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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Die Privatisierung der französischen Energieversorgungsbetriebe EDF und GDF: Gegenstand heftiger Proteste "Terrorismus" nennen sie das... Kapitel:
Die neoliberalen "Reformen", das haben die schweren Niederlagen der französischen Regierungspartei UMP bei den Regionalparlaments- und jüngst bei den Europawahlen gezeigt, erfreuen sich geringer Beliebtheit. Dennoch arbeitet der Reform-Bulldozer mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Das "Zeitfenster" muss genutzt werden: Drei Jahre ohne landesweite Wahlen stehen an! Da es politisch ungeschickt ist, unpopuläre Entscheidungen in den letzten anderthalb bis zwei Jahren vor wichtigen Urnengängen Präsident und Parlament werden voraussichtlich im Frühjahr 2007 wieder gewählt zu treffen, sollen jetzt in den kommenden Monaten noch möglichst viele "soziale Grausamkeiten" über die Bühne gebracht werden. Zwei größere "Reform"-Baustellen nimmt die Regierung derzeit in Angriff. Die erste betrifft die Privatisierung der beiden Energieversorgungs-Unternehmen EDF (Electricité de France) und GDF (Gaz de France), die 113.000 sowie 25.000 Beschäftigte zählen. Die Parlamentsdebatte zu ihrer Umwandlung in Aktiengesellschaften läuft seit dem 15. Juni, während die Protestaktionen der Elektritätswerker kaum noch zu zählen sind. Der Stand der Parlamentsdebatte Die endgültige Abstimmung der Nationalversammlung ist für kommenden Dienstag nachmittag (29. Juni) angesetzt. Doch bis dahin sind noch zahlreiche Änderungsanträge zu bearbeiten, von denen der Großteil durch die Parlamentsopposition vor allem die Sozialdemokraten (1.000 Anträge) und die KP (450) eingebracht wurde, abzuarbeiten. Dadurch hat sich die Parlamentsdebatte seit Anfang der Woche verzögert; bis am Dienstag waren nur 250 der insgesamt 1.850 abgearbeitet. Deshalb wurde die Debatte anderer Gesetze, die für die zweite Wochenhälfte vorgesehen war, von der parlamentarischen Tagesordnung genommen; der Kalender für die "Reform" soll jedoch eingehalten werden. Am Mittwoch dieser Woche ist jetzt, nach einer Woche Debatte, der erste Artikel des Gesetzes durch die Nationalversammlung angenommen worden. Am selben Dienstag (29. Juni) soll auch schon die Debatte über das nächste große Regierungsprojekt beginnen. Dafür wurden sogar die parlamentarischen Sommerferien verschoben, die normalerweise am 30. Juni um Mitternacht begonnen hätten ähnlich wie im Vorjahr 2003 für die so genannte Rentenreform. Dieses Mal geht es um die "Reform" der Krankenversicherung. Unter anderem sollen zahlreiche Medikamente von der gesetzlichen Krankenkasse nicht mehr erstattet werden. Ärzte, die zu häufig krank schreiben, sollen durch eine Regierungsbehörde bestraft werden und abhängig Beschäftigte, die zu gerne krank feiern, werden ihren Lohnersatz den Krankenkassen zurückbezahlen werden müssen. Die Jagd auf Kranke und "Faule" ist eröffnet. Beide Projekte verbindet ein historischer Zusammenhang: Sowohl das Sozialversicherungssystem der Sécurité sociale als auch die Vergesellschaftung der Energieversorgung, unter dem Dach der öffentlichen Unternehmen EDF und GDF, sind das Produkt der Periode unmittelbar nach der Libération, der Befreiung vom Faschismus und der nazideutschen Besatzung. Damals reagierte, von 1944 bis 47, eine antifaschistische Koalition unter Einschluss der Kommunistischen Partei das Land. Die Errungenschaft dieser Periode sollen jetzt definitiv beseitigt werden. Der öffentliche Energieversorger EDF-GDF wurde 1946 unter dem kommunistischen Industrieminister (und Gewerkschafter) Marcel Paul geschaffen, durch Vergesellschaftung bzw. Verstaatlichung der rund 1.300 Betreiber vorwiegend von Wasser- und Kohlekraftwerker, der Stromnetze usw. Erst in den Neunziger Jahren wurde EDF-GDF in zwei getrennte administrative Einheiten, eben Electricité de France einerseits und Gaz de France andererseits, aufgepalten. Im Vorgriff auf die Privatisierung, wie böse Zungen schon damals behaupteten...
Während die Widerstände der großen Gewerkschaften gegen die "Gesundheitsreform" bestenfalls verhalten bleiben, rührt sich bei EDF und GDF heftiger Protest. Die Gewerkschaften richteten sich u.a. in einer Petition gegen die Privatisierung (zu finden hier: www.energiepublique.org), die vom 1. Mai bis Mitte Juni rund 22.000 elektronische Unterschriften erhielt, an das Publikum. Sie warnen, die Energiepreise für VerbraucherInnen würden infolge der Privatisierung nicht sinken, sondern ansteigen. Wie die Erfahrungen mit der Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung in vielen französischen Kommunen zeigten. (Dort sind die Wasserpreise zwischen 23 und 144 Prozent höher als dort, wo die öffentliche Hand die Wasserversorgung kontrolliert, wie bei einer Tagung zu den öffentlichen Dienstleistungen 2002 festgestellt wurde.) Selbst die EDF-Direktion unter François Roussely traut sich nicht, mit einer Senkung der Verbraucherpreise zu winken: Roussely kündigte an, nach der Öffnung des Energiemarkts für freie Konkurrenz wäre in naher Zukunft mit ihrer Erhöhung um 15 Prozent zu rechnen, da die seit 1946 bestehende Monopolstellung von EDF bisher preisblockierend gewirkt habe. Auch eine private Kontrolle über die derzeit 56 laufenden Atomkraftwerke in Frankreich, durch die solche Anlagen privatwirtschaftlichen Rentabilitätskriterien unterstellt würden, gilt als abschreckendes Argument.
Wirtschaftsminister Nicolas Sarkozy versucht die Proteste dadurch zu dämpfen, dass er argumentiert, die Umwandlung von EDF und GDF in privatrechtliche Gesellschaften erfolge nicht vor Sommer 2005. Doch alles andere wäre ohnehin unmöglich: Davor muss der betriebswirtschaftliche Wert der Unternehmen genau berechnet werden. Ferner muss er mit den Schulden verglichen werden, die derzeit 24 Milliarden Euro betragen. Sie sind die Frucht einer Unternehmensstrategie, aufgrund derer "der Konzern EDF" (Eigenbezeichnung auf der Homepage www.edf.fr) sich bereits seit einem Jahrzehnt, ähnlich wie ein privater Konzern, als global player ("in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika" ebenda) betätigt und Unternehmensbeteiligungen von Italien bis Argentinien zusammen aufgekauft hat. Einige Fehlinvestitionen haben dabei Schulden angehäuft, die jetzt wiederum als Argument für die Privatisierung dienen sollen. A propos: Erst am Dienstag dieser Woche haben EDF und GDF in Polen 36 Prozent der Anteile an einem Energieversorger (Wybrzeze) aufgehauft, an dem die Franzosen jetzt 80 Prozent halten, wofür sie insgesamt rund 120 Millionen Euro zahlten. Eine Delegation von polnischen EDF-Beschäftigten hat übrigens auch an der Pariser Großdemonstration gegen die Privatisierungspläne vom 27. Mai teilgenommen, "aus Solidarität mit den französischen Kollegen". Die Pariser Tageszeitung "Libération" zitiert am folgenden Tag Alxandra, eine der 20 polnischen KollegInnen über die Arbeitsbedingungen bei der EDF-Niederlassung in ihrem Land: "Niedrige Löhne, wenig Arbeitsplätze. Vielleicht wird es in 15 Jahren besser sein, aber zur Zeit wird es von Tag zu Tag schlimmer." Ferner argumentiert Sarkozy damit, dass der Staat doch nach dem vorliegenden Gesetzentwurf mindestens 70 Prozent der Kapitalanteile behalten solle, weshalb gar nicht von einer wirklichen Privatisierung die Rede sein könne. Doch das ist pure Augenwischerei: Erstens wird nach einem historischen Übergangsstadium auch eine weitere Absenkung des Staatsanteils möglich sein. Und zweitens kommt es nicht darauf an, wer die Aktien in der Hand hält, sondern nach welcher Logik das Unternehmen funktionieren soll: service public (öffentliche Dienstleistung) oder Rentabilitätserfordernisse? Der Aufschrei unter den Beschäftigten zieht breiteste Kreise. Man darf nicht vergessen, dass bei einer Urabstimmung des EDF-Personals über ein Projekt "zur Bewahrung ihrer spezifischen Rentenkasse", bei der es implizit auch um eine indirekte Zustimmung zur Privatisierung ging, im Januar 2003 wider Erwarten eine Mehrheit der Beschäftigten mit "Nein" stimmte. Und das, obwohl die mächtige und bisher in die Politik des (noch) öffentlichen Unternehmens stark eingebundene Mehrheitsgewerkschaft, die CGT Energie, zuvor den "Kompromiss" (Bewahrung des spezifischen Rentensystems für die vor 2003 eingestellten Beschäftigten gegen Hinnahme der Privatisierung) mit ausgehandelt hatte. (Siehe Labournet-Beitrag vom 7. Januar 2003) Das gibt einen Eindruck davon, wieviel Druck unter dem Kessel herrscht. Und wenn am 27. Mai dieses Jahres mindestens 80.000 Beschäftigte von EDF und GDF (unter die sich aber auch einige Lehrerinnen, Eisenbahner u.a. gemischt hatten) in Paris demonstrierten, dann macht das jedenfalls deutlich über die Hälfte des landesweiten Personals aus! Doch die mit Abstand stärkste Gewerkschaft bei EDF, die CGT, hat ein handfestes Problem. Denn die Organisation war hier Jahrzehnte lang derart tief in einen dichten Filz namentlich den der Atomlobby - eingesponnen, dass sie nunmehr dadurch erpressbar ist. So wurde am 27. und 28. April dieses Jahres der zentrale Betriebsrat von EDF - der ein Milliardenbudget an sozialen und anderen Dienstleistungen verwaltet - polizeilich durchsucht. Die Ermittlungsbehörden waren auf der Suche nach Dokumenten zu vermuteten Mittelhinterziehungen und "fiktiven" Beschäftigungsverhältnissen. Nun war es seit längerem ein offenes Geheimnis, dass es tatsächlich massive Hinterziehungen u.a. mittels Schein-Beschäftigungsverhältnissen über den EDF-Betriebsrat gegeben hat. Auf diesem Wege wurde die französische KP finanziert, vor allem auch, nachdem diese, spätestens mit ihrer Regierungsbeteiligung ab 1997, massiv an Mitgliedern verlor. Das war natürlich auch in Regierungs- und anderen Kreisen bekannt. Die polizeilichen Durchsuchungen jetzt können als eine Art Warnschuss vor den Bug gelten. Dennoch zeigt sich die CGT, die unter massivem Druck ihrer Basis steht, bisher zur scharfen Ablehnung und zum Protest gegen die geplante EDF- und GDF-Privatisierung bereit. Nach der Großdemonstrationen vom 27. Mai in Paris haben viele Angehörige der CGT und andere EDF-Mitarbeiter täglich an weitere Protestaktionen unternommen. So kam es zu "wilden" Stromabschaltungen im Laufe der letzten anderthalb Wochen: beim Elysée-Präsidentenpalast, beim Arbeitgeberverband Medef oder bei Parlamentariern, die sich besonders zugunsten der "Reform" aus dem Fenster gelehnt hatten. Diese Nadelstichaktionen gehen weiter: Am Montag dieser Woche wurde beispielsweise bei 30 größeren Unternehmen (Renault, dem Flugzeugbauer Snecma, dem Pariser Flughafenbetreiber...) die Spannung deutlich herabgesetzt, und mehrere Betriebe mussten Notstromaggregate einsetzen. Bereits am vorigen Freitag hieß es in der Boulevardpresse (Le Parisien), 100 Großkunden, meist Unternehmen, hätten Strafanzeige gegen EDF wegen der Stromausfälle erstattet oder beabsichtigten dies. Am Dienstag vormittag bestellte die Leitung von EDF eine Stromlieferung von 1.000 Megawatt in Großbritannien; in "normalen" Zeiten exportiert der französische Energieversorger eine ebenso große Menge über den Ärmelkanal. Anlässlich eines Besuchs von Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy am Montag in Crolles (bei Grenoble), wo er sich zu einer Betriebsbesichtigung bei STMicroelectronics aufhielt, wurde der Saft gleich ganz abgestellt. Der Stromausfall bei der Besichtigung währte dauerte nach Angaben der CGT (die den Kontrollposten des Stromverteilernetzes besetzt hatte) 30 Minuten, wenngleich der Minister behauptete, er habe nur "20 Sekunden" gedauert. - Mehrere Atomkraftwerke mussten ihre Produktion drosseln, da Beschäftigte ihre Arbeitsstätten blockierten, so im nordfranzösischen Reaktor Gravelines. Am Donnerstag, an dem die Gewerkschaften (CGT, die sozialdemokratische CFDT, Force Ouvrière und die christliche CFTC; daneben die kleinere linke SUD Energie) bei EDF einen "Aktionstag" ausgerufen hatten, standen Streikposten vor insgesamt 20 Atom- und konventionellen Heizkraftwerken. Dabei wurde jedoch sorgfältig darauf geachtet, die Technologie nicht unbeaufsichtigt zu lassen, um keine zusätzlichen Risiken zu schaffen. Am Donnerstag wurde ab 14 Uhr ein Abfall der Stromproduktion um 3.825 Megawett beobachtet. Mehrere Großunternehmen im Pariser Raum (Péchiney in der stromintensiven Aluminiumproduktion, das Luftfahrtunternehmen Aérospatiale, Andros, Nestlé...) wurden dazu aufgerufen, ihren Stromverbrauch zu drosseln. Zugleich waren Anfang der Woche zunächst 9, später 14 Verteilerzentralen im 120.000-Volt- Hochspannungsnetz besetzt. Am Donnerstag, dem Aktionstag, waren es ihrer 23. Dabei zeigten sich die Streikenden allerdings jederzeit verantwortungsbewusst und darauf bedacht, keine Risiken im Umgang mit der Technologie zu schaffen, die bspw. zu unkontrollierten Spannungsschwankungen oder zu unvorhersehbaren Stromausfällen bei den Privathaushalten führen könnten. Der Versuch, jene von Saint-Etienne-de-Rouvray (bei Rouen) zu besetzen, wurde jedoch am Dienstag durch ein martialisches Polizeiaufgebot unter Einsatz von Wasserwerfern verhindert und im Anschluss durch die Bereitschaftspolizei CRS auseinander geprügelt. Daraufhin besetzten die Streikenden von EDF jedoch einen privaten Stromerzeuger, der eine große Papierfabrik mit Elektrizität versorgt und gemäß einem Vertrag mit EDF bei Bedarfszeiten auch Strom in's öffentliche Netz einspeist (vgl. "L'Humanité" vom Mittwoch). Ebenfalls am Montag fand abends ein Autokorso von 200 bis 300 blauen Kleinbussen, das sind die typischen EDF-Dienstfahrzeuge, unter dem Eiffelturm statt. Da wegen des jährlich am 21. Juni stattfindenden Musikfests und der Riesenleinwand zur Fußball-WM, die gegenüber aufgebaut ist, ziemlich viel Publikumsverkehr herrschte, war Aufmerksamkeit gesichert. Neben der CGT-Energie nahmen auch die CGT-Arbeitslosenkomitees und die CGT der Kulturbeschäftigten (die beide in ihrem Bereich gegen aktuelle "Reformen" ankämpfen) an dem Umzug teil. Im Anschluss besetzten die TeilnehmerInnen eine EDF-Filiale in der nördlichen Pariser Vorstadt Saint-Ouen.
Am 7. Juni war auch der Strom an drei Pariser Bahnhöfen ausgefallen, wodurch 500.000 Fahrgäste vor allem von Pendlerzüge zwischen Paris und seiner Vorortzone einen halben Tag festsaßen. Dadurch hatten die Protestierenden allerdings einen Teil der öffentlichen Meinung gegen sich gekehrt. Die Boulevardpresse nutzt dies zum Anlass für Hetze, insbesondere die rechte Tageszeitung Boulevardblatt "France Soir", die am folgenden Tag ihren Titel mit "Sévice public" (Öffentliche Misshandlung), statt service public, aufmachte. Unter den Gewerkschaften bei EDF nutzte die sozialliberale CFDT die Aufregung, die durch diese mehr oder weniger unkontrollierte Aktion der CGT-Basis entstanden war, um gleich generell die Bremse gegen allzu sehr aus dem Ruder laufende Aktivitäten zu ziehen. Man solle es doch bitte eher bei Demonstrationen belassen, sonst drohe der Protest noch unpopulär zu werden... Daraus haben die Protestierenden (auch wenn sie ihre Aktionen nicht in möglichst harmlose Bahnen kanalisieren lassen wollen) doch alsbald ihre Lehren gezogen, und sind zu anderen Methoden übergegangen. Seitdem versuchen sie verstärkt, das Publikum möglichst in ihre Protestaktionen einzubeziehen. Schon in den ersten Tagen nach dem 7. Juni fanden andersartige Aktionen statt: In Bordeaux und Lille etwa wurde der Strom tagsüber zum billigeren Nachttarif eingespeist oder für sozial bedürftige Familien, denen er abgestellt worden war, wieder angeschaltet. Erneut wurden beim "Aktionstag", am gestrigen Donnerstag, 300.000 Haushalte zum billigeren Nachttarif versorgt (darunter 30.000 Haushalte in Marseille sowie Verbraucher im französischen Jura, im Raum Bordeaux, in der Lyoner Region und im Großraum Paris). Die CGT Energie rief ihre örtlichen Einzelgewerkschaften ferner dazu auf, Krankenhäuser und Einrichtungen der Sozialversicherungskassen kostenlos mit Strom zu versorgen. Seit Montag dieser Woche läuft frankreichweit eine "Aktion Robin Hood" (im Original "opération Robin des bois"): Die CGT und drei andere Gewerkschaften (FO, CFDT und die linke SUD-Energie) rufen die EDF-Beschäftigten dazu auf, systematisch solche Haushalte wieder an das Stromnetz anzuschließen, die aufgrund von Armut oder finanzieller Schwierigkeiten ihre Rechnungen nicht bezahlt haben und denen deswegen der Saft abgedreht wurde. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die staunende Öffentlichkeit, dass aus solchen Gründen (im 21. Jahrhundert) derzeit 250.000 Haushalte im Dunkeln sitzen. In der letzten Ausgabe der Sonntagszeitung "JDD" (Journal du dimanche, vom 20. Juni) sieht man mehrere Gewerkschafter mit Theatermasken, die damit beschäftigt sind, illegalerweise die Vorrichtungen abzumontieren, die einem solchen Haushalt die Stromversorgung sperren. "France Soir" hat das nicht überzeugen können: Am Montag verglich das rechtsbürgerliche Massenblatt in einer Karikatur die Maskierten mit islamistischen Terroristen. Es zeigt mehr oder minder vermummte Figuren, die von der Pose her den GewerkschafterInnen vom Foto im "Journal du dimanche" verdammt ähnlich sehen (nur seitenverkehrt), und dazu den Premierminister, der mit besorgter Miene fragt: "Islamisten mit Leichenstücken?" Die Antwort, die eine Marianne (die weibliche französische Nationalfigur) daneben erteilt: "Nein, EDF-Mitarbeiter mit Stücken Ihres Stromzählers!" Auch wenn bei Publikum ein bisschen Schadenfreude mitschweben mag, die implizite Botschaft ist doch glasklar: Sozialer Widerstand ist brutaler Terrorismus. Doch das Publikum zeigt wesentlich größere Sympathie für die "Robin Hoods", als manche sich das wünschen mögen. Bernhard Schmid (Paris) |