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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Nach den prallen Demonstrationen vom 19. März: Vergeigen die Gewerkschaftsführungen die Mobilisierung? Das Risiko besteht definitiv. Voraussichtlich möchten die größeren Gewerkschaften erst am diesjährigen 1. Mai wieder demonstrieren. Und mehrere Gewerkschaftsführungen unterstreichen deutlich, dass sie "harte Konflikte" in den Betrieben lieber abwürgen denn führen möchten. Die beste Nachricht war noch der Ort, wo das Treffen der acht wichtigsten französischen Gewerkschaftszusammenschlüsse (die fünf "offiziellen" Dachverbände plus die Union syndicale Solidaires , die Bildungsgewerkschaft FSU und der "reformistische" Zusammenschluss UNSA) am vergangenen Freitag stattfand. Man traf sich am 20. März, also einige Stunden nach dem sehr erfolgreichen Aktions- und Protesttag vom vorigen Donnerstag, dem 19. März - Labournet berichtete am Freitag -, um über das weite Vorgehen zu beraten. Und zwar am Sitz der Union syndicale Solidaires . Das ist der (lockere) Zusammenschluss von 32 Gewerkschaftsorganisationen, dem insbesondere die linken Basisgewerkschaften vom Typus SUD ( Solidaires, unitaires, démocratiques - "Solidarisch, unsektiererisch, demokratisch" im Plural) angehören. Sogar die rechtssozialdemokratisch geführte CFDT - der zweitstärkste Gewerkschaftsdachverband in Frankreich, der an der Spitze pro-neoliberal ausgerichtet ist - war gekommen. Dies ist ein bemerkenswertes Novum: Bislang hatte die CFDT den Basisgewerkschaften vom Typ SUD jegliche offizielle Anerkennung strikt verweigert. Die ersten SUD-Gewerkschaften (bei der Post, der französischen Telekom und in den Krankenhäusern) waren 1989 aus Abspaltungen - respektive Ausschlusswellen gegen Streikführer/innen unter Postbediensteten und Krankenschwestern - von der CFDT, die damals bereits deutlich nach rechts rückte, entstanden. Innerhalb von 20 Jahren sind unterdessen die SUD-Gewerkschaften zur zweitstärksten Organisation bei Post und France Télécom (nach der CGT) aufgerückt und überrunden "ihre" frühere Organisation deutlich. Ebenso entstanden auch andere SUD-Gewerkschaften 1995 und 2003 durch Abspaltungen von der CFDT, deren Führung in jenen Jahren in entscheidenden Momenten - während Millionenstreiks - die umstrittenen "Reformen" der jeweiligen konservativen Regierung (Juppé respektive Raffarin) unterstützte und den Streikbewegungen landesweit in den Rücken fiel. Auch wenn die SUD-Gewerkschaften später auch durch Abgänge aus der CGT oder FSU anwuchsen, so bleiben sie doch vor allem ein Produkt der inneren Spannungen bei der CFDT, die nach dem Mai 1968 zunächst die "linkeste" und offenste Gewerkschaftsorganisation gebildet hatte, deren Apparat jedoch in den achtziger Jahren scharf nach rechts rückte. Nunmehr lässt sich die Tatsache, dass sich auch die Repräsentanten der CFDT-Spitze zu dem Treffen der acht Verbände am vorigen Freitag bequemten, als implizite Anerkennung werten. Bei den massiven Demonstrationen vom vorigen Donnerstag hatten die SUD/Solidaires-Gewerkschaften einen wichtigen Mobilisierungserfolg vorweisen können. In Paris etwa umfasste allein ihr Block über 10.000 Personen, das waren annähernd so viele wie in jenem der CFDT (der erste benötigte zum Vorüberziehen 25 Minuten, der zweite knapp 30 Minuten). Dabei hat die Union Syndicale Solidaires frankreichweit rund 80.000 Mitglieder, die CFDT hingegen ihrer rund 600.000; nur, im ersteren Fall sind es oft aktive, im zweiteren Fall weitaus passivere Mitglieder. - Insgesamt kann die Teilnehmer/innen/zahl der Pariser Demonstration nur relativ schwer eingeschätzt werden, da sie aufgrund des starken Anfangs auf zwei parallelen Routen gleichzeitig ablief. Doch insgesamt dürften es in der Hauptstadt zwischen 150.000 und 200.000 Demonstrierende gewesen sein. Der gefällte Beschluss: ausgesprochen mau Ansonsten aber beschlossen die acht Gewerkschaftszusammenschlüsse bei ihrem Zusammentreffen am Freitag aber vor allem - nichts zu entscheiden. Es lag die Frage darüber, wie es nach den Massendemonstrationen (frankreichweit rund zwei Millionen Teilnehmer/innen) am Donnerstag, 19. März, weitergehen wird. Beschlossen wurde bislang gar nichts, außer, dass man sich am kommenden Montag (30. März) wiedertreffen wird, vgl. dazu ihr gemeinsames Kommuniqué - Das dürfte de facto den Wunsch so mancher Gewerkschaftsspitze - jener der CFDT erklärtermaßen, aber implizit auch jener der CGT - ausdrücken, nur ja bloß keine neue größere Mobilisierung vor den Frühjahrsferien zu starten. Die kommenden Schulferien, für die Frankreich in drei Ferienzonen eingeteilt wird und die jeweils 14 Tage dauern, finden vom 4. April bis 4. Mai statt. Innerhalb dieses Zeitraums dürften soziale Mobilisierungen, durch die urlaubsbedingte Abwesenheit vieler Eltern schulpflichtiger Kinder und vor allem der Lehrkräfte, nur gebremst stattfinden können. Parisot polarisierte Soll man sich als Gewerkschafter nun über die harte Haltung der Arbeitgeberpräsidentin freuen, oder nicht? Die Chefin des Unternehmerverbands Medef, Laurence Parisot, hat nach Auffassung vieler Gewerkschaftsvorsitzender - etwa François Chérèque von der CFDT oder Bernard Thibault von der CGT - durch ihre arroganten Reaktionen auf den ersten Protest dazu beigetragen, dass die jüngsten Protestdemonstrationen ein durchschlagender Erfolg wurden. Über drei Millionen Menschen (laut gewerkschaftlichen Angaben) gingen am Donnerstag voriger Woche dagegen auf die Straße, dass die Regierung - so die gewerkschaftliche Kritik - die Kosten der Krise des Kapitals auf die Lohnabhängigen abwälze. Die Polizei spricht ihrerseits von 1,2 Millionen Demonstrierenden. Das ist ein neuer Rekord, auch wenn es in Wirklichkeit eher rund zwei Millionen Protestler gewesen sein dürften. Auf diese Weise werden Spitzenwerte erreicht wie zuletzt bei den Protesten gegen die Aushebelung des Kündigungsschutzes im März 2006. Aber damals wurde ein solch quantitatives Niveau erst nach mehrwöchiger Dauermobilisierung, mit Aktions- und Demonstrationstagen jede halbe Woche, und am zehnten Mobilisierungstermin erreicht. Derzeit geht die Mobilisierung beinahe von null auf hundert. Außer am vorigen Donnerstag hat es bislang nur einen einzigen gewerkschaftlichen Aktionstag, am 29. Januar, gegeben, der ebenfalls breite Demonstrationen brachte. "Harte Konflikte" in den Betrieben: Gewerkschaftsspitzen erschrocken. Und im Gegensatz zu 2006 fehlt auf den ersten Blick ein einheitliches Ziel: Damals waren sich alle Kräfte, die zum Protest mobilisierten, darüber einig, dass der Gesetzentwurf zur Aushebelung des Kündigungsschutz vom Tisch müsse. Heute sind die Forderungen heterogener: "Die Krise" ist abstrakter, und ihre Auswirkungen sind mannigfaltig. Hier nutzt das Kapital die Gunst der Stunde, um die Löhne mit Zustimmung der um ihren Arbeitsplatz bangenden Vertrauensleute oder Beschäftigten abzubauen. Dort, um massiv Arbeitsplätze abzubauen und zu verlagern, und dabei die "Standortkonkurrenz" anzuheizen. Manchmal auch beides, wie beim Reifenhersteller Goodyear-Dunlop in Beauvais, rund 50 Kilometer nördlich von Paris: In einer der beiden Fabriken vor Ort konnte die Leitung eine Ausdehnung der Arbeitszeiten - im neuen Vier-Schicht-Betrieb - ohne Lohnausgleich durchsetzen. In der anderen Fabrik direkt gegenüber gelang ihr dies nicht, und "zur Bestrafung der Beschäftigten", so die Gewerkschaftsvertreter, drohen nun gleich 1.000 Entlassungen. Manchmal werden auch erst schmerzhafte "Einschnitte" durchgesetzt und danach der Betrieb dennoch dichtgemacht. So hatten die Beschäftigten des Autozulieferer (Hersteller von Auto-, aber auch Fahrradreifen) Continental in Clairoix, unweit von Beauvais, im September 2007 einer Erhöhung der Arbeitszeit um unbezahlte zusätzliche fünf Stunden - von 35 auf 40 Stunden - zugestimmt. Jetzt kam "von oben" der Beschluss, die Firma dichtzumachen und 1.120 Arbeitsplätze zu vernichten, um andernorts noch kostengünstiger zu produzieren. Nicht ohne vorher noch neue Maschinen, die erst kürzlich in Clairoix aufgebaut waren, dort auszuprobieren, weshalb die betroffenen Arbeiter/innen sich in Interviews auch als "Versuchskaninchen" bezeichnen. Die Bilder vom Fabrikdirektor Louis Forzy, der am 12. März durch die Beschäftigten mit rohen Eiern bombardiert wurde, gingen sofort quer durch Frankreich. Zumal zum selben Zeitpunkt der Generaldirektor von Sony Frankreich eine Nacht lang durch aufgebrachte Lohnabhängige festgehalten wurde. "Die Radikalisierung, letzte Hoffnung für Beschäftigte in Not" schlagzeilte die linksliberale Libération dazu am 19. März o9. Und wie ihre gestrige Ausgabe beschreibt, wollten einige aufgebrachte Arbeiter sich auch den Vertrauensmann der CFTC (christlicher Gewerkschaftsbund, eher rechts), der das Verzichts-Abkommen vom September 2007 im Namen seiner Gewerkschaft unterzeichnet und dadurch rechtskräftig gemacht hatte, vorknöpfen. Andere Kollegen konnten sie jedoch davon abhalten. Bei Sony schlugen die Beschäftigten ein Angebot der Direktion, ein Übernahmeangebot für eine "bedrohte" Fabrik in Pontonx-sur-l'Adour in Südwestfrankreich zu unterbreiten, aus: Sie wollten lieber stattliche Abfindungszahlungen. Im Falle einer Übernahme waren sie misstrauisch, dass sie nur dazu führe, die Abfindungszahlungen zu senken - wenn später nicht der Großkonzern, sondern ein kleinerer Übernehmer für die Kündigungen verantwortlich wäre. Her mit der Kohle jetzt!, sagten sich die Beschäftigten da lieber. Die Gewerkschaftsführungen scheinen die Reaktionen der Lohnabhängigen in den einzelnen Betrieben zum Teil eher zu fürchten, als dass sie sie unterstützen würden. "Die Gewerkschaften such die Mittel, um scharfe Konflikte zu vermeiden" titelte die Pariser Abendzeitung Le Monde am vergangenen Samstag. So wird der Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds CFE-CGC - dem Verband der Angestelltengewerkschaften - Bernard Van Craeynest mit den Worten zitiert, es sei gut, "so viele Leute wie möglich auf die Straße zu bringen, um harte Konflikte zu vermeiden." Auf ihn antwortete Chérèque vom Dachverband CFDT mit größerer Skepsis: "Auch wenn wir eine Demonstration pro Woche organisieren, wird das scharfe Probleme in den Betrieben nicht verhindern." Auch er scheint sie eher zu fürchten als zu erhoffen. Wann und wie weiter mobilisieren.? Dabei stehen Demonstrationen ja nicht unbedingt im Gegensatz zu Arbeitskämpfen in den Betrieben - es fragt sich nur, mit welcher Stoßrichtung, und ob sie mit einem Aufruf zum Streik verbunden sind oder aber auf 24stündige Straßenspaziergänge besschränkt bleiben. Letzteres möchten am liebsten Gewerkschaftsführungen wie jene der CFDT, die nun nach dem Mobilisierungserfolg vom vergangenen Donnerstag auf den 1. Mai als nächstes Protestdatum vertrösten möchte. Die andere Variante bevorzugen etwa die radikale Linke oder auch die linksalternativen Basisgewerkschaften wie SUD und ihre Ableger, die in der Union syndicale Solidaires eher locker zusammengeschlossen sind. Nun entscheidet sich also - wie eingangs ausgeführt - am kommenden Montag, ob noch vor den Aprilferien demonstriert wird, wie Solidaires es favorisiert, oder erst Anfang Mai. Höchstwahrscheinlich wird sich aber die letztgenannte Variante durchsetzen ; möglicherweise garniert mit einigen regionalen und/oder auf eine bestimmten Wirtschaftssektor oder bestimmte Berufsgruppen begrenzten Demonstrationen im Laufe des April. Die Debatte hat sich zudem symbolisch darum kristallisiert, ob der Generalstreik auf den Antillen - der auf Guadeloupe am 20. Januar anfing und bis in die erste Märzwoche 2009 hinein dauerte - ein Vorbild darstelle oder nicht. CGT-Chef Thibault warnte bereits explizit davor, einen fremden Konflikt nach Festlandfrankreich "importieren" zu wollen. Hingegen verteilte Solidaires auf den Demonstrationen letzter Woche massenhaft Aufkleber mit der Aufschrift: "Wie in Guadeloupe: Wir können gewinnen! Generalstreik!" Auch der Sprecher der Neuen Antikapitalistischen Partei (des NPA, Nouveau Parti Anticapitaliste), der SUD-Postgewerkschafter Olivier Besancenot, zitiert landauf landab das karibikfranzösische Beispiel. Auf den Inseln Guadeloupe und La Martinique konnte die Protestbewegung nach zähem Kampf fast alle ihre Forderungen, darunter die Hauptforderung nach einer Erhöhung aller niedrigen Löhne um 200 Euro, durchsetzen. CFDT-Chef Chérèque klagte nun die radikale Linke in Frankreich an, sie lauere "wie Aasvögel" auf soziale Konflikte, um diese anzuheizen, was ihm einen öffentlichen Schlagabtausch mit Besancenot eintrug. CGT versus Parisot? Oder nur Geplänkel. Thibault von der CGT seinerseits hatte seine öffentliche Polemik mit Arbeitgeberpräsidentin Parisot. Letztere hatte im Vorfeld kritisiert, die Demonstrationen schürten "Illusionen und Demagogie", die im Nachhinein wirtschaftlich "teuer bezahlt" würden - da sie zum Verlust von Arbeitsplätzen führte. Und sie hatte namentlich die CGT angegriffen, die alsbald die Höflichkeiten erwiderte. Vielfach wird vermutet, Parisot habe durch ihre Arroganz und ihre Anwürfe zum jüngsten Mobilisierungserfolg beigetragen. Jenseits dieses taktischen Elements wirft die harte Haltung von Arbeitgeberpräsidentin Parisot aber auch ein strategisches Element für die Gewerkschaftsführungen auf: Es zeichnet sich nicht ab, dass sie Parisots Lager durch relativ geringen Druck zum Einlenken an bestimmten Punkten bewegen kïnnten. Allerdings vermutet die Presse, die taktisch wohl eher unklug wirkenden Angriffe der Medef-Präsidentin im Vorfeld der Demonstration hätten in Wirklichkeit einen wohl kalkulierten Hintergrund: In diesen Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise benutzen die regierenden bürgerliche Politiker mitunter wohlfeile Kritiksprüche über das Arbeitgeberlager - so fordern sie Parisot derzeit verbal energisch auf, die Managergehälter zu begrenzen -, um den Legitimationsdruck gegenüber der Öffentlichkeit von sich selbst abzuwälzen. Deshalb wird der Druck an das Arbeitgeberlager weitergereicht, das sich seinerseits gespalten zeigt: Soll man ihm nachgeben und etwa unverschämte Managergehälter respektive ihre Erhöhungen zurückhalten, oder sich nicht darum kümmern? Um die verloren gegangene Einheit des eigenen Lagers wieder herzustellen, dienten die verbalen Angriffe Parisots auf die Gewerkschaften wiederum als Entlastung, um ihrer eigenen Verein zusammenzuschweißen. Ähnlich wie Parisot hatte sich aber auch eine frühere Gewerkschaftschefin geäußert, Nicole Notat, die von 1992 bis 2003 die CFDT leitete und damals auch "die Zarin" genannt wurde, bevor sie selbst François Chérèque als ihren Nachfolger aussuchte. Auch sie, die heute als Unternehmensberaterin aktiv ist und von Zeit zu Zeit zu öffentlichen Fragen Stellung nimmt - meist, um die französische Sozialdemokratie von rechts her zu kritisieren -, sprach am 19. März im Zusammenhang mit den Demonstrationen am folgenden Tag von "Illusionen". Dreckspatz bleibt Dreckspatz. (Vgl. Artikel ) Universitätsstreik(s) Nicht nur bei von Entlassungswellen bedrohten Fabrikarbeitern wird derzeit protestiert, sondern auch am anderen Ende der Skala der Berufsgruppen: unter Hochschullehrern und in anderen intellektuellen Berufen, sowie bei Studierenden. Diese gesellschaftliche Spannbreite der Proteste trägt mit dazu bei, das Feuer unter dem Kessel zu halten, auch wenn die Forderungen in den Abwehrkämpfen nicht immer einfach auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Unter den Hochschullehrer/inne/n traten seit Anfang Februar 2009 auch Gruppen in den Streik, die seit Jahrzehnten - wenn je überhaupt - an keinem Ausstand beteiligt waren. Beispielsweise das Lehrpersonal der Universität Lyon-III: Diese eher rechtslastige Fakultät, an der unter anderem Jura und Geschichtswissenschaft unterrichtet wird, entstand im Mai 1968 aus einer Abtrennung des streikgegnerischen Teils der Hochschullehrerschaft von der bestreikten Universität Lyon-II. Noch nie hatte hier ein Arbeitskampf stattgefunden. Bis im Februar dieses Jahres. Auch wenn unter anderem rechte und rechtsextreme Studierendenverbände schäumten und dagegen zu mobilisieren versuchten, schloss sich ein Teil des Lehrpersonals - selbst in Jura - einem landesweiten Streik der Hochschullehrer an. Letzterer ist nicht zu Ende, da das umstrittene Regierungsdekret zur Arbeitszeit der Hochschullehrer derzeit auf Eis gelegt ist, aber nur, um es zu überarbeiten und erneut zu veröffentlichen. Hochschul-Ministerin Valérie Pécresse führt diesbezüglich nun Verhandlungen mit ihr ausgewählten Gesprächspartnern durch, die jedoch durch die größte Gewerkschaft der Hochschullehrer - den SNESup-FSU- als "pure Farce" betrachtet werden. Der Streit um die Arbeitszeit der Hochschulllehrer ist dabei nur eine der Auswirkungen des Inkrafttretens des "Gesetzes zur Autonomie der Universitäten", das Mitte August 2007 - inmitten der Sommerferienperiode - vom französischen Parlament verabschiedet worden ist. Es verleiht den Universitätspräsidenten sehr weitreichende Vollmachten, um "ihre" Hochschule ähnlich wie ein Unternehmen zu verwalten und dabei auch Gelder aus dem Privatsektor zu akquirieren. Eine der Folgewirkungen ist nun, dass den Hochschulleitern das Recht eingeräumt werden soll, über die Arbeitszeit ihrer Lehrkräfte relativ frei zu entscheiden und diese dabei bis auf 300 Prozent ihrer jetzigen Dauer hochzusetzen - sofern die "wissenschaftlichen Leistungen" der Lehrkräfte in ihrem jeweiligen Fach im Bereich der Forschungstätigkeit oder der Publikation fachbezogener Artikel aus Sicht des Präsidenten unbefriedigend ausfallen. In Wirklichkeit ist dies freilich nur das Einfallstor, durch das letztlich die finanziellen Zwänge der - haushaltspolitisch nunmehr in Bälde eigenverantwortlichen - Hochschulen Eingang finden werden. Je ärmer die Universität, desto ausgedehnter dürften die Arbeitszeiten der Lehrkräfte werden ,und desto "unbefriedigender" dürfte die - reale oder vorgeschobene - Bewertung ihrer Forschungsleistungen durch die Hochschulleitung ausfallen. Auch die Studierenden sind gegen diese neue Regelung. Einerseits, weil das Konzept, Unterricht in den Augen der Lehrenden quasi als "Strafe für schlechte wissenschaftliche Leistungen" hinzustellen, auch aus Sicht der Studierenden nichts Gutes verspricht. Zum Anderen, weil der politisierte Teil der Studierenden aus eigenen Interessen heraus lange Monate gegen das "Gesetz zur Autonomie der Universitäten" Sturm gelaufen ist. Den ganzen Herbst und Winter 2007 hindurch - als es insofern "zu spät" war, als das Gesetz bereits im Hochsommer davor per Überraschungscoup verabschiedet wurde - streikten zahlreiche Universitäten dagegen. Doch die Bewegung lief sich tot, da die Studierenden allein blieben und nicht auf die "Konvergenz" mit anderen Streiks und Kämpfen bauen konnten. Nunmehr ist auch die Studierendenbewegung, angefacht durch den Streik der Hochschullehrer im Februar als "Initialzündung", wieder erwacht. Die basisdemokratische Selbstorganisation in Gestalt der "nationalen Koordination der Studierenden" (CNE) hat sich zuletzt am vergangenen Wochenende im ostfranzösischen Strasbourg versammelt. Sie rief dort zur Ausweitung und unmittelbaren "Radikalisierung des Universitätsstreiks" auf und warnte die Regierung vor der "Illusion", sie könnte den aktuellen Hochschul- und Studierendenstreik "aussitzen und sich totlaufen lassen" (, laisser pourir '), was man im Französischen allgemein auch ,stratégie du pourrissement' (von pourrir = faulen, verwesen) nennt. Dies beinhaltet auch, nach Bündnispartnern in anderen gesellschaftlichen Sektoren Ausschau zu halten. Möglicherweise wird die Studierendenbewegung, einmal mehr, das Salz in der Suppe oder das vorantreibende Element eines verschiedene Sektoren übergreifenden Ausstands bilden - falls es nicht wieder gelingt, sie isoliert bleiben zu lassen. Artikel von Bernard Schmid vom 24.3.09 Siehe auch: |