Zur Lage in Ecuador Stand: 23.1.2000

Nach Putsch in Ecuador bringt Militär Vize-Präsidenten an die Macht

Quito (dpa) - Nach einem Putsch in Ecuador hat die Militärführung des Landes den bisherigen Vize-Präsidenten Gustavo Noboa (62) an die Macht gebracht. Die Indios, die Mahuad am Samstag mit Hilfe junger Militärs gestürzt hatten, kündigten eine Fortsetzung des Kampfes an, falls Noboa die Wirtschaftskrise des südamerikanischen Landes nicht schnell überwinde. Der militärische Anführer des Putsches, Oberst Lucio Gutierrez, wurde festgenommen. Der gestürzte Staatschef Jamil Mahuad räumte seine Niederlage ein und wünschte Noboa eine glücklichere Hand.

Nach Stunden der Verwirrung und der Einsetzung einer «Junta zur Nationalen Rettung», die sich nur wenige Stunden hielt, wurde Noboa am Samstag überraschend als Staatsoberhaupt vereidigt und vom Parlament mit 87 von 90 Stimmen bestätigt. Er kündigte Kontinuität in der Wirtschaftspolitik und einen entschlossenen Kampf gegen Korruption an.

Das Militär behielt sich jedoch eine strenge Aufsicht über die Amtsführung Noboas vor. In einer Erklärung hieß es, das Militär werde «sehr aufmerksam darauf achten, dass die Nation nicht wieder von den Übeln der Korruption, des Regionalismus und der Straflosigkeit» heimgesucht werde.

Ein Triumvirat aus dem Generalstabschef und Verteidigungsminister Carlos Mendoza, dem früheren Präsidenten des Obersten Gericht, Carlos Solorzano, und dem Indioführer Antonio Vargas musste die Macht nach nur fünf Stunden wieder abgeben, nachdem Mendoza aufgegeben hatte.

Die Indios, die wichtigste politische Kraft bei den wochenlangen Proteste und dem Aufstand gegen Mahuad, wurden von der Amtsübernahme Noboas überrascht und verließen nur unter Protesten die von ihnen besetzten Parlaments- und Gerichtsgebäude in der Hauptstadt Quito. In der Innenstadt demonstrierten sie gegen «den Verrat an der Bewegung der Indios». Vargas und Solorzano tauchten unter, um der Verhaftung zu entgehen.

Der parteilose Noboa gilt als angesehener Politiker. Der Jurist und Sozialwissenschaftler stammt aus Guayaquil, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dem Hochschullehrer werden soziale Sensibilität, Zuverlässigkeit und Verhandlungsgeschick nachgesagt.

An der von Mahuad begonnen Dollarisierung zur Eindämmung der Inflation wolle er festhalten. Damit machte er eine Entscheidung des Putschtrios aus der Nacht rückgängig. Mahuad hatte im Januar einen Drei-Stufen-Plan vorgestellt, an dessen Endpunkt die Landeswährung Sucre durch den Dollar ersetzt werden soll. Noboa versprach auch, die Wirtschaftskrise zu überwinden und die Produktion wieder anzukurbeln.

Tausende von Indios hatten tagelang in der Hauptstadt für den Rücktritt Mahuads, die Auflösung des Parlaments und die Abberufung des Obersten Gerichts demonstriert. Alle drei Institutionen machten sie für die Wirtschaftskrise, die Korruption und die allgemeine Misere verantwortlich. Mehr als 60 Prozent aller Bürger Ecuadors leben unterhalb der Armutsgrenze.

Am Freitag konnten die Indios, die sich als Vertreter von 40 Prozent der Bevölkerung bezeichnen, mit Hilfe von Soldaten überraschend das Parlament und das Oberste Gericht besetzen. Bei Straßenschlachten in verschiedenen Städten des Landes kam anschließend ein Mensch ums Leben, 13 wurden verletzt.

Fast alle Länder Südamerikas sowie die Europäische Union und die USA, verurteilten den Putsch als Bruch der Verfassung. Nur Venezuelas Präsident Hugo Chavez, dem erheblicher Einfluss auf die Putschisten nachgesagt wird, begrüßte die Entwicklung indirekt.


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