Home > Internationales > Frankreich > Arbeit > Rente > rente2010_19 | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Treibstoffprobleme? "Am gestrigen Donnerstag wurden in Frankreich allererste Versorgungsengpässe mit Treibstoff infolge des Streiks in den Raffinerien, der sich u.a. gegen die Renten„reform“ (sowie gegen die drohende Abwanderung von Kapazitäten und Arbeitsplätzen) richtet, vermeldet. An 50 von insgesamt 12.500 Tankstellen in Frankreich herrschte für einige Stunden Benzinknappheit. Symbolträchtig war, dass auch eine Tankstelle in der Nähe der Champs-Elysées davon betroffen war, so dass die Nachrichtenagenturen vermelden konnten, die Versorgungskrise beim Treibstoff „erreiche Paris“.2 Bereits in der Vorwoche war Korsika von Versorgungsengpässe bedroht gewesen, wurde jedoch daraufhin vom benachbarten Sardinien aus versorgt" - aus dem Artikel "Frankreich im Streik: Vor Treibstoffknappheit?" von Bernard Schmid vom 15. Oktober 2010. Frankreich im Streik: Vor Treibstoffknappheit? Raffinerien, Häfen, LKW-Fahrer, Oberschulen, Energieversorgung, Transportbetriebe im Streik – „Epizentrum Marseille“ – Neue Demonstrationen am Samstag (16. Oktober) und am kommenden Dienstag (19. Oktober) Der Betrieb der insgesamt zwölf französischen Raffinerien nähert sich einem kritischen Punkt. Am gestrigen Abend trat auch die letzte, bislang noch gar nicht bestreikte Erdölraffinerie Frankreichs in Notre-Dame-de-Gravenchon (in der Normandie – nach Abstimmung in einer Vollversammlung – in den Streik1. In neun von zwölf Raffinerien war zuvor die Produktion gedrosselt worden, in zweien davon kam Am gestrigen Donnerstag wurden in Frankreich allererste Versorgungsengpässe mit Treibstoff infolge des Streiks in den Raffinerien, der sich u.a. gegen die Renten„reform“ (sowie gegen die drohende Abwanderung von Kapazitäten und Arbeitsplätzen) richtet, vermeldet. An 50 von insgesamt 12.500 Tankstellen in Frankreich herrschte für einige Stunden Benzinknappheit. Symbolträchtig war, dass auch eine Tankstelle in der Nähe der Champs-Elysées davon betroffen war, so dass die Nachrichtenagenturen vermelden konnten, die Versorgungskrise beim Treibstoff „erreiche Paris“.2 Bereits in der Vorwoche war Korsika von Versorgungsengpässe bedroht gewesen, wurde jedoch daraufhin vom benachbarten Sardinien aus versorgt. Transport-Staatssekretär Dominique Busserau forderte die Autofahrer/innen dazu auf, von Benzinkäufen auf Vorrat und Hamstereien abzusehen; in diesem Falle reichten die Benzinreserven für einen Monat.3 Die Nachfrage an den Tankstellen im täglichen Durchschnitt ist, aus eben dem genannten Grund, derzeit um 50 Prozent gegenüber dem normalen Mittelwert angestiegen. Der französische Verband der Erdölversorger/Erdölprdukte (Ufip) forderte daraufhin am gestrigen Donnerstag die französische Regierung dazu auf, den Zugang zu den „strategischen Reserven“ zu öffnen. Dieses Not-Resevoir enthält den nationalen Treibstoffvorrat, der für Zeiten internationaler Krisen und erheblicher Versorgungsknappheit aufgrund „höherer Gewalt“ aufbewahrt wird; in Frankreich existieren insgesamt 219 solcher Depots. Diese eiserne Reserve hält für circa zwei Monate. Auch der Verband der Speditions-/Fuhrunternehmen (FNTR) forderte, seinen LKWs den Zugang zu den strategischen Treibstoffreserven zu gewähren.4 Am Donnerstag Nachmittag gab die Regierung den Zugang zu besonderen Treibstoffreserven frei, die noch nicht den letzten strategischen Notreserven für Kriegszeiten entsprechen und elf Verbrauchstage zu überbrücken erlauben. Ebenso wie sie den Import von Treibstoff sowie den Sonntagstransport von Kraftfahrtreibstoff erlaubte. Auch erhöhte sie die erlaubte Transportmenge auf LKWs von 40 auf 44 Tonnen Treibstoff.5 Die prompte Reaktion: Seit gestern Abend sind nun auch die LKW-Fahrer, also die Lohnabhängigen in ebendiesen Transportunternehmen, zum unbefristeten Streik aufgerufen. Die CFDT-Transports (die innerhalb der CFDT zum relativ linken Branchenverband „Transporte und Infrastruktur“ gehört) rief die Fahrer dazu auf, Benzindepots und die Lagerhallen für die Belieferung von Supermärkten zu blockieren. Es wird erwartet, dass dieser Arbeitskampf sich ab dem Wochenende ausweitet.6 Am heutigen Freitag früh wurde durch einen Polizeieinsatz der Zugang zum Erdöl-Terminal im Ölhafen von Fos-sur-Mer (circa zwanzig Kilometer westlich von Paris) geöffnet.7 Die Erdölhäfen von Fos und Lavéra werden seit nunmehr 18 Tagen bestreikt und blockiert. Abzuwarten bleibt, ob sich genügend arbeitswillige Lohnabhängige finden, um einen Teil der in den bestreikenden Häfen wartenden Tanker und Frachtschiffe zu entladen. Derzeit warten 20 Schiffe (davon 17 Öltanker) im Hafenbacken von Marseille auf ihre Entladung, und 40 im benachbarten Fos-sur-Mer und Lavéra. Marseille gilt derzeit, laut einer Formulierung der Nachrichtenagentur Reuters von gestern Abend, als „Epizentrum“ der Streikwelle. Dort liegt auch u.a. die Müllabfuhr darnieder, Schulen und die Eisenbahn (dort liegt die Streikbeteiligung regional bei satten 80 Prozent!) werden bestreikt. Am stärksten ist in Marseille auch der „interprofessionnelle“, also Berufsgruppen und Wirtschaftsbranchen/Dienstleistungssektoren übergreifende Charakter der Streikbewegung zu beobachten: Streikende Eisenbahner/innen besuchen Lehrer/innen, besuchen städtische Angestellte besuchen... Bei der französischen Bahngesellschaft SNCF hält der unbefristete Streik zwar an, ist jedoch minoritär. Nachdem der Verkehr am Dienstag bis auf 25 Prozent der überregionalen Züge innerhalb Frankreichs zusammengebrochen war (die Auslandszüge nach Deutschland und England verkehrten allerdings zu 80 Prozent), wurde er am Donnerstag zeitweise wieder auf 40 Prozent angehoben. Parallel dazu gab die Direktion der Bahngesellschaft bekannt, die Streikbeteiligung sei angeblich von 40,4 % am Dienstag über 24 Prozent am Mittwoch auf circa 20,5 Prozent zurückgegangen. Die CGT bestritt diese Angabe allerdings und sprach von einer Streikquote von circa 31 Prozent. Hingegen funktionierte der Nahverkehr im Raum Paris und in anderen städtischen Ballungszentren beinahe normal, in Marseille war er „schwach gestört“. Ein wichtiges „Epizentrum“ der Streikbewegung sind inzwischen die Oberschulen geworden. Am Dienstag (Streik- und Demonstrationstag in ganz Frankreich) waren zunächst 90 Oberschulen blockiert, und an 209 war der Unterricht gestört. Am Ende des Tages wuchs die Zahl noch, der Oberschüler/innen-Verband UNL sprach von 400 und das Bildungsministerium von 367 „beeinträchtigten“ Oberschulen. Am gestrigen Donnerstag gab das Bildungsministerium wiederum ähnliche Zahlen heraus, die UNL sprach gestern Abend von 800 ganz oder teilweise blockierten Oberschulen. Die Jugendbewegung ist auch mit besonderer Repression konfrontiert. In Caen wurde am Dienstag ein 19jähriger Geschichtsstudent schwer verletzt. Auf ihn war mutmaßlich ein gezielter Schuss mit einer Tränengasgranate, aus nächster Nähe, abgefeuert worden. (Dies ist theoretisch streng verboten, nur Schüsse in die Luft werden vom Reglement erlaubt.) Er erlitt einen Schädelbasisbruch und musste fünf Stunden lang operiert werden. Sein Vater kündigte gestern an, Strafanzeige „gegen Unbekannt“ zu erstatten. Eine zweite Strafanzeige in derselben Stadt wurde durch einen jungen Mann, der ebenfalls beim Polizeieinsatz verletzt wurde, angekündigt. ---- 1 - Vgl. http://www.lejdd.fr/Societe/Social/Depeches/La-raffinerie-de-Port-Jerome-bientot-en-greve-226912/ 2- Vgl. http://www.lejdd.fr/Economie/Services/Depeches/Essence-Paris-gagnee-par-la-penurie-226807/ 3- Vgl. http://www.lepoint.fr/economie/bussereau-il-n-y-aura-pas-de-penurie-d-essence-a-la-pompe-14-10-2010-1249190_28.php 4- Vgl. http://www.lemonde.fr/depeches/2010/10/14/les-routiers-demandent-le-deblocage-des-stocks-de-carburant_3208_38_43619790.html 5- Vgl. 6- Vgl. http://www.lejdd.fr/Societe/Social/Depeches/Les-routiers-se-lancent-dans-la-greve-reconductible-226914/ 7- Vgl. http://actu.orange.fr/une/les-forces-de-l-ordre-ont-debloque-le-depot-petrolier-de-fos-sur-mer_62441.html Artikel von Bernard Schmid vom 15.10.2010 |