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Updated: 18.12.2012 15:51
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Soziale Konflikte in Frankreich: Zwei neue Bossnappingfälle

Die liberale Pariser Abendzeitung ,Le Monde' stellte am vorigen Freitag fest: "Der soziale Unmut in Frankreich wächst allmählich an". Und listete, um dies zu untermauern, nicht nur aktuelle Abwehrkämpfe gegen drohende Massenentlassungen auf, sondern auch eine Reihe sich zuspitzender betrieblicher Lohnkämpfe: Angesichts der Krise seien im zurückliegenden Jahr kaum oder keine Lohnerhöhungen "gewährt" worden. Aber, so zitiert das Blatt, einen CFDT-Gewerkschafter, "die Lohnabhängigen radikalisieren sich schneller als früher (...). Sie können schreiende Ungerechtigkeiten nicht länger akzeptieren, wie eine Streichung der Prämien für Produktionsarbeiter, während die Dividenden der Aktionäre dennoch erhöht werden." Neu sei, so die Zeitung, dass neben Großunternehmen auch kleinere Betriebe von solchen Arbeitskonflikten erfasst würden. (Vgl. Artikel externer Link)

Zwar ist der derzeit sich abzeichnende Hauptkonflikt der nächsten Monate, jener um die "Rentenreform", weitgehend stillgelegt - auch wenn die CGT am vergangenen Freitag verbal mit einer härteren Auseinandersetzung zum Thema drohte. Doch die Entscheidung der wichtigsten Gewerkschaftsverbände vom 30. März dieses Jahres, erst am 1. Mai dieses Jahres (und im Rahmen der an diesem Tag ohnehin üblichen Demonstrationen) wieder zum Thema zu protestieren, ist vorläufig eine Beerdigung erster Klasse für die Mobilisierung. Unabhängig vom Verhalten der Gewerkschaftsführungen scheint es aber derzeit nicht gar so leicht, "die Klasse" zu diesem Thema zu mobilisieren: Für die jüngeren Lohabhängigen ist die (noch weit entfernt liegende) Rente in diesen Zeiten ohnehin "derart utopisch" geworden, dass für sie nicht unmittelbar schlüssig auf der Hand liegt, dass "jetzt oder nie" etwas auf dem Spiel steht. Zudem vermögen die Befürworter der Reform sich eine diffuse Unzufriedenheit der Jungen - "Welche Gesellschaft haben die Alten uns hinterlassen?" - zunutze zu machen, welche die Solidarität mit den (durch die Neoliberalen als "Kostenfaktor" präsentierten) Älteren zu erschweren. Politisch manipulierte, rechnerische Horrorszenarien wie jene des "Orientierungsrats für die Renten" COR - der jüngst eine Untersuchung zum Thema veröffentlichte, dabei jedoch als Dogma voraussetzte, dass keine Erhöhung der (Unternehmens-) Beiträge stattfinde - wonach bis im Jahr 2050 angeblich "76 bis 114 Milliarden Euro jährlich für die Renten fehlen", tragen zur Verunsicherung bei.

Aus diesen Gründen steht es relativ schlecht um die Aussichten, in den kommenden Monaten einen harten Konflikt um dieses zentrale, die einzelnen Betriebe und Branchen übergreifende Thema ausbrechen zu sehen. Hingegen ist, siehe oben, auf betrieblicher Ebene teilweise eine radikale Radikalisierung zu beobachten.

Zaster für alle, sonst gibt's Krawalle

Am vergangenen Donnerstag fand bei den Sparkassen ( Caisse d'épargne ) im Raum Paris ein Streik für Lohnforderungen - o5,1 % monatlich oder mindestens 140 Euro pro Beschäftigten -, gegen "die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen" und gegen einen für 2012 drohenden "Sozialplan" im Zuge von Umstrukturierungen statt. Letztere sieht den Abbau von 900 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2012, freilich eher mit Umschulungen und Umbesetzungen statt mit Massenkündigungen, vor. Den Ausstand hatten am Dienstag Beschäftigte auf Aufruf von CGT und SUD hin begonnen. In seinem Verlauf wurden am Donnerstag zwei Direktionsmitglieder fast den ganzen Tag über durch Lohnabhängige festgehalten, um ihre Dialogführung Nachdruck zu verleihen. (Vgl. Artikel externer Link) Zu dem Zeitpunkt waren 300 bis 400 Lohnabhängige am besetzten Pariser Hauptsitz dieses Sparkassenverbands anwesend, und ließen die beiden Direktionsmitglieder einige Stunden lang nicht gehen. Unterdessen gehen die Verhandlungen dort weiter.

Im ostfranzösischen Mâcon wurden seit Mittwoch Abend und gute drei Tage hindurch der Werksdirektor (Olivier Dalicieux) und der Leitung der Personalabteilung (Alain Thomas) im Unternehmen Essex durch rund 30 Lohnabhängige - etwa ein Drittel der Belegschaft - festgehalten. Es handelt sich um ein Unternehmen mit 82 Lohnabhängigen, das bislang Kupferkabel herstellt. Am 29. März dieses Jahres hatte man ihnen verkündet, dass das Werk dichtmacht. Es gehört zum südkoreanischen Konzern LG. Die Lohnabhängigen fordern Abfindungszahlungen (über die gesetzliche Minimal-Abfindung hinaus) in Höhe von 30.000 bis 120.000 pro Kopf. (Vgl. Artikel 1 externer Link und Artikel 2 externer Link)

Doch in der Nacht vom Freitag zum Samstag wurden die beiden Vertreter der Betriebsleitung gegen 4.30 Uhr früh wieder "freigelassen". (Vgl. Artikel externer Link) Zuvor hatte die Direktion bereits akzeptiert, allen Lohnabhängigen (mindestens) 30.000 Euro Abfindung auszuzahlen. Zuvor hatte ihre Position gelautet, den jüngeren Beschäftigten mit geringerer Dauer der Betriebszugehörigkeit nur rund 8.000 Euro Abfindungszahlung zuzuerkennen. Am heutigen Montag werden die Verhandlungen über die näheren Details wieder aufgenommen.

Bernard Schmid, 19. April 2010


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