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Updated: 18.12.2012 15:51
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Auch wenn es keine Schlagzeilen macht - es wird weiter festgesetzt

"Vor knapp einem Jahr, im Laufe des Frühjahrs 2009, breitete sich die neue Kampfform wie ein ,Modephänomen' in Frankreich aus - und das "Bossnapping" war vorübergehend in aller Munde. Es handelte sich um das vorübergehende Festsetzen von Manager/inne/n, Betriebsleitern oder Unternehmenschefs, in aller Regel mit dem Ziel, deutlich höhere Abfindungszahlungen für von Entlassung bedrohte Lohnabhängige herauszuholen. Derzeit ist es in der breiten Öffentlichkeit weitgehend still um dieses Phänomen geworden; und tatsächlich hat es im weiteren Halbjahr 2009 kaum noch "Vorfälle" solcher Art gegeben. Und dennoch kommt es auch weiterhin zu Arbeitskonflikten, bei denen seitens der abhängig Beschäftigten auf diese Kampfform zurückgegriffen wird. Von sich reden machte in den letzten Wochen in diesem Zusammenhang besonders die Möbelhandelskette ,Pier Import', bei welcher es Anfang Februar dieses Jahres zu einem "Bossnapping"fall kam - und wo der Kampf der Lohnabhängigen um bessere Abfindungsbedingungen in anderer Form bis heute anhält" so beginnt der Artikel "FRANKREICH: Neue Bossnapping-Affären" von Bernard Schmid vom 19. Februar 2010.

FRANKREICH: Neue Bossnapping-Affären

Nach Bossnapping-Vorfall zu Anfang des Monats: Der Kampf der Beschäftigten der Möbelkette ,Pier Import' um Abfindungszahlungen dauert fort

Vor knapp einem Jahr, im Laufe des Frühjahrs 2009, breitete sich die neue Kampfform wie ein ,Modephänomen' in Frankreich aus - und das "Bossnapping" war vorübergehend in aller Munde. Es handelte sich um das vorübergehende Festsetzen von Manager/inne/n, Betriebsleitern oder Unternehmenschefs, in aller Regel mit dem Ziel, deutlich höhere Abfindungszahlungen für von Entlassung bedrohte Lohnabhängige herauszuholen. Derzeit ist es in der breiten Öffentlichkeit weitgehend still um dieses Phänomen geworden; und tatsächlich hat es im weiteren Halbjahr 2009 kaum noch "Vorfälle" solcher Art gegeben. Und dennoch kommt es auch weiterhin zu Arbeitskonflikten, bei denen seitens der abhängig Beschäftigten auf diese Kampfform zurückgegriffen wird. Von sich reden machte in den letzten Wochen in diesem Zusammenhang besonders die Möbelhandelskette ,Pier Import', bei welcher es Anfang Februar dieses Jahres zu einem "Bossnapping"fall kam - und wo der Kampf der Lohnabhängigen um bessere Abfindungsbedingungen in anderer Form bis heute anhält.

Bei Akers, in Fraisses

Voraus ging am 20. und 21. Januar 2010 die vorübergehende Festsetzung von vier Führungskräften durch rund 150 Beschäftigte des schwedischen Konzerns Akers - der durch den Investmentfonds Altor kontrolliert wird -und in der Metallindustrie tätig ist in Fraisses, im zentralfranzösischen Département Loire, um gegen ihre Entlassung zu protestieren. Bis dahin stellten die Lohnabhängigen dort Zylinder (Maschinenteile?) für Stahlwalzwerke her. Der Werksdirektor Laurent Dousselin, der Leiter der Personalabteilung Dominique Lassalle, ein weiterer führender Manager für Personalpolitik - Benoît Bourg - sowie der durch die Eigentümer des Werks mit der Umsetzung eines "Sozialplans" betraute Philippe Bello wurden 36 Stunden lang festgehalten. Am Ende hartnäckiger Verhandlungen, die eine Nacht und einen vollen Tag hindurch dauerten, und nach Einschaltung eines "Vermittlers" durch die Präfektur (zentralstaatliche Behörde im Département) konnten die Abfindungsbedingungen für die Lohnabhängigen erheblich verbessert werden. Über die gesetzlich vorgeschriebene Minimal-Abfindung - in Höhe von einem Fünftel eines Monatsgehalts pro Jahr Betriebszugehörigkeit - hinaus wurde eine Festsumme von 20.000 Euro Abfindung pro Beschäftigten ausgehandelt. Zusätzlich werden die Beschäftigten bei Schließung des Werks, die im Mai oder Juni 2010 stattfinden soll, eine weitere variable Abfindung in Höhe von insgesamt 12 Prozent des bis dahin noch erzielten Umsatzes ausbezahlt bekommen. (Vgl. http://www.leprogres.fr/fr/region/la-loire/loire/article/2670705,182/Un-precedent-a-Fraisses-en-janvier-chez-Akers-durant-36-heures.html) Die insgesamt 161 Lohnabhängigen sind inzwischen an ihre Arbeit zurückgekehrt; ihr Werk wird voraussichtlich zum 30. Juni endgültig dichtmachen. (Vgl. http://rhone-alpes-auvergne.france3.fr/info/rhone-alpes/Fraisses--Le-retour-à-l-atelier-des-salariés-Akers-60538127.html )

Auch Lohnabhängige einer Niederlassung des deutschen Siemens-Konzerns, die in Saint-Chamond und Savigneux im Département Loire gegen die Streichung von 274 (von insgesamt 604) Arbeitsplätzen kämpfen, entsandten eine Delegation und unterstützten ihre Kolleginnen und Kollegen bei Akers. (Vgl. http://www.lutte-ouvriere-journal.org/?act=artl&num=2167&id=34 )

Bei Béru in Chazelles-sur-Lyon

Im weiteren Umland von Lyon fand im Zündkerzen-Werk des Unternehmens Béru, in Chazelles-sur-Lyon, am o4. Februar eine weitere Festsetzungsaktion statt. Der Betrieb war im Juni 2009 durch den US-amerikanischen privaten Rentenfonds Borg-Warner übernommen worden, der seitdem die Kontrolle ausübt. Die neue Direktion plant unter Berufung auf derzeitige Verluste (angeblich vier Millionen pro Jahr), 57 Arbeitsplätze im Unternehmen zu streichen, darunter 53 in dem Werk in Chazelles, das insgesamt 316 Beschäftigte zählt. Ferner sollen die Lohnabhängigen ohne Lohnausgleich mehr und länger arbeiten, was diese bislang verweigern - unter Berufung darauf, dass in profitreichen Jahren die Gewinne nicht verteilt wurden, nun aber die Verluste sozialisiert werden sollen. Am 28. Januar begannen Anhörungen des Conseil d'entreprise (ungefäääähre Entsprechung zum deutschen Betriebsrat) über die Entlassungs- und sonstigen Umstrukturierungspläne. Die damals geplante Sitzung musste jedoch - mangels hinreichend informativer Mitteilungen an das CE, das sich nicht genügend informiert sah, um zu diskutieren - zunächst verschoben werden. Am 4. Februar fand daraufhin eine außerordentliche Sitzung des CE statt, die Situation blieb jedoch "blockiert".

Am selben Tag, dem 04. Februar, blieben der Werksdirektor und der Leiter der Personalabteilung - die sich nach der Rückkehr der Beschäftigten von einer Demonstration in ihre Büros geflüchtet hatten - dort festgesetzt. In der Zeit von 12.30 Uhr bis circa 20 Uhr blieben sie dort de facto eingesperrt, und "erhielten als einzige Nahrung ein paar Bananen und Joghurt", wie ein Zeitungsbericht präzisieren zu müssen glaubt. (Vgl. http://www.leprogres.fr/fr/region/la-loire/loire/article/2667179,182/Chazelles-sur-Lyon-fin-de-sequestration-des-dirigeants-de-Beru.html ) Ansonsten laufen die Verhandlungen, bislang ergebnislos.

Pier Import

Bei "Pier Import", einer Möbelhandelskette, dauert der Arbeitskonflikt - um die Bendingungen der bevorstehenden Kündigungen - unterdessen noch fort. Am vergangenen Freitag, 12. Februar fand eine Demonstration von einigen Dutzenden seiner abhängig Beschäftigten unter den Fenstern des Arbeits- und Sozialministeriums in Paris statt. Und am Mittwoch, 17. Februar befragten zwei Oppositionsabgeordnete den zuständigen Minister (Xavier Darcos) in einer Fragestunde des Parlaments zu der Situation in der Handelskette.

,Pier Import' hatte am 02. September 2009 Konkurs angemeldet, und das Handelsgericht von Bobigny (im näheren Pariser Umland) hat am 20. Januar dieses Jahres einen Konkursverwalter eingesetzt. Das Unternehmen war im Jahr 1976 durch den Geschäftsmann François Lemarchand gegründet worden und hatte sich zunächst auf den Import handwerklicher Erzeugnisse spezialisiert und damit floriert. Später allerdings, unter dem Einfluss der Aktionärsfamilie Ben Behe, änderte Pier Import seine Ausrichtung und versuchte sich auf den Import von Billigmöbeln (und preiswerter Inneneinrichtung) zu spezialisieren. Doch gab es auf diesem Sektor bereits Marktführer, etwa Foir'Fouille (ungefähr: Krimskrams). Letzteres Unternehmen wurde 1994 durch einen US-Pensionsfonds übernommen und beinahe gegen die Wand gefahren - obwohl über 90 Prozent seiner Geschäfte schwarze Zahlen schrieben, wurde es beinahe in den Ruin getrieben, und eine Reihe von Niederlassungen wurden geschlossen. 1999 wurde es ebenfalls durch die Familie Ben Behe übernommen. Auf diese Weise bereiten sich die beiden Unternehmen in ihrem Besitz gegenseitig Konkurrenz.

Aufgrund der Strategiefehler der Aktionärsfamilie ist das Unternehmen Pier Import stark defizitär (- 9,9 Millionen Euro Verlust im Jahr 2008) und akut bedroht. Der Onkel der Vorstandsvorsitzenden Sonia Ben Behe, Claude Ben Behe, als Hauptaktionär ist jedoch gleichzeitig Eigentümer eines gut gehenden Finanzunternehmens, doch geht ihm die Situation bei Pier Import notorisch - pardon - am A.... vorbei. Der Konkursplan sieht nun vor, dass 20 der Geschäfte von Pier Import frankreichweit von Aufkäufern übernommen und mit ihren rund 140 Beschäftigten "gerettet" werden. 142 Lohnabhängige in den übrigen rund 25 Niederlassungen werden dabei jedoch "geopfert".

In der Nacht vom 1. zum 2. Februar wurden Sonia Ben Behe und der Leiter der Personalabteilung durch 50 bis 60 Lohnabhängige, die am Firmensitze in Villepinte nördlich von Paris versammelt waren, festgesetzt. Sie mussten in Büros übernachten, während die Lohnabhängigen - ohne zu schlafen - vor den Türen aushielten. Sonia Ben Behe zeigte sich aus diesem Anlass verhandlungsbereit. Allerdings liegt die wirkliche Macht im Unternehmen inzwischen nicht mehr bei ihr, sondern bei den Konkursverwaltern.

Die Lohnabhängigen, die durch die CGT unterstützt werden, fordern über das gesetzliche Minimum hinausgehende Abfindungszahlungen in Höhe von 5.000 bis 11.000 Euro pro Beschäftigten. Die Anwendung des gesetzlichen Minimums würde, für einen Beschäftigten auf Höhe des Mindestlohns mit zwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit, nur rund 2.000 Euro betragen. (Vgl. http://www.lemonde.fr/economie/article/2010/02/02/les-salaries-de-pier-import-victimes-d-une-impasse-industrielle_1300279_3234.html )

Bernard Schmid, 19. Februar 2010


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