45. CFDT-Kongress in Nantes/ Neuer Generalsekretär, Alte Orientierung,
Innere Opposition
Kurz-Kurzfassung :
Die schlechte Nachricht zuerst: Er sei "100 Prozent auf der Linie Notat",
paraphrasierten die französischen Medien am Freitag eine Aussage des neuen
Generalsekretärs des französischen Gewerkschaftsbunds CFDT. Deren
45. Kongress hatte von Montag bis Freitag in Nantes stattgefunden. Da die Generalsekretärin
Nicole Notat nach 10 Jahren an der Spitze nicht zur Wiederwahl kandidierte,
wurde François Chérèque ihr Nachfolger. Seine Vorgängerin
Notat hatte ihn selbst im Sommer 2000 ausgewählt. Chérèque
gilt allerdings eher als Pragmatiker, während Nicole Notat eine verbissene
sozial- bis neoliberale Ideologin darstellte.
Neben der, ehemals KP-nahen, CGT ist die CFDT der größte Gewerkschaftsbund.
In den 70er Jahren war sie eher sozialistisch bis linksalternativ orientiert.
Seit Mitte der 90er Jahre ist die CFDT-Führung sozialliberal und "modernisierungsfreudig"
ausgerichtet, gegenüber der sozialdemokratisch geführten Regierung
unter Lionel Jospin stand der Dachverband im Prinzip in der Rechtsopposition.
So war die CFDT eher dagegen, durch ein allgemein verbindliches Gesetz zur 35-Stunden-Woche
überzugehen, und befürwortete allein "sozialpartnerschaftliche"
Verhandlungen von Betrieb zu Betrieb. Unter der neuen Rechtsregierung von Jean-Pierre
Raffarin wird die CFDT jetzt vermutlich zur wichtigen Ansprechpartnerin, um
ab Herbst über die geplante Erleichterung und Verbilligung von Überstunden
zu verhandeln.
Aufgrund der massiven anti-gewerkschaftlichen Repression vor allem in den mittleren
und kleineren Betrieben, aufgrund derer der gewerkschaftliche Organisationsgrad
in Frankreich nur durchschnittlich 8 Prozent beträgt, hatte die CFDT dennoch
in den letzten Jahren großen Erfolg bei der Mitgliederswerbung. Denn in
den mittelständischen und kleinen Privatbetrieben wird sie heute weit eher
geduldet als andere Gewerkschaften. Zugleich hat sie Erfolg bei "weißen
Kragen" und leitenden Angestellten.
Zu den Überraschungen des Kongresses gehörte die massive Opposition,
die bei einigen Debattenthemen auftrat, nachdem die bisherige CFDT-Linke den
Dachverband seit 1995 zunehmend verlassen hat. So rügten 46 Prozent der
Delegierten die CFDT-Politik dafür, dass sie nicht darum kämpfe, in
Gewinn machenden Betrieben börsenbedingte Massenkündigungen zu verhindern
- sondern lediglich die Folgen verwalte, indem sie Sozialpläne aushandelt.
Bernhard Schmid, Paris