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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Caterpillar nach dem "Bossnapping" Direktion verliert Rechtsstreit um den "Sozialplan" gegen Lohnabhängige im Arbeitskampf. CE (Betriebsrat) verzichtete auf Urabstimmung unter den abhängig Beschäftigten Auch ein bürgerliches Presseorgan wie das konservativ-wirtschaftsliberale Wochenmagazin ,Le Point' bezeichnet inzwischen Bossnapping-Aktionen - wie sie in Frankreich gelegentlich stattfinden, der Zähler steht seit vergangener Woche auf 10 - als "Kräfteverhältnis, das sich manchmal (zugunsten der Lohnabhängigen) auszahlt". (Vgl. http://www.lepoint.fr/actualites-societe/2009-04-24/sequestrations-de-patrons-un-rapport-de-forces-parfois-payant-pour-les-salaries/920/0/333563 ) "Manchmal", aber nicht immer, das trifft durchaus den Kern: Denn örtlich isoliert bleibende "radikale Betriebsaktionen" können den - vielleicht weniger spektakulären, aber breitere Solidarität und dadurch stärkeren Druck entfaltenden - entschlossenen Streik nicht ersetzen. Nur, das Problem besteht darin, dass (mit Ausnahme der Union syndicale Solidaires) keine einzige der grö b eren französischen Gewerkschaften an ihrer Spitze einen entschlossenen Streik, Generalstreik (über 24 Stunden hinaus) gar, wünscht. Am heutigen Freitag früh wird CFDT-Chef François Chérèque auf der Homepage des ,Figaro' mit den ausdrücklichen Worten zitiert, er wünsche zwar einen Erfolg der Demonstrationen am 1. Mai, aber auf keinen Fall "einen Streikaufruf am 1. Mai", der über den Tag hinaus tragen könnte. Erst am Dienstag, den 4. Mai werden die französischen Gewerkschaftsspitzen - nach den Demonstrationen vom Arbeiterfeiertag an diesem Freitag - wieder zusammentreten, um über eventuelle Folgeaktionen zu beraten. Das, was ,Le Point' schreint, ist immerhin eine rationale Reaktion. Während die deutsche Presse zum Gutteil au b er Rand und Brand ist, keift und geifert, nachdem harmlose sozialdemokratische Politiker/innen wie Gesine Schwan oder Oskar Lafontaine und der noch harmlosere DGB-Chef Michael Sommer in den letzten Tagen mal etwas von "sozialen Unruhen" murmelten. (Die ihnen, jedenfalls der Mehrzahl unter den drei Genannten, zweifellos erst Angst bereiten, und von ihnen folgerichtig auch als fürchterlich dargestellt werden und sie zu "Warnungen verleiten", denn Hoffnung erwecken. OK, Oskar Lafontaine - in der Opposition radikaler wie in Zeiten als SPD-Chef - hatte tatsächlich auch die Idee in den Mund genommen, dass es manchmal nicht gar so verwegen sei, "Manager ein(zu)sperren", wie in Frankreich eben.) Nicht so gern hört Worte wie jene des Magazins ,Le Point' eine Unternehmensleitung wie jene des Baumaschinenherstellers Caterpillar. Vier ihrer führenden Manager waren am 31. März und 1. April in Grenoble vorübergehend durch Lohnabhängige festgesetzt worden. Immerhin hatte der Konzern in einer ersten Reaktion die Anzahlt der geplanten Entlassungen daraufhin vorläufig von 733 auf 620 heruntergesetzt. (Zwischenzeitlich war auch schon einmal von 450 die Rede.) Jedoch hat die Betriebsleitung auch, vertreten durch die vier unmittelbar Betroffenen, "Anzeige gegen unbekannt" infolge der Bossnapping-Aktion erstattet. (Vgl. http://tempsreel.nouvelobs.com/depeches/economie/20090424.FAP8202 Und zudem hatte die Direktion zunächst 22 ihrer Lohnabhängigen durch Aussetzung des Arbeitsverhältnisses (die Sanktion lautet ,mise à pied', d.h. Aussetzung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Lohnausgleich für eine bestimmte Dauer oder unbefristet) bestraft. (Vgl. http://www.laboussole74.com/rubriques_zoom.php?cat=1&subcat=3&id=9791 ) Diese Sanktion wurde jedoch wieder zurückgenommen, nachdem die betroffenen Lohnabhängigen im Laufe des vorigen Donnerstag die entsprechenden Briefe erhalten hatten. (Vgl. http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hpIQLaTOW_LV2eR1bRX_kqGQUbtA ) Unterdessen sollte bei Caterpillar Frankreich Urabstimmung über eine "Regelung zum Konfliktende" (accord de fin de conflit) stattfinden. Dabei würde es um einen "Kompromiss" gehen, der die Anzahl der geplanten Kündigungen vermindert, aber im Gegenzug ihr prinzipielles Stattfinden durch das Votum der abhängig Beschäftigten "legitimiert". Dies hatten einige Beschäftigtenvertreter gefordert. Das Comité d'entreprise - CE, ungefähres Äquivalent zum deutschen Betriebsrat, aber mit andersartigen Aufgaben und Befugnissen - hatte zunächst am 21. April einen solchen Vorschlag der Direktion als "Aufstellen einer Falle" abgelehnt. (Vgl. Noch war unterdessen die Situation "blockiert": Das Comité d'entreprise (CE), das im französischen Arbeitsrecht Anhörungs- und Stellungnahmen-Rechte besitzt, aber im Gegensatz zum Betriebsrat im deutschen Recht kein "Mitbestimmungsrecht" im Sinne einer "Zustimmungserfordernis" - das französische Modell funktioniert anders -, hatte bislang die Abgabe einer Stellungnahme zum "Sozialplan" strikt verweigert. Da der Arbeitgeber im Falle von massiven betriebsbedingten Kündigungen eine Stellungnahme des CE einholen muss, konnte er sich über deren Ausbleiben nicht hinwegsetzen, sondern war im Fortgang seines Entscheidungsprozesses blockiert. Als Ausweg blieb ihm nur, die staatlichen Gerichte anzurufen, deren Verhandlung im Notfall den Anhörungsprozess beim CE ersetzen kann. Doch am gestrigen Montag weigerte das zuständige Gericht in Grenoble, der Direktion Recht zu erteilen und dadurch die Anhörung und Stellungnahme des CE als "erfolgt" abzuhaken. Stattdessen "verwies das Gericht die Unternehmensleitung auf Verhandlungen", die stattfinden müssten. Allerdings betrachtete die Direktion die Tatsache, dass ein Kalender für den Ablauf solcher Verhandlungen vorgegeben - also eine Frist gesetzt - wurde, ihrerseits als Erfolg für ihre Strategie. (Vgl. http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jW0FkoJ3FPwq79YnFEBAb-rfke1w oder http://abonnes.lemonde.fr/web/depeches/0,14-0,39-39130714@7-37 ,0.html ) Nunmehr muss also erneut über die Anzahl der drohenden Kündigungen verhandelt werden. Die Entscheidung des Gerichts war am Montag vor 200 jubelnden und euphorischen Lohnabhängigen verkündet worden. Unterdessen hatte am Montag eine massiv befolgte Betriebsversammlung stattgefunden, während 20 % (laut Direktion) bis 60 Prozent (lt. Gewerkschaften) des Personals in den Streik traten. Die Lohnabhängigen an den Standorten in Grenoble und Echirolles bzw. 80 % unter ihnen waren erst am selben Tag an ihre Arbeit zurückgekehrt, nachdem sie bis dahin vier bis sechs Wochen in Kurzarbeit geschickt worden waren. Artikel von Bernard Schmid vom 28.4.09 |