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Arbeit weltweit

Neue Formen der Arbeitsorganisation im Kapitalismus

Diego Ortolani

Mit der langen Phase der Krise und Instabilität, Ende der 60er bis in die 70er Jahre, gingen eine Reihe von Veränderungen in der kapitalistischen Dynamik einher. Darunter fielen besonderes auch komplexe Veränderungen in der Arbeitsorganisation und –verwaltung, die wir der Einfachheit halber Neue Formen der Arbeitsorganisation (NFAO) nennen wollen. Einige Aspekte und Folgen dieser neuen Formen wollen wir in diesem Artikel herausarbeiten.

 

Trotz dieser Krisenzeit stellte das herrschende Denken die unternehmerische Freiheit und Konkurrenz als unumstößliche Säulen für das "notwendige Wirtschaftswachstum" dar. Und die NFAO sollen von nun an Chancen für die Arbeiter darstellen und die Verbesserungen ihrer Lage garantieren - auf der Basis von wirtschaftlicher Öffnung und Deregulierung, Globalisierung des Handels und der Unternehmenstätigkeiten. Die Ökonomie soll nun von einer angebots- zu einer nachfrageregulierten übergehen. Kurz: die Befehle lauten Flexibilisierung und Anpassung. Dementsprechend sind die NFAO die einzig adäquaten Arbeitsorganisationsformen für die neue Ordnung.

Ein scharfe Polemik kreist um die Feststellung dieser NFAO, die besonders von dem unterstellten Übergang von fordistischen und tayloristischen Formen der Arbeitsorganisation zu neuen, toyotistischen und postfordistischen, geprägt ist. In dem hegemonialen Denken wird – wie immer – alles Neue als das Bessere präsentiert, als Fortschritt. Es wird ein Feindbild aufgebaut, in diesem Fall der Fordismus-Taylorismus, das von dem Neuen überwunden wird. Dort wo der Fordismus eine strenge Kontrolle der Zeit und der Bewegungen ausübte, arbeiten die NFAO mit einer Flexibilisierung der Aufgaben und einem vordergründig selbstbestimmten Zeitmanagement. Dort, wo die einen auf die Individualisierung der Arbeitsplätze setzten, setzen die anderen auf Gruppenarbeit und wo die einen mit wiederholbaren und aufgeteilten Handlungen arbeiteten, werten die anderen Handarbeit auf und führen die Polifunktionalität ein. Der Fordismus-Taylorismus brauchte eine permanente, geradezu despotische Kontrolle über die parzellierten Arbeitsplätze, während die Gruppenarbeit die Möglichkeit der Selbstbestimmung des Arbeiters im Arbeitsprozess erhöht. Kurz: Wenn der Fordismus-Taylorismus die Konzeption und die Durchführung der Aufgaben (das Intellektuelle und das Manuelle) voneinander trennte und damit die Arbeiter entqualifizierte, so sollte es in den neuen Formen Raum geben, um die Konzeption und Durchführung wieder zu integrieren und dem Arbeiter so die Möglichkeit zu geben, seine individuellen Fähigkeiten zu entfalten. Es sollte also eine Tendenz zur Humanisierung der Arbeit geben. Eine genauere Analyse der neuen Formen der Arbeitsorganisation erlaubt aber eben dieses in Frage zu stellen.

 

Gruppenarbeit, Wiederzusammensetzung der Aufgaben, Polifunktionalität

Als der Fordismus-Toyotismus im Rahmen der Weltweiten Krise der 60er und 70er Jahre offensichtlich in Misskredit geriet, gab es eine Reihe von Versuchen die kapitalistische Verwaltung der Arbeitsprozesse und der Wertschöpfung auf eine neue Grundlage zu stellen.

Das Wesentliche war dabei das Zusammenspiel der Einführung neuer computerisierter Maschinen und neuer Formen der Arbeitsorganisation. Die Einführung der neuen Technologie spielte eine elementare Rolle, weil die computerisierte Kontrolle der Maschinenarbeit die Möglichkeit zur Einführung der Figur des polifunktionalen Arbeiters barg, die es im Fordismus aufgrund der spezialisierten Maschinen und der Arbeitsteilung nicht geben konnte. Die Figur des polifunktionalen Arbeiters, der an computerisierten Maschinen und Robotern arbeitet, ermöglichte die Gruppenarbeit. Zu diesen Gruppen, die eine weitgehende Autonomie bei der Zeit- und Arbeitseinteilung genossen, bemerkte André Gorz aufgrund der Erfahrungen bei Volvo in Schweden: "Die Arbeiter dieser Fabrik sind in Gruppen von je zehn Personen, Männern und Frauen, organisiert. Jede Gruppe ist für die gesamten Arbeitsschritte der Montage eines Autos bis zur Fertigstellung verantwortlich. Jeder Einzelne kann mehrere Aufgaben, auch die Rolle des Gruppenchefs, übernehmen und diese in einem bestimmten Turnus erledigen bzw. tragen. Arbeitsschritte können innerhalb der Gruppe nach dem Rotationsprinzip durchgeführt werden, zusätzliche Pausen können eingeführt und der Plan zur Fertigstellung – normalerweise 12 Autos in der Woche – kann sehr flexible erfüllt werden. Das Produktionsvolumen pro Tag oder sogar pro Woche kann variieren, solange der Durchschnitt von 12 Autos pro Woche gehalten wird." Zudem gab es bei den italienischen Beispielen einen Übergang von großindustrieller Konzentration hin zu einer Dezentralisierung der Produktion mit kleinen Fabrikeinheiten. Wir haben es also in der Ära des globalisierten Handels mit einer Neuzusammensetzung von Aufgaben und einer gewissen Humanisierung der Arbeit zu tun. Einige dieser Vorschläge werden sich bei der folgenden flüchtigen Analyse des Toyotismus und seiner zentralen Dispositive wiederfinden.

 

Toyotismus, Flexibilität und Partizipation

Im herrschenden Diskurs wird der Toyotismus oder Ohnismus (von Toyota und Ohna, dem Vordenker dieses japanischen Konzerns) gewöhnlich als erfolgreichstes Organisationsmodell bei der Suche eines Ersatzes zum Fordismus dargestellt. So werden die technische Revolution, die der Toyotismus in Japan hervorbrachte und die Produktivitäts- und Wettbewerbsgewinne gepriesen. Für uns aber wird der Toyotismus, den es genauer zu betrachten gilt, im folgenden mehr als Technik und Produktivität sein. Ich möchte den Toyotismus folgendermaßen umreißen:

1.Im Unterschied zur fordistischen Massenproduktion soll die toyotistische Produktion an der Nachfrage orientiert sein, d.h. es geht um diversifizierte Produktion, die in der Lage ist, verschiedenen Bedürfnissen und Märkten variabel in Qualität und Quantität zu begegnen.

2.Daraus folgten kleinere Warenlager und die Anpassung der Produktionszeiten- und perioden an die Nachfrage. Dies beinhaltet auch eine flexible Anpassung der Lagerung, des Transports und der Qualitätskontrolle und das Just-In-Time Prinzip. Damit erfährt die traditionelle Sequenz eine deutliche Umkehrung, denn während es vorher darum ging, das Produzierte zu verkaufen, wird nun erst produziert, wenn die Produkte ausverkauft oder unter der Sättigungsgrenze der Nachfrage liegen. Dazu wird die Methode des Kanban angewandt, bei der z.B. verschiedene Farblichter zur Vorgabe der Intensität der Produktion und des Arbeitsrhythmus eingesetzt werden. Dieses System geht auf die US-amerikanischen Supermärkte der Nachkriegszeit zurück, wo die Waren in den Regalen erst nach komplettem Ausverkauf wieder aufgefüllt wurden. Dies gewährleistete eine permanente Anpassung der Produktion an die Nachfrage.

3.Um diese Flexibilität zu ermöglichen, musste das im Fordismus bestimmende Verhältnis ein Arbeiter – ein Arbeitsplatz aufgebrochen werden. Der Arbeiter geht dazu über, an mehreren Maschinen zu arbeiten oder das Funktionieren robotorisierter Maschinen zu überwachen. Daraus folgt die Polifunktionalität der Werktätigen. Es wird unterstellt, dass dies zu einer Wiederqualifizierung oder Multi-Qualifizierung (multiskilling) führe. In diesem Raum, den die neue Maschinerie und die Polifunktionalität eröffnen, schreiben sich die autonomen und halb-autonomen Formen der Gruppenarbeit ein, worauf wir später noch zu sprechen kommen.

4.Im Unterschied zum Fordismus, wo die Maschinen und die Arbeitsorganisationen hoch spezialisiert waren, (um die Parzellierung und die großen standardisierten Reihen zu ermöglichen) müssen (mit Hilfe der Comuterisierung) im Toyotismus beide sehr leicht an die Entwicklung neuer Waren oder an die Veränderung der bereits bestehenden angepasst werden können. Aus der gleichen Logik folgt, dass es statt der vertikalen Integration der fordistischen Produktion (Fertigung aller Komponenten in der gleichen Produktionseinheit) im Toyotismus die weitreichende Einführung des Subunternehmertums sowie eine Tertiärisierung gibt. Dies betrifft sowohl die Fabrikation als auch die Übernahme von Funktionen wie Qualitätskontrolle, Transport, Lagerung etc.

5.Ein weiteres zentrales Element des japanischen Modells lag in der Einführung neuer Methoden der Partizipation und der Unternehmensführung, die schon in die Gruppenarbeit mit eingeschrieben waren. Sie äußert sich sowohl auf der Ebene der Produktion als auch auf der Ebene der Repräsentation. In Bezug auf das erstere gibt es verschiedene Dispositive, von denen ich besonders die Zirkel zur Qualitätskontrolle herausarbeiten möchte. Hierbei handelt es sich um nicht zu große Gruppen von Arbeitern (normalerweise 8 bis 12), die sich auf Wunsch der Geschäftsführung gründen und sich nach der Arbeitszeit treffen, offensichtlich mit dem Ziel, die Qualität der Produktion auf allen Ebenen zu verbessern.
Auf der Ebene der Repräsentation inthronierte der Toyotismus die Unternehmensgewerkschaften, die Hausgewerkschaften. Hier liegt der Akzent darauf, dass die Unternehmensgewerkschaft, anders als die traditionelle nationale Organisation, näher an der Realität der Unternehmen sein soll und somit eine bessere Kooperation zwischen Arbeitern und Direktion erlaubt. Damit soll die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, die Stabilität der Arbeitsplätze gesichert und Gehaltserhöhungen ausgehandelt werden.

6.Die Flexibilisierung der Verwaltung der Arbeitskräfte wäre nicht möglich gewesen ohne die damit einhergehende Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, der Arbeitsverträge und der Entlohnung. Kurz: Flexible Rechte, um über die Arbeitskraft mit dem direkten Ziel der Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten verfügen zu können. Der Toyotismus strukturiert sich um eine minimale Anzahl von Arbeitern, die durch Überstunden, Zeitverträge oder Subunternehmen je nach Marktbedingungen ergänzt werden.

 

Ein neuer Arbeitsdespotismus

Jetzt geht es darum, grundlegend einige der Annahmen, die die praktische und theoretische Ausbreitung der neuen Formen der Arbeitsorganisation (nicht nur des Toyotismus) begleiten, zu demontieren. Zuerst muss man sich die unterstellte Neuzusammensetzung der Arbeitsschritte und die vermutete Neuqualifizierung genauer anschauen. Denn in Wirklichkeit gibt es eine weitgehende Kontinuität der Parzellierung und der Wiederholung von Tätigkeiten. Die der neuen Maschinerie innewohnenden Charakteristika verlangen dies so, und die Polifunktionalität ist nichts anderes als die Rotation durch eine Kombination einfacher Arbeitsschritte. Die Einfachheit des Arbeitens mit programmierten Maschinen ermöglicht nicht nur die Rotation dieser einfachen Arbeiten durch ein und denselben Arbeiter, sondern auch die Bildung von Gruppenarbeit ermöglicht die Beaufsichtigung und Durchführung des kompletten Zyklus oder zumindest neu zusammengesetzter Sequenzen, die komplexer als die fordistischen sind und die Qualitätskontrolle umfassen.

Jedoch gibt es verschiedene erschwerende Umstände. Die Polifunktionalität und das Arbeiten mit mehreren Maschinen gleichzeitig, und auch das Kanban erlauben eine stärkere Intensivierung des Arbeitsrhythmus. Z.B. könnten die Farblichter auf Orange (höchste Intensität) stehen, mit Erholungsphasen auf Grün (normaler Rhythmus). Eine andere Möglichkeit stellt die Programmierung eines "angemessenen" Maschinenrhythmus dar, für die der Arbeiter oder die Gruppe verantwortlich ist. Oder die Funktion eines Arbeiters (und damit des Arbeiters selbst) kann wegrationalisiert werden, wenn tote Arbeitszeiten festgestellt werden. Die der Polifunktionalität innewohnende Austauschbarkeit des Arbeiters fördert dies.

Zudem hat sich die Autonomie als eine Form der Selbstüberwachung der Arbeiter erwiesen. Da sie nur über die Verteilung der Arbeiten und die Arbeitsrhythmen selbst bestimmen können, aber nicht über die globalen Ziele, erreicht diese Verwaltung, dass die Arbeiter sich zum einen größtenteils gegenseitig und zum anderen die anderen Arbeitsgruppen kontrollieren. Die erneuerte Wettbewerbsideologie birgt damit für den Arbeitgeber die Möglichkeit, die Gruppen und Werkstätten untereinander konkurrieren zu lassen, womit die Intensivierung der Arbeitsrhythmen und das Reduzieren von toter Zeit leichter durchgesetzt werden können. Hinzu kommt, dass das Just-In-Time mit der Orientierung der Quantität und Qualität an der Nachfrage dazu führt, dass die Werktätigen für die Produktqualität verantwortlich gemacht werden. Zudem ist herauszustreichen, dass sich all dies durch die Unterwerfung der Entlohnung sowie der Prämien für Gruppen oder Arbeiter unter die Erfüllung der Ziele in Bezug auf Quantität und Qualität der Ware verschärft.

Die Mystifizierung der Entparzellierung und Bereicherung der Arbeit wird hinfällig, wenn wir einen Augenblick an die widersprüchlichen Anforderungen des Just-In-Time denken. Auf der einen Seite soll variable und ohne Zwischenlager produziert werden und auf der anderen Seite gibt es das notwendige Streben nach Einschränkung toter Arbeitszeit und nach konstanter Erhöhung der Arbeitsintensität. Die Anpassung an Maschinen, Arbeitsplätze, Aufgaben, Anzahl der Arbeiter, die dies mit sich bringt, basiert auf folgenden Prinzipien: 1. Darauf, dass die Arbeiten in die kleinstmöglichen Arbeitsschritte unterteilt werden. 2. dass jede Aufgabe schnell wieder neu zugewiesen werden kann. 3. dass die nötige Qualifizierung für jede Aufgabe geringst möglich ist. 4. dass die Arbeiter fähig und bereit sind, jeden Arbeitsschritt zu übernehmen. Die tayloristische Parzellierung kommt durch die Hintertüre wieder herein, der Rest wird von den neuen Maschinen erledigt.

 

Neues Arbeitsmanagement

Wir können neue kritische Erkenntnisse gewinnen, wenn wir ein wenig über die unterstellte freiwillige Partizipation der Arbeiter in der Verwaltung, beispielsweise die Zirkel der Qualitätskontrolle, nachdenken. Allein die Benennung ist zweideutig, denn es ist nicht geklärt, ob es sich um einen Beitrag zur Verbesserung des Endproduktes oder zur Verbesserung der Produktion selbst handelt. Zu Letzterem würde schließlich das Einsparen von Materialien, die Optimierung der Prozesse oder einfach die Überwindung von Problemen gehören. Definitiv überwiegt diese Interpretation, was für die Unternehmen Kosteneinsparungen bedeutet. Für gewöhnlich bleiben Aspekte, die mit der Arbeitszeit und der Art zu produzieren zu tun haben - wenn man mal die wenigen Fälle, in denen die Arbeiter aktiv Druck ausüben, ausnimmt – außerhalb der Reichweite der Zirkel zur Qualitätskontrolle. Selbst die Aspekte, die im weiteren Sinne zur Qualitätskontrolle gehören, wie Arbeitshygiene, Arbeitssicherheit, Ruhezeiten etc., bleiben außen vor. Auf diese Weise werden die Qualitätskontrollen zu Methoden, um sich das Wissen des Arbeiters anzueignen, die als selbstbestimmte Kooperation verkleidet daherkommen.

Genauso funktioniert die Unternehmensgewerkschaft, die Hausgewerkschaft, als Ideologie der Kooperation und der unternehmerischen Familie. Mit den Unternehmensgewerkschaften geht nicht nur eine Verringerung der Verhandlungsmacht einher, sondern auch eine Fragmentierung der Einheit und des Klassenbewusstseins. Für die Unternehmerseite ermöglichen sie einen untergeordneten Einbezug und damit die Möglichkeit einer besseren Kontrolle über Konflikte und Oppositionarbeit der Arbeiter. Selbstverständlich hat diese Entwicklung, die heute als naturgegeben dargestellt wird, eine Geschichte. Der Toyotismus und die Unternehmensgewerkschaft gründen auf der maßlosen Repression der Unternehmer und des Staates, die beide gegen die kämpferische japanische Gewerkschaftsbewegung der Nachkriegszeit ausübten. In einem Ping-Pong–Spiel von Zwang und Konsens konnte diese neue Art der Gewerkschaft entstehen. Zu den Versprechen gehörten eine lebenslange Beschäftigungsdauer für diese Gewerkschaftsmitglieder und die Beteiligung der Gewerkschaft bei Beförderungen in der Firma. Für die Arbeiter bedeutete dies, dass eine Beförderung nur durch die Mitgliedschaft in der Unternehmensgewerkschaft möglich war.

 

Über Arbeitsprozesse im Kapitalismus

Es kann die These aufgestellt werden, dass es in den Arbeitsprozessen des Kapitalismus die historische Tendenz zur Trennung intellektueller (Konzeption) und handarbeitlicher (Ausführung) gibt. Die Arbeitsprozesse werden in immer einfachere und rationalisierte Schritte aufgeteilt und damit zunehmend abstrakter. Diese Teilung wurde durch den Taylorismus und die wissenschaftlichen Rationalisierungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertieft. Und auch in den neuen Organisationsformen und der neuen Technologie gibt weder eine Wiedervereinigung beider Tätigkeiten, noch eine Rückgabe des Wissens an die Arbeiter. Im Gegenteil, wir sehen sogar eine erneute Möglichkeit der Ausbeutung in ihnen: Subjektiv durch die Techniken der untergeordneten Teilnahme und objektiv durch die Inkorporierung von Kommando- und Kontrollfunktionen in den computerisierten Maschinen und Roboter.

Ich denke, wir können über all dies eine größere Klarheit gewinnen, wenn wir es durch das Prisma der historischen Konstanten des kapitalistischen Arbeits- und Wertschöpfungsprozesses betrachten, d.h. erstens durch eine konstante Erhöhung der technischen und sozialen Arbeitsteilung unter dem Kommando des Kapitals; zweitens durch eine Tendenz zur Enteignung des Wissens der Arbeiter durch die Arbeitsprozesse und drittens durch eine Tendenz zur schärferen Kontrolle und objektiven Unterwerfung der Arbeiter sowohl in Bezug auf ihre Handlungen als auch bezüglich ihrer Arbeitszeit und ihres Arbeitsplatzes. Diese Charakteristika haben ein dem Kapitalismus inhärentes Ziel: Wenn sich die Möglichkeit des Kapitals, absoluten Mehrwert abzuschöpfen, durch physische und soziale Grenzen erschöpft hat, greift es auf die Abschöpfung relativen Mehrwertes zurück. Bei konstanter Arbeitszeit geht es darum, die Produktivität der Arbeit zu erhöhen. Die grundlegende Form, dies zu erreichen, ist die Kooperation verschiedener Arbeiter, um ein gemeinsames Produkt herzustellen, wobei die Arbeitsschritte unterteilt werden. Der Produktivitätszugewinn der Kooperation und der Arbeitsteilung ist dem Kapital und seiner Logik, relativen Mehrwert zu erzielen, untergeordnet. Der Höhepunkt ist die Einführung der Maschinerie der Großindustrie, was Marx als reale Subsumtion der Arbeit unter das Kapital bezeichnet, denn in diesem Prozess herrscht nicht nur Arbeitsteilung, sondern die Zeiten und Bewegungen der Arbeiter werden objektiv durch den Rhythmus der Maschinen, der nicht dem Willen der Arbeiter unterliegt, kontrolliert. Zur Steigerung der Intensität der Arbeit trachtet das Kapital von nun an danach, die tote Arbeitszeit zu reduzieren, um so relativen Mehrwert zu realisieren und die Akkumulation fortzusetzen. Hiermit soll gesagt werden, dass die neuen - wie auch die alten – Formen der Arbeitsorganisation jenseits der Apologien und falschen Kritiken, sich in diese Logik einschreiben und ihnen historisch ein konkreter Ort in der kapitalistischen Dynamik zugewiesen werden muss.

Es stellt sich die Frage, welchen Platz die neuen Formen der Arbeitsorganisation bei der sogenannten Humanisierung der Arbeit einnehmen. Nun, die Entfremdung der Arbeit und der Marktfetischismus von denen Marx spricht, haben sich verschärft. Um mit Gorz Worten zu sprechen: "Die Arbeiter können sich für die Qualität der Montage verantwortlich fühlen, aber weder die Qualität der Elemente, noch die Entwicklung des Fahrzeuges und noch weniger die Entscheidung, Autos zu produzieren, hängt von ihnen ab. Deshalb ist ihnen das Endprodukt des Produktionsprozesses weiterhin fremd, [...]. Selbst wenn sie einen hohen Grad an Selbstbestimmung der Arbeit erlangen können, bleiben sie entfremdet, d.h., dass sie nicht über die Möglichkeit der Selbstbestimmung der Ziele und Tätigkeiten verfügen. Sie bleiben im Dienst von Zielen, die sie sich nicht gesetzt haben und von denen sie zumeist nichts wissen."

Die Entscheidung, was, wie und warum produziert wird, bleibt eine Entscheidung des Kapitals. Das soziale Ergebnis der Arbeit bleibt entfremdet, erscheint weiterhin als fremde und herrschende Kraft, als Kapital. Aber auch die Entfremdung der Gruppe steigt aufgrund der Überwachung und des Wettbewerbs, der zwischen und innerhalb der "autonomen" Gruppen, den Fabriken, den Ländern und Regionen aufgebaut wird.

Diese kontinuierliche Einführung der Selbstüberwachung verläuft parallel zum wiederaufleben der Mythen der "Souveränität des Konsumenten" und der "Anforderungen des Marktes" als Regulatoren, die abstrakt und entfernt sind von den Rhythmen der Arbeit. Das Verantwortlichmachen des Arbeiters für die Qualität und Zweckmäßigkeit seiner Arbeit wird zu einer Quelle der Entfremdung. Denn er ist weniger Subjekt, denn Objekt von Kräften, die er nicht kontrolliert, die aber Ergebnisse seiner Arbeit sind. Ein erneuerter Marktfetischismus.

Nun noch einige Anmerkungen zur Qualifizierung der Arbeiter. Vorhin habe ich den Toyotismus als eine Art Super-Taylorismus gekennzeichnet. Zunächst ist es besser zu diskutieren, ob es Vereinfachung-Abstraktion der Arbeit gibt und nicht ob es Qualifizierung-Dequalifizierung gibt. Sicherlich gibt es für bestimmte Sektoren der Arbeiter aufgrund der neuen Technologien neue Möglichkeiten, Wissen und intellektuelle Fähigkeiten in die Praxis umzusetzen, die die Arbeit komplexer machen. Diese Fähigkeiten können sich, da sie vom Kapital benötigt und auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden, in höherer Bezahlung und besseren Arbeitsverträgen ausdrücken. Es sind Figuren, die sich an die von Marx beschriebenen Arbeiter der automatisierten Großindustrie annähern: eher Supervisoren und Kontrolleure der Produktion, als Lieferanten von direkter Handarbeit. Diese Arbeiter bilden die moderne "Arbeiteraristokratie", mit stabilen Arbeitsplätzen und besserer Entlohnung. Parallel dazu gibt es jedoch in den gleichen fortgeschrittenen Industrien eine wachsende Masse von Arbeitern und Arbeiterinnen, die in prekären Arbeitsverhältnissen stehen, von Subunternehmen beschäftigt sind, Zeitverträge haben und Aushilfen sind. Für diese Masse verstärkt sich die historische Tendenz zur Abstraktion und vereinfachenden Zerteilung der Arbeit.

Viele der Methoden und Ziele der neuen Formen der Arbeitsorganisation sind auf eine wachsende Masse von Arbeitern im Dienstleistungs- und Finanzbereich übertragen worden, wo im großen Durchschnitt die prekären Beschäftigungen und die Parzellierung stärker ist als in der Industrie. Zudem manifestiert sich der enorme Produktivitätszuwachs der sozialen Arbeit, der die wachsende Inkorporation von neuen Technologien begleitet, in einer extrem hohen strukturellen Arbeitslosigkeit. Für die davon betroffenen Arbeiter macht eine Diskussion über Qualifizierung oder Dequalifizierung keinen Sinn, weil sie direkt ausgeschlossen sind. Und dies ist nicht nur eine Frage zwischen Zentren und Peripherien, weil diese Phase der Globalisierung des Kapitals die Existenz einer Ersten Welt in der Dritten und letzterer in der Ersten mit sich bringt. Und dies geht vor allem die Produktionsformen und deren Arbeitsbeziehungen und nicht nur gerechtere Verteilungsformen an.

Eine weitere Bemerkung bezieht sich auf die Frage der Verallgemeinerbarkeit und des realen Vorkommens der beschriebenen Techniken und Modelle. Ebenso wie beim Fordismus ist die Verallgemeinerung im Toyotismus problematisch, da ökonomische, politische und kulturelle Besonderheiten der Länder und Regionen zu beachten sind. Und vor allem auch deswegen, weil sich die neuen Techniken, wie jedes Element des Kapitalismus, nicht nach Kriterien der Manipulation oder der Ideologie einführen lassen. Die organisatorische und technische Dynamik des Kapitalismus, seine Umbrüche und Veränderungen hängen ab von zu erwartenden Gewinnraten. Nur wenn diese sich durch Änderungen erhöhen, werden die alten Formen verlassen. Aufgrund der Tatsache, dass diese Veränderungen einen Angriff auf die erreichten Eroberungen der Arbeiterklasse und das Wissen der Arbeiter und einen Versuch zur Steigerung des kapitalistischen Kommandos über das Arbeitersubjekt darstellen, ist es angebracht von Konflikten und Kämpfen zu sprechen. Es wäre jedoch noch angebrachter vom antagonistischen und unvereinbaren Klassenkonflikten im Inneren der Arbeitsprozesse und vom politischen Charakter der Ökonomie, als von dem manipulativen Gesicht des Kapitals oder einer unfehlbaren Logik des Kapitals zu reden. Dabei dürfen wir in Lateinamerika nicht vernachlässigen, dass die Bedingungen zur Einführung der vom Kapital geforderten Veränderungen mit einer hohen Dosis direkter Repression geschaffen wurden, die terroristische Diktaturen durchführten.

Wenn nun Arbeiter in allen Teilen der Welt mit diesen Neuen Arbeitsformen und Techniken konfrontiert sind, so sollte man doch nicht vorschnell verallgemeinern. Es ist bekannt, dass die multinationalen Konzerne durch ihre Filialen auf eine Verallgemeinerung der neuen Formen drängen. Aber oft ergeben sich daraus hybride, "unreine" Formen, angesichts derer die Fragen und Antworten nicht die gleichen sein können.

Dennoch sind die Transformationen, obwohl ungleich und komplex, offensichtlich. Ihre Folgen sind tiefgreifend und höchst reaktionär. Zunächst bedeutet die neue kapitalistische Arbeitsorganisation einen Angriff auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiter-Subjekte. Sie werden begleitet von Rückschritten in der autonomen Arbeiterorganisation und einem allgemeinen Rückgang von Selbstorganisation. Die Prekarisierung der Arbeit, die Arroganz der Arbeitgeber und die Schwäche der gesellschaftlichen Antworten betreffen den Lebensalltag der Menschen. Besonders die Fragmentierung, Komplexisierung und Diversifizierung der Zusammensetzung der Klasse führen zu ohnmächtigen Gewerkschaften, die kooperativ orientiert und bürokratisch sind. Diese halten zudem an alten Kategorien und Einstellungen, wie dem alten Verhältnis von Staat und Kapital, fest. Das Verstehen des wie und warum ist zentral, um sich bei Zeiten neue Wege der Zusammensetzung neuer Kämpfe vorstellen zu können, die die historische Revanche des Kapitals gegen die Arbeit umwenden können.

 

Übersetzung und Bearbeitung: Olaf Kaltmeier

Der Text ist entnommen aus CILAS-Chile (Hrsg.): Transformaciones del trabajo en el capitalismo actual. Santiago 2000, S. 17-26

Aus: SOLIDARIDAD Berichte und Analysen aus Chile. 21.Jg., Nr.212, Jan-Feb. 2001; Bezug: KSHG, Frauenstr. 3-7, 48153 Muenster. Tel: 0251-41300; soli@muenster.de Jahresabo/ 6 Ausgaben: 24,-DM


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