Home > Branchen > Dokument
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

"Beide politischen Linien haben eine zentrale Person, beide Personen haben sich absolut auf einen Weg festgelegt"

(Ein kurzes Telefoninterview vom 10.Mai 2004 mit Rogerio Ymurta, Bergarbeiter und Gewerkschaftsaktivist seit 1969 zu den Auseinandersetzungen innerhalb des bolivianischen Gewerkschaftsbundes COB um die neue Konfrontation mit der Regierung Mesa).

Rogerio, hier nach Europa kommen zwar die Meldungen von einem kämpferischen 1.Mai, von den Streiks und Blockaden ab 4.Mai - aber eben auch Meldungen, die besagen, dass in einigen wichtigen Gegenden und Bereichen der Widerstand gegen Mesa schwach sei bzw die Aktionen eher boykottiert würden. Was ist los?

Nun, unübersichtlich wird die Lage erst, wenn falscherweise davon ausgegangen wird, es gäbe sozusagen vereinheitlichte feste Blöcke, die dann entweder COB, CSUTCB oder MAS heissen. Oder, genauso undifferenziert: Die CO diesen oder jenen Bezirks, und daselbe für MAS. Nein, ich sehe die Sache so: In allen wesentlichen Organisationen, die den Kampf gegen Sanchez Losada im letzten Jahr entscheidend mitgetragen haben, gibt es Auseinandersetzungen darüber, wie es weitergehen soll. Und da ja die Regierung mit ihrer Politik weitermacht ist diese Debatte nicht nur eminent wichtig, sondern tagesaktuell.

Du sprichst die Strategie von Evo Morales an, die MAS darauf zu orientieren, alles der Wahl im Jahre 2007 zu überlassen?

Ja nun, so sind Teile der MAS - aber eben nur wieder Teile - auf das erweiterte COB Plenum gekommen. Sie haben die Forderung gestellt, Streiks abzublasen und, von Senator Escobar, sozusagen der Chefstratege der MAS, dazu aufgefordert, haben sie auch den Rücktritt von Jaime Solares als Generalsekretär der COB gefordert. Damit sind sie aber an einer grossen Mehrheit gescheitert, die ihnen geduldig zugehört hat. Aber es sind eben wichtige Bereiche, die die MAS Strategie in den Volksorganisationen vertreten: Die Führung der Föderation der Bergarbeitergewerkschaften etwa - obwohl ich Dir versichern kann, dass nicht nur in unserer örtlichen Bergarbeitergewerkschaft, diese Position wiederum keineswegs geteilt wird.

Verhält sich das nun bei den Landarbeitern, der CSUTCB, ebenso? Also, vereinfacht: So, wie bei der COB Solares gegen Morales, dann "auf dem Lande" Quispe gegen Morales?

Nun, ähnlich schon, es ist auch sehr personalisiert, aber in der COB mehr. Da kann man sagen: Beide politischen Linien haben eine zentrale Person, beide Personen haben sich absolut auf einen Weg festgelegt. Bei der Könfoderation ist das nicht so deutlich weil Román Loayza - der für die MAS gegen die Aktionen spricht - nicht so populär ist wie "El Mallku" Quispe. Im jeweiligen Anhang eben ist das sehr viel differenzierter: Die MAS war - und ist wohl noch - seit den letzten Wahlen spätestens die Hoffnung vieler Armer auf Veränderung. Und als politische Gruppierung hat sie eben in allen Volksorganisationen Einfluss und die Mehrheit ganzer Bezirke der COB unter ihrem Einfluss - obwohl es eben andrerseits, das muss dringend gesagt werden, auch eine ganze Reihe dezidierter MAS Aktivisten auf den Plenen Ende April gab, die für Streiks und Blockadeaktionen waren, die Basis der MAS ist keineswegs monolithisch. Insgesamt aber sind die Mehrheiten für den Kampf gegen die Regierung Mesa sehr eindeutig gewesen, sowohl in den Gewerkschaften als auch bei den ländlichen Konföderierten. Du findest keine Mehrheiten für eine Position, Mesa kritisch zu begleiten, wenn er weiterhin die Gasvorkommen verschleudert und die Steuern für das Volk erhöht - eben genauso, wie es Losada getan hat, schliesslich gehörte er ja als Vize zu dessen Mannschaft.

Weil sie keine Mehrheit finden: Haben deshalb einige Sektoren der MAS begonnen, eine Schmutzkampagne gegen die Anführer der anderen politischen Strömungen zu organisieren?

Ja, Jaime als Informant der US Botschaft und solche Sachen: Ich persönlich meine, solche Sachen vorzubringen ist eine Bankrotterklärung. Das trifft aber auch auf die Gegenseite zu: Auch Evo Morales ist kein Agent des IWF, wenngleich ich seine Politik absolut nicht teile. Warum soll Mesa bis 2007 regieren und so lange das Volk quälen können? Wichtiger aber sind die ganzen Militärputschgerüchte - was ja nicht unwahrscheinlich ist, aber bestimmt kein Grund, stillzuhalten, im Gegenteil.

Wie wird diese Auseinandersetzung entschieden, die Situation verändert?

Nun ich denke, entscheidend wird im konkreten Fall sein, welche Stärke die Aktionen haben werden. Bis jetzt sieht es gut aus, aber es gibt eben wichtige Bereiche, die nicht mitmachen. Wenn sich das ändert, ist auch die aktuelle Debatte erledigt - was nicht heisst, dass es damit auch die grundsätzliche politische Auseinandersetzung wäre.


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang