürdige Behauptung, angesichts der Statur des Beamten, des 19jährigen Mitglieds der Gruppe "Alternative libertaire" (AL) andererseits - doch sie genügte, gestützt auf die Aussagen von Polizeizeugen, für eine Verurteilung.

Zwei andere Oberschüler wurden wegen der Teilnahme an Besetzungsaktionen zu 3.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Ein weiterer erhielt, ebenfalls in Paris, drei Monate Bewährungsstrafe, weil er sich seiner Festnahme widersetzt hat (haben soll). Im südwestfranzösischen Bayonne erhielten zwei Oberschüler zwei Monate Bewährungsstrafe, 112 Stunden "gemeinnütziger Arbeit" und (5.000 ?) Euro Geldstrafe aufgebrummt. Im westfranzösischen Le Mans erhielt ein weiterer Angeklagter gar zwei Monate ohne (!) Bewährung dafür, dass er anlässlich einer Demo mit Erde geworfen habe.

Doch am gestrigen Donnerstag, 13. Oktober endete erstmals ein Prozess gegen einen Aktivisten der Schülerbewegung mit Freispruch. In Paris wurde der 19jährige Angeklagte Hicham Ocha freigesprochen, der wegen angeblicher Gewalttaten gegen Polizeibeamte vor Gericht gezerrt worden war. Die Behauptungen waren durch nichts bewiesen, aber stützten sich auf die vermeintlich übereinstimmenden Aussagen von Polizeizeugen. Letzteren wurden allerdings von einer Kammer im Pariser Justizpalast eine zu geringe Glaubwürdigkeit beigemessen.

Derzeit sind noch 40 Personen angeklagt, darunter 9 OberschülerInnen und ein Lehrer wegen der (mit einer reichlich gewaltsamen Räumung beendeten) Besetzung des Pariser Rektorats. Am 18. November dieses Jahres findet der erste Revisionsprozess statt: Es handelt sich um das Verfahren in zweiter Instanz gegen Samuel Morville, der gegen seine Verurteilung Berufung eingelegt hatte.

Bernhard Schmid (Paris), 14.10.2005