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Updated: 18.12.2012 15:51
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Frankreich: Streik ausländischer Ärzte in Krankenhäusern - Halber Lohn für gleiche Arbeit

« Dienst nach Vorschrift » sollten die rund 6.000 in französischen Krankenhäusern angestellten Ärztinnen und Ärzte, die ihr Diplom in einem Land außerhalb der EU erworben haben, an diesem Wochenende verrichten. In Frankreich war es ein verlängertes Wochenende, wegen des Nationalfeiertags (14. Juli) am vergangenen Freitag.

« Dienst nach Vorschrift », das bedeutet: Die « Praktischen Ärzte mit einem Diplom von außerhalb der EU » (abgekürzt Padhue) sollten anwesend sein - aber keine Medikamente selbst verschreiben und keine Operationen vornehmen, ohne dass ein « Aufsicht habender Arzt » dabei steht. So sehen es die Dienstvorschriften nämlich vor. Aber die Realität sieht normaler Weise völlig anders aus: Die « Padhue » verrichten eine identische Arbeit wie alle anderen Ärzte auch, aber oftmals für die Hälfte ihres Gehalts.

Laut einem Bericht auf dem Fernsehkanal LCI (La chaîne parlementaire, auf Politik spezialisiert) vom vorigen Freitag verdienen die Krankenhausärzte mit ausländischem Diplom im Durchschnitt 1.800 Euro, ihre Kollegen mit « einheimischem » französischem Diplom dagegen 3.800 Euro. Für dieselbe Arbeit, denn so sieht es in der Praxis aus. Dass die « Padhue » am vergangenen Wochenende « Dienst nach Vorschrift » verrichteten, d.h. sich streng an die theoretisch geltenden Regeln hielten, wurde durch die Medien unisono als « Streik » gewertet. (Vgl .etwa die Überschrift von 'Libération': « Die ausländischen Ärzte im Streik gegen die Prekarität », Ausgabe vom 14. Juli)

Rund 47.000 Krankenhausärzte sind in Frankreich beschäftigt. Dabei sind an insgesamt 10.000 Ärztinnen mit ausländischem, d.h. außerhalb der EU (vor allem in Algerien und in Osteuropa) erworbenen Diplom Arbeitserlaubnisse erteilt worden. In den letzten zwanzig Jahren hatte das französische Krankenhauswesen einen erheblichen Mangel an Ärztepersonal zu verzeichnen, da die « einheimischen » Ärzte sich wesentlich lieber als Freiberufler niederlassen. Aber auch weil die Spezialisierung « Arzt in der Notaufnahme » erst seit wenigen Jahren angeboten wird und es deshalb zunächst an extra dafür ausgebildeten MedizinerInnen mangelte. Daher erteilte man den « Padhue » zunächst Arbeitserlaubnisse, ohne aber sie in das französische Ärzteregister einzuschreiben, was eine Ausübung des ärztlichen Berufs erlaubt.

Bei einem Teil von ihnen wurde die Situation im Laufe der Jahre « normalisiert »,  das bedeutet, dass sie nachträglich ins Ärzteregister aufgenommen wurden. Und für die seit 2004 neu aus dem Ausland dazu kommenden Ärzte gibt es jetzt eine feste Prozedur (Prüfung, drei Jahre Krankenhauspraktikum in Frankreich und Vorsprechen vor einer Kommission), an deren Abschluss die « normale » ärztzliche Zulassung winkt. Aber zwischen 6.000 und (wahrscheinlich eher) 7.000 MedizinerInnen mit ausländischem Diplom, die früher als 2004 kamen, arbeiten nach wie vor ohne solche ärztliche Zulassung - und müssen deshalb theoretisch von einem « Aufsicht habenden Arzt » auf Schritt und Tritt begleitet werden. « Entweder sind kompetent, warum erteilt man uns dann nicht die Zulassung ? Oder wir sind inkompetent, warum lässt man uns dann überhaupt arbeiten (und auf die Patienten los) ? » fragt der Mediziner Georges Bechalany laut dem Bericht in 'Libération'.

Laut den Zahlen von 'Libération' gelten rund 4.000 von ihnen als in Fortbildung befindlich und werden irgendwann in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Aber weitere 3.000 werden auf Dauer in Frankreich bleiben, und man lässt sie dennoch in ihrem « minderen Statut » hängen. Seit längerem gibt es deswegen Reibereien. Im Juni 2006 wurde ein Abkommen zwischen dem Gesundheitsministerium und der Mehrheitsgewerkschaft der Krankenhausärzte (Fédération des praticiens de santé) abgeschlossen, das eine Kommission einsetzt, welche über die Zulassung der Betroffenen entscheiden soll. Die speziell durch die Ärzte mit ausländischem Diplom gegründete, eigene Gewerkschaft Inpadhue (rund 600 Mitglieder) dagegen ist damit nicht zufrieden: Das Abkommen enthält ihrer Auffassung nach zu wenig Garantien. « Einige von ihnen haben tausende von Nachtwachen absolviert, manche haben Doktorarbeiten (französischer Medizinstudenten) geleitet. Und man verlangt noch von ihnen, dass sie Prüfungen ablegen, nochmals Praktika absolvieren und dass eine Kommission über sie entscheidet ? » Mit diesen Worten wird ihr Vizepräsident, Madjij Si Hocine, zitiert. Die Inpadhue hatte zu dem jüngsten Ausstand aufgerufen.

Nach offiziellen Angaben hat die Streikbewegung vom vergangenen verlängerten Wochenende den Dienst in den Krankenhäusern nicht beeinträchtigt. Die Gewerkschaft (Inpadhue) hatte angekündigt, falls es zu keinen sichtbaren Zugeständnissen komme, werde sie am verlängerten Wochenende des 15. August erneut zu einem Ausstand aufrufen. Der Gesundheitsminister Xavier Betrand hat in Aussicht gestellt, das ab Oktober diskutierte Gesetz zur Finanzierung der öffentlichen Krankenversicherung solle den « Rahmen » dafür abgeben, eine Regelung dieses Problems zu diskutieren.

Artikel von Bernard Schmid vom 17.7.06


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