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aus:  AK Nr. 459 vom 22.2.2002
ak  -  analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis


 

Nationale Wohlfahrt?

Die Neue Rechte regiert in Dänemark

Mitte Januar veröffentlichte die Minderheitsregierung in Kopenhagen den Entwurf für ein neues Ausländerrecht. Der repressive Charakter des Gesetzesentwurfes löste die Begeisterung der rassistischen "Dänischen Volkspartei" (DFP) aus. Die Partei erklärte sich sofort bereit, der Regierung die notwendige parlamentarische Mehrheit zu verschaffen. Am 5. Februar einigte sich die rechtliberal-konservative Koalition mit der DFP auf den Staatshaushalt für 2002. Damit hat sich die DFP endgültig als "stubenreine" Partnerin der Regierungspolitik etabliert. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte gibt es im dänischen Parlament eine rechte Mehrheit, die nicht auf die Unterstützung der Radikalen oder anderer bürgerlicher Mittelparteien angewiesen ist. Die bisherige Politik dieser Regierung ist eine bizarre Mischung aus neoliberaler und sozialdemagogischer Politik. Die DFP profiliert sich als "neue Sozialdemokratie", die den Wohlfahrtsstaat als "nationale Errungenschaft" verteidigt. Opfer dieser Politik sind zuallererst Flüchtlinge und Einwanderer.

"Kümmern Sie sich gefälligst um die Politik ihrer eigenen Regierungen"- mit diesen Worten fertigte der konservative "Integrations(!)minister" Bertel Haarder kürzlich die Kritik der internationalen Presse an seiner Ausländerpolitik ab. Die Ziele seiner Regierung beschrieb er bei derselben Gelegenheit als "Begrenzung der Zuwanderung" und "Anregung, sich zu integrieren und einer Arbeit nachzugehen". Tatsächlich kommt einem diese zynische Beschreibung bekannt vor. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn als Vorbilder des aktuellen Gesetzesentwurfes seiner Regierung nannte Haarder ausdrücklich bundesdeutsche Erfahrungen und Gesetzesvorhaben. Aber auch wenn die dänische Politik mit der anderer europäischer Regierungen grundsätzlich korrespondiert, geht das Ausmaß der vorgesehenen Verschärfungen doch über das hinaus, was bisher in der BRD und selbst in Österreich und Italien durchgesetzt werden konnte. Was die DFP zum Jubeln veranlasste, ist unter anderem die Verschärfung der Repression gegen Flüchtlinge an den dänischen Grenzen und die Beschleunigung der Ausweisung. Die bisher vierzehntägige Frist zwischen Beschluss und Vollzug von Abschiebungen soll vollends abgeschafft werden. Auf EU-Ebene will die dänische Regierung sich für eine Erweiterung der Liste der "sicheren Drittstaaten" einsetzen. Im Zuge der Jagd auf regierungskritische Organisationen, die in den letzten Monaten in Dänemark stattgefunden hat, soll die "Dänische Flüchtlingshilfe" aus den Ausschüssen, die über die Asylanträge entscheiden, verbannt werden. Noch drastischer als in der Bundesrepublik sollen Familienzusammenführungen eingeschränkt werden. Ehepartner sollen erst dann in Dänemark zusammen leben dürfen, wenn beide über 24 Jahre alt sind. Auch über 60jährige sollen nicht mehr kommen dürfen. Grundsätzlich soll über den Nachzug nur dann positiv entschieden werden, wenn die/der Einwanderer über genügend Geld und "genügend innere Verbindung" zu Dänemark verfügt. Was diese "innere Verbindung" im Einzelnen ausmacht, ist keineswegs klar definiert. Es ist zu befürchten, dass die Entscheidung darüber den mehr oder weniger nationalen Gefühlen des zuständigen Sachbearbeiters überlassen werden wird. Schließlich soll der Status der "de-facto-Flucht" abgeschafft werden, der vor allem die Duldung von Opfern nichtstaatlicher Verfolgung beinhaltete. Hiervon werden u.a. Frauen stark betroffen sein. Gleichzeitig soll Flüchtlingen grundsätzlich untersagt werden, in Dänemark zu heiraten. In den letzten Jahren hat die Neue Rechte eine permanente Kampagne gegen "Zwangseheschließungen" geführt. Abgesehen davon, dass diese Kampagne den Eindruck kolportiert, als sei Europa das Paradies der Frauenemanzipation, ist es grotesk, dass eine rassistische Gesetzgebung, die Frauen in besonderer Weise diskriminiert, auf diese Weise begründet wird.

Hat ein Flüchtling es trotz alledem geschafft, nach Dänemark zu gelangen, so soll er umgehend in die Finger der staatlichen Bürokratie geraten. Die vorgesehenen Maßnahmen werden Verhaltensregulierung genannt. Sie beinhalten eine krasse rechtliche und soziale Benachteiligung von Einwanderern: Bleiben darf am Ende nur, wer sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten kann, keine Schulden hat und nicht gegen dänische Gesetze verstößt. Unklar ist gegenwärtig noch, ob sich letztere Regelung neben anderen Bagatellen auch auf Verkehrsdelikte wie Falschparken o.ä. beziehen soll. Der drittklassige Rechtsstatus von Flüchtlingen soll nicht, wie bisher, für drei Jahre oder, wie in Europa üblich, für fünf, sondern für die biblische Zahl von sieben Jahren gelten. In dieser Zeit werden die Flüchtlinge als grundsätzlich Verdächtige betrachtet. Illegale sollen außerdem jeden Anspruch auf eine neue Prüfung ihres Asylverfahrens verlieren und bei Verhaftung sofort ausgewiesen werden. Im Gegensatz zur vollmundigen Erklärung, diese Maßnahmen würden der Integration dienen, ist so sicher wie das Amen in der dänischen "Volkskirche", dass die Ausgrenzung und Stigmatisierung von Flüchtlingen und Migrant/innen sich nicht zuletzt auf Grundlage der rechten Politik weiter verschärfen wird.

 

Green Cards und Billiglohn für MigrantInnen

Verhaltensregulierung- ein Wort, dass die Bürokratenherzen derer höher schlagen lässt. Das schreckliche Wort beschreibt den Kern der neuen dänischen Ausländerpolitik. Keinesfalls geht es hier ausschließlich um Repression. Die Flüchtlinge sollen sich nämlich durchaus integrieren, was in erster Linie bedeutet, dass sie nach der Pfeife ihrer "Arbeitgeber" tanzen sollen. Die Ausländerpolitik der rot-grünen Bundesregierung gilt rechten dänischen Politikern insbesondere wegen ihrer wirksamen Förderung legaler und illegaler Billiglohnarbeit als Vorbild. Allerdings stellt die Schärfe der vorgesehenen Maßnahmen die bundesdeutschen Regelungen in den Schatten. Als zentrales Element der "Verhaltensregulierung" gilt auch in Dänemark, den Flüchtlingen das Recht auf Sozialhilfe vorzuenthalten. Nach dem Modell des "Asylbewerberleistungsgesetzes" soll ein Sondergesetz geschaffen werden, dass einen im Vergleich zur Sozialhilfe um bis zu 50% niedrigeren Anspruch vorsieht. Die Kürzung der Leistungen wird, so haben Flüchtlingsgruppen ausgerechnet, dazu führen, dass Einkommen von Einwanderern weit unter der Grenze eines niedrig gerechneten Existenzminimums geraten. Besonders betroffen werden Familien mit Kindern sein. "Verhaltensregulierung" wird für diese Menschen schlicht und einfach bedeuten, nicht mehr genügend Geld zu haben, um sich einigermaßen ernähren zu können. Das Budget für Lebensmittel schrumpft auf umgerechnet ungefähr 12 DM pro Person und Tag. Die Flüchtlinge werden bei den Kommunen um Almosen bitten müssen, um überhaupt überleben zu können. Dies wird zu einer weiteren Stigmatisierung führen.

Auch das Problem der Erwerbslosigkeit wird durch das neue Gesetz nicht gelöst, sondern verschärft werden. Im europäischen Vergleich ist der dänische Arbeitsmarkt heute stark hierarchisiert. Die Hälfte der Einwanderer der ersten Generation sind erwerbslos, während die offizielle Erwerbslosenquote derzeit bei ca. 6% liegt. Aber die neue Armut kann die Einwanderer nur auf den Arbeitsmarkt treiben, wenn ein breiter Sektor illegaler und/oder schlecht entlohnter Beschäftigung entsteht. Selbst wenn dies, was unwahrscheinlich ist, von den dänischen Gewerkschaften stillschweigend akzeptiert würde, wäre dies nur ein weiterer Schritt der Ausgrenzung der Migrant/innen. Eine Lösung kann nur in der Überwindung der Konkurrenz in- und ausländischer Arbeiter/innen gesehen werden, wobei gleichzeitig der Unwille vieler Betriebe angegriffen werden müsste, Menschen einzustellen, die nicht Jensen oder Hansen heißen. Ein Unwille, der solange existiert, bis Jensen oder Hansen höhere Löhne fordern: Um diesem Problem gerecht zu werden, soll selbstverständlich auch in Dänemark Schröders berühmte "Green Card" eingeführt werden. Die so angeheuerten Einwanderer sollen in Sektoren beschäftigt werden, in denen die Verhandlungsposition der Beschäftigten aus Sicht der Unternehmer mangels Konkurrenz zu günstig geworden ist. Hier zeigt sich der nur auf den ersten Blick merkwürdige Umstand, dass die rassistische Ausländerpolitik in bestimmter Hinsicht mehr Zuwanderung bedeuten könnte. Die von Arbeitgeberverbänden artikulierten Verwertungsinteressen und eine ethnisch definierte Hierarchisierung von Arbeitsmärkten widersprechen sich ganz und gar nicht. Im Gegenteil ist es gerade die Befestigung dieser Hierarchisierung, zu der die Vergabe von "Green Cards" ebenso beiträgt wie die Schaffung eines Billiglohnsektors. Beides bestätigt ein rassistisches Denkmuster, das Menschen nach ihrer Nützlichkeit für den kapitalistischen Verwertungsprozess klassifiziert.

 

Geschenke ans Volk

Die in Rekordzeit abgelaufenen Haushaltsverhandlungen der letzten Tage fügen dem Projekt der neuen dänischen Regierung eine weitere Dimension hinzu. Der Rechtsblock beschloss unter anderem, im Haushaltsansatz erheblich mehr Geld für Krankenhäuser und Altenpflege bereit zu stellen. Dieser Beschluss geht auf durchaus berechtigte Kritik in der Bevölkerung an unwürdiger Behandlung von Alten und dem Behandlungschaos in den Krankenhäusern ein. Auf die Gunst des Publikums spekuliert auch die Verlängerung des Erziehungsurlaubes bei Anspruch auf den vollen Satz des Arbeitslosengeldes. Zudem wurden im letzten Augenblick die geplanten massiven Kürzungen im Bildungsbereich zurückgenommen. Die Regierung lässt der DFP das Vergnügen, in der Öffentlichkeit aufzutreten und zu erklären, sie habe all diese Segnungen für das "dänische Volk" erobert. Unter anderem prahlt die rassistische Partei damit, dass das Geld für die Alten und Kranken im "Ausländer"- und Entwicklungshilfebereich gespart würde. In ihrer Selbstbeweihräucherung sieht sich die DFP schon als "neue Sozialdemokratie". Währenddessen ist die alte Sozialdemokratie ratlos und desolat. Schon gibt es in der Partei prominente Stimmen, die eine Zusammenarbeit mit der DFP befürworten.

Die Kritik an dem Projekt der DFP kommt dabei zu kurz. Dabei ist es nicht schwer, sie zu formulieren, denn das vereinbarte Haushaltsgesetz ist in Wirklichkeit eine krude Mischung aus sozialdemagogischen und neoliberalen Ansätzen. Die Erhöhung der Zuschüsse zu Krankenhäusern ist ausdrücklich einmalig, im nächsten Haushalt ist sie nicht vorgesehen. Der angesichts der kritischen Lage des Gesundheitswesens ziemlich beschränkte Geldsegen soll von einer Welle von Privatisierungen begleitet werden. Wie bereits jetzt in weniger problematischen Bereichen zu beobachten ist, wird dies zu einer Verschlechterung und sozialen Aufteilung von Gesundheits- und Pflegeleistungen führen. Gleichzeitig sind massive Streichungen in der Arbeitsmarktpolitik vorgesehen, die nicht zum Ende der erzwungenen Aktivierung, wohl aber zum Verschwinden der in diesem Rahmen noch einigermaßen sinnvollen und erträglichen Angebote führen wird. Und nicht zuletzt werden im Haushaltsansatz nicht nur die Mittel für Umweltpolitik im Allgemeinen, sondern auch die für Arbeitsschutz und Unfallverhütung im Besonderen drastisch gekürzt. Wie das mit der Verbesserung der Gesundheitsversorgung zusammenpasst, die die Regierung propagiert, bleibt ein Geheimnis. Ob das Märchen vom "nationalen Wohlfahrtsstaat" allgemein geglaubt wird, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob es zu einem Bündnis aus Gewerkschaften und Sozialinitiativen kommen wird, das effektiv in der Lage ist, gegen diese Entwicklungen vorzugehen.

Der Widerstand gegen die Regierungspolitik ist bisher klein, aber bunt. Der Protest von Umweltgruppen und Entwicklungshilfeorganisationen, von Studierenden und Schüler/innen ist besonders in Kopenhagen durchaus gegenwärtig. Die Mehrzahl der Aktionen setzt auf die Zivilgesellschaft, so z.B. eine Kampagne, die dazu auffordert, zu einem angesagten Zeitpunkt symbolisch alle Türen zu öffnen. Manche Aktionsvorschläge wirken allerdings auch etwas hilflos, wie z.B. der der Gruppe "Defend Human Rights", die an die britische Regierung, die ja schließlich vor 1945 auch zur Befreiung von Dänemark von den Nationalsozialisten beigetragen hat, appelliert hat, "the well-known Carlsberg beer, danish bacon and kurpark butter" zu boykottieren. Ob Tony Blair diesen Wunsch erhören wird?

Peter Birke


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