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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Die Einen sind drin, die Anderen draussen: "Radikalisierung von Konflikten" Die Bosse sind drin: Auf doppelte Weise. Zum einen bleiben sie und entlassen die Anderen. Und manchmal, und in Frankreich zunehmend öfter, sind sie drin. Weil sie nicht mehr rauskommen - weil die Anderen draussen sind. Betriebsbesetzungen und Bossnapping weiten sich aus. Der aktuelle Beitrag "Festsetzaktionen, Betriebsbesetzungen: Die sozialen Konflikte radikalisieren sich" von Bernard Schmid vom 3. April 2009. Festsetzaktionen, Betriebsbesetzungen: "Die sozialen Konflikte radikalisieren sich" Einer in der Demo zieht ein ziemlich schräges Gesicht: Gestützt und festgehalten von zweien "seiner" Arbeiter, läuft der Herr Werksdirektor - Alain Royer - in der Demonstration mit. Nein, nicht wirklich ganz freiwillig. Auch ein T-Shirt hat er sich zur Feier das Tages übergezogen, oder eher: es wurde ihm übergezogen, auch wenn es ziemlich schief sitzt. Darauf wird die Anzahl der Jobs, die der Konzern zu streichen im Begriff ist, verkündet. Diese Szene spielte sich in Auxerre (in der Region Burgund) in der Fabrik für Autobatterien, Fulmen, am 29. Januar ab. Zusammen mit ihrem "Gast" des Tages nahmen die Lohnabhängigen so an der Gewerkschafts- und Sozialprotest-Demo vom Tage teil. Eine Woche zuvor hatte der Besitzer des Werks, Exide Technologies, verkündet, den "Standort" dichtmachen zu wollen. Aber erst am Dienstag Abend dieser Woche wurde das Ereignis durch die Mittwochs-Ausgabe (vom 1. April) der Pariser Abendzeitung ,Le Monde' einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Trotz des Datums handelte es sich keineswegs um einen Aprilscherz. Die Zeitung dokumentierte die außergewöhnliche Demoszene auch mit einem Foto. Das Publikum wird ferner darüber informiert, dass Alain Royer damals, am 29. Januar, bis zum Ende in der Demo blieb, auch als er nicht mehr an den Ellenbogen festgehalten wurde. (Anscheinend traute er sich nicht so ganz, vorzeitig Abschied zu nehmen.) Auch verzichtete er im Nachhinein darauf, Strafanzeige gegen seine Begleiter des Tages zu erstatten. Nicht so allerdings die Firma selbst, die Anzeige erstattete und ein Kündigungsverfahren gegen die beiden Arbeiter, die auf den Fotos zu sehen sind, einleitete. "Die Radikalisierung der sozialen Konflikte banalisiert sich" (= normalisiert sich, breitet sich aus) lautet die Überschrift des dazugehörigen Artikels. Die Botschaft, die der Titel verkündet, banalisierte sich ihrerseits in den letzten Tagen: "Unter der Wirkung der Krise radikalisieren sich die sozialen Konflikte", so übertitelte die christliche Tageszeitung ,La Croix' ihre Titelstory vom Donnerstag, die ihre Seiten 1, 2 und 3 füllt. Und die Gratistageszeitung ,Métro' machte am selben Tag ihre Eins mit der Schlagzeile auf: "Die sozialen Konflikte legen eine Eskalationsstufe zu." Ein Gespenst geht um in Frankreich...? Dabei geht es nicht nur um Manager und (örtliche) Direktoren, die eine Weile als unfreiwillige Gäste "ihrer" Beschäftigten verbringen. Klar, auch die Festsetzaktionen breiteten sich in jüngster Zeit aus. Nachdem etwa der Generaldirektor von Sony-France, Serge Foucher, in der Nacht vom 12. auf den 13. März in seinem Büro eingesperrt war, haben sich solche Aktionen inzwischen vervielfacht. Zuletzt wurden am Dienstag und Mittwoch dieser Woche vier Manager und leitende Angestellte des US-Baumaschinenherstellers Catarpillar im ostfranzösischen Grenoble für 24 Stunden festgehalten. Zuvor hatte der US-Konzern den Abbau von 733 (von insgesamt 2.800) Arbeitsplätzen verkündet. Das französische Leitungsplan hatte den Beschluss, der jenseits des Atlantiks verkündet worden war, nur auszuführen - Verhandlungsspielraum sollte nicht bestehen. Nach der spektakulären Aktion vom Dienstag/Mittwoch hat sich nun allerdings der französische Staat eingeschaltet: Präsident Nicolas Sarkozy (der definitiv überall sein möchte) verkündete am Mittwoch, er wolle "den Standort in Grenoble retten". Durch Druck auf den Konzern und eventuell unter Zuschuss öffentlicher Mittel. Allerdings vermerkt die Presse dazu, dass Sarkozy Ende 2007 den Beschäftigten des Stahlwerks im lothringischen Gadrange (das dem anglo-indischen Konzern Mittal Steel, welcher Arcelor aufkaufte, gehört) ein ähnliches Versprechen abgab. Daraus wurde jedoch in der Praxis nichts, der Standort wurde dichtgemacht, freilich werden 30 Millionen (und 10 Euro "aus der Tasche" von Mittal) u.a. in Umschulungsmaßnahmen investiert. Mitunter trifft es - neben örtlichen Direktoren, die selbst im Prinzip auch nur ausführendes Personal sind und für andernorts ansässige Schaltzentren den Kopf hinhalten - auch höhere "Viecher". So wurde am Dienstag Abend der Multimilliardär François-Henri Pinault, früherer Intimus des Präsidenten Jacques Chirac und Besitzer mehrerer Handelsketten, durch etwa fünfzig "seiner" Beschäftigten in einem Taxi aufgespürt - und für eine Stunde blockiert. Zuvor hatte Pinaults Konzern PPR verkündet, in seinen Handelsunternehmen FNAC (betreibt eine Reihe von Kulturkaufhäusern) und Conforama (Möbelgeschäfte) massiv Stellen abzubauen. Die Krise ist immer ein guter Moment, um "schmerzhafte" Entscheidungen zu verkünden, auch wenn sie auch sonst erfolgt wären, um "Kosten zu sparen". Aber auch Betriebsbesetzungen kommen, neben Festsetzaktionen, wieder auf. So waren seit dem gestrigen Donnerstag die Lohnabhängigen des weltweit führenden Herstellers von Baukränen, Manitonow Crane (früher Potain), dazu aufgerufen, "ihre" Werke zu besetzen, ohne allerdings die Produktion zu verhindern. Zuvor hatten bereits seit vergangener Woche die 400 Beschäftigten der Chipkartenfabrik FCI in Mantes-la-Jolie (eine entlegene Trabantenstadt circa 35 Kilometer westlich von Paris) "ihr" Werk besetzt. Damals, Ende März, begannen sie bereits ihre fünfte Streikwoche. Obwohl die Aktivität "ihres" Arbeitgebers sich - trotz Krise - in einer Boomphase befindet, hat die Direktion entschieden, den Standort der Produktion nach Singapur zu verlagern. Die Werksleitung hat unterdessen den Standort schlicht und einfach aufgegeben und sich vollständig zurückgezogen, sie "verschanzt sich am zentralen Firmensitz in Versailles".. (Vgl. http://www.bakchich.info/FCI-enflamme-Mantes-la-Jolie,07175.html) Der Besitzer, der Investmentfonds Bain Capital, scheint auf die Strategie des "Aussitzens" und "Totlaufen-Lassens" zu setzen. Unterdessen hat er aber beim zuständigen Gericht in Nanterre in einem Eilverfahren den Erlass einer Einstweiligen Verfügung zur polizeilichen Räumung des besetzten Werks beantragt. Das Urteil wurde für den gestrigen Donnerstag erwartet (Informationen dazu liegen aber bis zur Stunde noch nicht vor). B.Schmid |