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Updated: 18.12.2012 15:51 |
"Zaster oder bumm!", mal wieder: Lohnabhängige drohen in zwei Fabriken mit Sprengung - und holen im ersten Falle (Sodimatex) die geforderten Abfindungszahlungen heraus - Stand: Mittwoch, 14. April 10 - Die Apparate der französischen Gewerkschaften reagieren auf die in Vorbereitung befindliche "Rentenreform" - die "Konzertierung" mit den "Sozialpartnern" begann offiziell am gestrigen Montag, 12. April, und nach dem kommenden Gewerkschaftstag der CFDT (o7. bis 11. Juni) wird die Regierung dann reinen Wein zu ihrem Gesetzesvorhaben einschenken - mit der gar schröcklichen Drohung, dass sie am 1. Mai dieses Jahres demonstrieren werden. Die Abschreckungskraft dieser Drohung für die konservativ-wirtschaftsliberale Regierung unter Nicolas Sarkozy ist ungeheuerlich. Unterdessen radikalisieren sich aber in einigen Unternehmen die betrieblichen Kämpfe. Insbesondere - aber nicht nur - dort, wo massive Entlassungen (unter dem Vorwand der "Krise", auch wenn die Umstruktrurierungsmaßnahmen meist seit Jahren geplant sind) drohen. Aber auch zugunsten von Lohnforderungen (zu Anfang des Jahres war IKEA in Frankreich mehrere Wochen lang im Ausstand) und aufgrund prekärer Lebensbedingungen finden örtlich mitunter zugespitzte Konflikte statt. Die Lyoner Regionalzeitung ,Le Progrès' sieht am gestrigen Dienstag in ganz Frankreich "starke Spannungen an der sozialen Front" (vgl. Artikel Am gestrigen Dienstag Abend wurden in Crépy-en-Valois, im Département Oise (rund 50 Kilometer nördlich von Paris, im Südteil der Region Picardie) erneut die Verhandlung zwischen Lohnabhängigen und Direktion der Firma Sodimatex aufgenommen (vgl. Artikel 1 Rückblick auf einen Konflikt - Sodimatex: Gasbehälter als "schlagkräftiges" Argument Das Unternehmen Sodimatex arbeitete bislang als Zuliefererfirma für die Automobilindustrie, für welche es Autoteppiche herstellt. Es gehört zur Konzerngruppe Trèves, benannt nach ihrem Vorstandsvorsitzenden Bernard Trèves, welche das Werk in den neunziger Jahren aufgekauft hatte. Der Konzern möchte die Fabrik in Crépy-en-Valois mit ihren (laut manchen Angaben 92, anderen Angaben zufolge 98) Lohnabhängigen dicht machen und die Produktion auslagern. Voraussichtlich nach Spanien und Portugal, um das durch Renault in Rumänien produzierte "Billig-Auto" - zum Eingangspreis von 5.000 Euro - vom Typ ,Logan' auszustatten. Der Beschluss zur Werksschließung wurde am 10. April 2009 durch die Konzernleitung verkündet. Der Clou dabei ist, dass Trèves - im Zuge der Finanz- & Wirtschaftskrise und im Namen "des Erhalts von Arbeitsplätzen" - zuvor 55 Millionen Euro von der öffentlichen Hand eingestrichen hatte. Es handelt sich dabei nicht um eine Subvention, sondern um eine Investition des zur Krisenbewältigung eingerichteten Strukturfonds in das Eigenkapital des Konzerns. (Vgl. Artikel Am Donnerstag, den 1. April 10 hatten die Lohnabhängigen zunächst eine Kreuzung vor dem Werk besetzt; es handelte sich jedoch mitnichten um einen Aprilscherz, nach dem an jenem Tag niemandem zumute war. Als daraufhin mobile Gendarmeriekräfte - d.h. eine Polizeitruppe, die im französischen System dem Verteidigungsministerium untersteht - zusammengezogen wurden, verbarrikadierten die abhängig Beschäftigten sich in "ihrer" Firma. Sie installierten einen Behälter mit 5.000 Liter brennbarem Gas - das bislang dazu diente, als Treibstoff die Lastenaufzüge in dem Unternehmen anzutreiben - auf dem Dach, umgaben ihn mit leicht brennbaren Materialien und drohten damit, die Firma in die Luft zu jagen. (Vgl. Artikel Das Unternehmen bot ursprünglich eine Abfindungszahlung von einem Viertel Monatsgehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit. Das wäre ein bisschen höher als die gesetzlich vorgeschriebene Minimal-Abfindung bei betriebsbedingten Kündigungen (bis 2001: ein Zehntel Monatsgehalt pro Jahr "Betriebsalter", seit einem 2001 durch die "Linkskoalition" verabschiedeten Gesetz: ein Fünftel Monatslohn pro Jahr) gewesen, doch im Ergebnis noch immer ziemlich niedrig. Die Lohnabhängigen bei Sodimatex forderten ihrerseits eine Abfindung mindestens in derselben Höhe wie die Beschäftigten eines anderen Sodimatex-Werkes, das im Jahr 2006 dichtgemacht wurde. Jene erhielten damals 21.000 Euro pro Nase zusätzlich zu den (je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit variierenden) gesetzlichen Abfindungszahlungen. Am vergangenen Freitag wurden die Verhandlungen in der Unterpräfektur von Senlis, für die Dauer des Wochenendes, vorläufig ergebnislos ausgesetzt. Auch am Montag dieser Woche (12. April) dieser konnte vorerst keine Einigung gefunden werden. Am gestrigen Dienstag Abend ging es nun wieder los. Dem Vernehmen nach lagen die "Angebote", welche die Unternehmensgruppe an die Lohnabhängigen zu richten bereit war, jedoch zunächst noch immer "deutlich unterhalb" der von ihnen gestellten Forderungen. Zwischendurch war einmal von 15.000 Euro Abfindung, laut dem "Angebot" eines "Vermittlers", die Rede gewesen; doch letzte Meldungen sprachen gestern von "deutlich geringeren" Summen als den geforderten 21.000 Euro (zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabfindung). Allem Anschein nach liegt das Verhandlungsergebnis nun doch mindestens sehr nahe an der geforderten Summe. , Le Monde' sprach in der Nacht zum Mittwoch gar von einer Abfindungszahlung in Höhe von 22.000 Euro pro Nase "über die gesetzliche Mindestabfindung hinaus", die ausgehandelt worden sei (also sogar noch oberhalb der ursprünglichen Forderung der Lohnabhängigen läge). Die liberale Pariser Abendzeitung zitiert aber auch Gewerkschafter, die diese Information noch dementieren und angeben, die ausgehandelten Summen lägen darunter. (Vgl. Artikel Positionen der Regierung Industrieminister Christian Estrosi hatte unterdessen schon in der ersten Woche, in welcher der Konflikt sich zuspitzte, das "unakzeptable Verhalten einer Minderheit" scharf verurteilt, bevor er sich am folgenden Tag über das Nichteintreten der Gasexplosion "erleichtert" und den begonnenen "Dialog" zeigte - Artikel 1 Auch Wohnungsbauminister Benoist Apparu rügte seinerseits öffentlich "die Erpressung" durch die Lohnabhängigen. (Vgl. Artikel Ist Silikon gut brennbar ? Auch in einer Firma für Brustimplantate im südostfranzösischen La-Seyne-sur-Mer - in der Nähe von Toulon - drohten Lohnabhängige in den vergangenen Tagen damit, Feuer zu legen. Sie besitzen "ihre" Fabrik seit dem vergangenen Freitag und haben leicht entflammbare Materialen zusammengetragen. Seit Samstag drohen sie nun mit dem Anzünden des Werks. (Vgl. Artikel 1 Am 30. März 10 hatte das Handelsgericht in Toulon die Auflösung der Firma, Poly Implant Service (PIP), ausgesprochen. Das Unternehmen, das Silikonimplantate vertrieb, exportierte 90 Prozent seiner Produktion. Derzeit wird jedoch seitens der lokalen Gesundheitsbehörden gegen die frühere Unternehmensleitung wegen Betrugsverdachts ermittelt: Ihre Silikonpräparate wiesen eine geringe Widerstandsfähigkeit auf und erwiesen sich als leicht brüchig. Vermutet wird, dass das Unternehmen bezüglich der verwendeten Ausgangsmaterialien betrügerisch gehandelt haben könnte. Die französischen - und vor kurzem auch die chilenischen - Gesundheits-Aufsichtsämter hatten deswegen jüngst angeordnet, seine Produkte vom Markt zu nehmen. Dies trug sicherlich zu seinem schnellen Bankrott erheblich mit bei. Die Firma war früher weltweit "Nummer 3" in ihrem Bereich, schloss jedoch ihre Existenz mit einer Verlustbilanz von neun Millionen Euro ab. Die 120 Lohnabhängigen möchten jedoch die Suppe, für deren Anrichten sie nicht verantwortlich zeichneten, nun nicht auslöffeln. Sie fordern 10.000 (bis 15.000) Euro Abfindung, die Einsetzung eines "Vermittlers" und eine Begleitung nach der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses (etwa zu ihrer Umschulung, oder bei der Umwandlung des bisherigen Produktionsstandorts für eventuelle neue Tätigkeiten). Vgl. dazu auch Artikel Am Montag dieser Woche erneuerten die Lohnabhängigen ihre Drohung, "ihre" frühere Firma abzufackeln, falls nichts passiert und ihnen nicht entgegengekommen wird, indem etwa der örtliche Präfekt Notfallgelder freigibt. (Vgl. Artikel Artikel von Bernard Schmid vom 14.04.2010 |