Bestandteile eine ersten Streikbilanz bei Arcade
Ende Februar, nach fast einem Jahr Dauer haben die (zumeist) afrikanischen Frauen in den Pariser Arcade-Putzkolonnen einen
wichtigen Erfolg erzielt: Einige ihrer Forderungen wurden durchgesetzt. Ein Streik, dem zunächst niemand eine grosse Chance gab endete
anders als erwartet. Das "Bulletin Info Luttes Sociales" zieht in seiner Sonderausgabe Nr 45 eine erste Bilanz.
Das Bulletin Nr 45, das wir hier kurz zusammenfassen, erschien bereits am 27.Februar. Herausgegeben wird es vom "Solidaritätskomitee für die kämpfenden Beschäftigten und prekär
Beschäftigten bei Arcade, McDonalds, FNAC, Disney und Virgin".
Die genauen neuen Bestimmungen sind alle in einem Geheimabkommen festgehalten, die den Streikenden offiziell nicht bekannt gegeben werden.
Diese Vereinbarungen leiten sich alle direkt ab aus einem Grundsatzabkommen, das Accor - die Betreibergesellschaft aller genannten Hotelketten -
Ende 2002 mit den in der Firma vertretenen Gewerkschaften abgeschlossen hat und das als Rahmenabkommen auch für die jeweiligen Subunternehmen
gilt. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass Accor die Verantwortung der Firma für die Zustände in den Subunternehmen anerkennt.
Wegen der Geheimhaltung mussten die einzelnen Veränderungen für jede Hotelkette rekonstruiert werden.
- Bei Etap ist der Stundentakt auf 4 Zimmer
gesenkt worden, bei Ibis auf 3,25. Bei den Mercure, Novotel und Suitehotels - je nach Zimmer - auf 2,5 bis 3, bei Sofitel auf 2.
- Die Beschäftigungszeit für alle ist auf 130 Stunden im Monat erhöht worden.
- Für die Streikzeit wurde zumindest eine Teilentschädigung von 35% vereinbart.>/li>
- Alle Massregelungen, inklusive 7 Entlassungen, wurden zurückgenommen.
Einige Überlegungen zur Beurteilung des Streikverlaufs:
- Der Streik hat mit der Unterstützung des Branchenbereichs von SUD begonnen und hätte ohne diese Unterstützung die Anfangsphase
nicht überstanden. Auch die finanzielle Hilfe der G 10 war sehr wichtig. Denn zunächst setzte die Unternehmerseite auf die totale
Isolation der streikenden Frauen und Accor leugnete schlicht, dass überhaupt irgendetwas vorgehe. Hinzu kam, dass in dem allgemeinen
Klima der Angst, das in der Branche bei den Beschäftigten vorherrscht, die zuständige Branche der CGT alles tat, um weitere
Beschäftigte in anderen Betrieben davon abzuhalten, mitzumachen.
- In den ersten drei Monaten wurde der Streik als typische gewerkschaftliche Aktion geführt: viel Aktivität seitens der Gewerkschaftsmitglieder,
aber keine ernsthaft aktive Rolle für Kräfte ausserhalb des Betriebs. Im Mai entwickelt es sich so, dass das Solidaritätskomitee zum Fokus des
Streiks wird und mit den beiden Grundelementen jede zweite Woche eine Streikversammlung und in der anderen Woche eine öffentliche Aktion bei
Hotels der Accor-Ketten viel dazu tut, den Streik öffentlich bekannt zu machen. Bis September sind die Gewerkschaften noch auf den
Streikversammlungen anwesend, danach werden sie, bis auf die teilweise ausnahme SUD-Rail, nicht mehr gesehen.
- Dafür ist im Laufe des Mai die kleine übergewerkschaftliche Koordination SUD - CNT - CGT-Opposition "eingestiegen", die im Verlauf des Sommers
an mehreren Aktionen teilnimmt, einige auch organisiert - aber im Herbst wird ihre Aktivität schwächer, vor allem bedingt durch die Widersprüche
zwischen den drei Organisationen.
- Und wenn sich die Arcade Geschäftsleitung im Juni noch weigerte, irgendetwas zu erfüllen, was gefordert wurde, so war es sechs Monate später
die Entschlossenheit der Streikenden, die sie zwang, nachzugeben. Sie haben auch, im Laufe des Herbst all jene Tendenzen überwunden, die für
aufhören eintraten, weil bereits der lange Streik ein Erfolg an sich sei - sie wollten konkrete Erfolge. Und ohne falsche Bescheidenheit, hat die Arbeit
des Solidaritätskomitees zum einen wesentlich dazu beigetragen, den Streik landesweit bekannt zu machen - monatelange Medienarbeit hat sich hier
ausgezahlt - zum anderen wurde auch im Spätherbst/Winter die juristische Aktivität der Anwälte genauer kontrolliert, die zunächst eine Quelle
von Rückschlägen und wachsender Mutlosigkeit gewesen war.
- Die internationale Aktion bei Accor, inklusive auf der Aktionärsversammlung, hat ihren Teil dazu beigetragen, dass Accor begann, seine Position
zu verändern und Arcade entsprechend zu beeinflussen.
In dem Solidaritätskomitee, das viel mehr war, als sein Name besagt, waren Menschen aus diversen Gewerkschaften
und politischen Organisationen. Und natürlich die Beschäftigten selbst - unterstützt von vielen KollegInnen, die Monat für Monat
Geld spendeten. Und auch von den Universitäten waren Aktive da - ein wesentlicher Punkt für den Erfolg war beispielsweise, dass der
Auftrag an Arcade, die Gebäudereinigung an der Universität VIII von Paris zu übernehmen, aufgrund der Solikampagne vom Rektor zurückgenommen
wurde.
Schliesslich spielten auch noch die - erfolgreichen - Versuche eine Rolle, die gegenseitige Unterstützung Streikender in diversen Betrieben,
wie etwa McDonalds und FNAC zu organisieren.
(Zusammenfassung der Sondernummer 45 des Bulletins, um ca zwei Drittel gekürzt)