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Vorwärts in die Vergangenheit oder rückwärts in die Zukunft? Mit dieser Alternative wird am treffendsten die aktuelle politische Entwicklung in der Republik Belarus beschrieben, einem der Länder innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 entstanden ist. Und die Sehnsucht nach der alten Sowjetunion mit ihren geordneten und überschaubaren Verhältnissen, allerdings ohne die entsprechende ideologische Staffage mit roten Fahnen und Lenin-Kult, scheint das einfache Weltbild des weißrussischen Präsidenten Lukashenko zu bestimmen, eines Mannes, der einen beeindruckenden Karrieresprung vom Leiter einer Kolchose zum "Führer" seines Landes machte. Wie eine große Kolchose führt er auch die Regierungsgeschäfte: Er belohnt seine Günstlinge, verflucht mit derben Worten seine Widersacher und setzt sich gleichzeitig in populistischer Weise für die rechtzeitige Zahlung der Löhne ein, die viele Betriebe aufgrund der desaströsen Wirtschaftspolitik wenn überhaupt häufig erst mit monatelanger Verspätung auszahlen. Bei alledem schert sich Lukashenko nicht um Verfassung und Gesetz. Durch zweifelhafte Volksabstimmungen und Wahlen hat er es vielmehr sogar geschafft, seiner Herrschaft einen legalen Anstrich zu geben. Gewerkschaften, sofern sie nicht in altbewährter Weise Transmissionsriemen seiner Macht darstellen, werden unter solchen politischen Bedingungen schnell zum Feind. Angesichts der Schwäche und der Uneinigkeit innerhalb der politischen Opposition sind sie inzwischen sogar zum wichtigsten organisierten Gegner eines Regimes geworden, dem nach dem Fall von Milosevic die zweifelhafte Ehre zukommt, die letzte Bastion diktatorischer Willkür in Europa zu sein.
So erschreckend sie sich auch darstellt, ist die aktuelle politische und ökonomische Lage in Weißrussland kaum Thema in der internationalen Berichterstattung. Die politische und gewerkschaftliche Linke hierzulande tut sich schwer, in gleichem Maße Anteilnahme und Solidarität zu zeigen, wie es gegenüber Unrecht und Unterdrückung in anderen Teilen der Welt Standard ist. Die nachfolgenden Informationen wollen einen Einblick in die junge Geschichte der weißrussischen Gewerkschaften und in ihre aktuellen Probleme geben.
Das Jahr 1991 stellt eine einschneidende Zäsur in der neueren Geschichte Weißrusslands dar. In diesem Jahr zerfiel nicht nur endgültig die alte Sowjetunion und wurde im Rahmen der Gründung der GUS die Republik Belarus als eigenständiger Staat gebildet auch für die Gewerkschaften markiert dieses Jahr einen entscheidenden Neubeginn nach der langen Phase politischer Agonie.
Der Zerfall der Sowjetunion hatte seine Ursache nicht so sehr im Fehlen demokratischer Freiheiten. Oppositionsgruppen und Bürgerrechtsbewegungen hatten an der politischen Wende keinen wesentlichen Anteil, und weite Teile der Bevölkerung haben bis heute eine große Distanz und Reserviertheit gegenüber Politikern und Parteien. Neben den auseinanderstrebenden nationalen Interessen war der Zusammenbruch der alten Strukturen vor allem durch die von Gorbatschow eingeleitete Phase der Perestrojka bedingt, in deren Verlauf die Unfähigkeit einer staatlich gelenkten Ökonomie, die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, immer offensichtlicher wurde. Der Widerspruch zwischen den realen Lebensbedingungen und der offiziellen Propaganda ließ das System schon lange vor seinem endgültigen Zerfall brüchig werden.
Die politische Wende brachte jedoch nicht die erhoffte ökonomische Wende zum Besseren. Als Folge des Auseinanderbrechens der bisherigen Wirtschaftsbeziehungen und der Arbeitsaufteilung im Comecon verschärfte sich in Weißrussland sogar entgegen den Erwartungen der Menschen die ökonomische Krise. Ein wirtschaftlicher Niedergang, der bis heute nicht gestoppt werden konnte, setzte ein. Zusätzliche Bürde für das Land waren die Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl.
Die sich massiv verschlechternde Lebenssituation entlud sich in der Zeit des Übergangs sehr schnell in einer spontanen Streikbewegung. Die neuen Freiheiten, die Hoffnung auf Reformen und eine Demokratisierung der Gesellschaft mobilisierten 1991 Tausende im ganzen Land. Die Möglichkeit, zum ersten Mal authentisch die eigenen Interessen vertreten zu können, trieb die Arbeiter auf die Straße. In betrieblichen Streikversammlungen wurden neue und von den alten Verhältnissen unbelastete "Führer" gewählt. Überbetriebliche Zusammenschlüsse von Streikkomitees bildeten sich. Eigen war allen AktivistInnen der neuen Bewegung das Misstrauen gegenüber den alten, staatlich gelenkten Gewerkschaften und ihren Funktionären. Doch in der Frage, wie mit ihnen umzugehen sei, gab es unterschiedliche strategische Antworten. Während ein Teil auf den totalen Bruch mit dem alten Apparat setzte und schnell die Gründung neuer, "freier" Gewerkschaften betrieb, gingen andere den Weg durch die Institutionen, lösten bei Neuwahlen die alten Funktionäre in den betrieblichen Gewerkschaftsräten (Provkoms) ab und übernahmen teilweise den Apparat der "alten" Staatsgewerkschaften. Auch sie nahmen, nach entsprechenden Satzungsänderungen, für sich in Anspruch, nun "unabhängige" Gewerkschaften zu sein. Am konsequentesten ging man diesen Weg in der Metallindustrie, dem Bereich, auf den ich mich im Folgenden vor allem beziehe. Die Gewerkschaft ASM (Landmaschinen und Automobilbau) und die Elektronikgewerkschaft bildeten hier innerhalb der alten "Föderation der weißrussischen Gewerkschaften" (Dachverband, vergleichbar dem DGB) eine Assoziation, um die fortschrittlichen Kräfte zu bündeln.
Die Freien Gewerkschaften kamen im Laufe ihres Bestehens nie wesentlich über 20.000 Mitglieder hinaus, während die Föderation durch die lange bestehende faktische Zwangsmitgliedschaft aller Werktätigen noch heute über 4 Millionen Gewerkschaftsmitglieder zählt. Die ASM und die Radioelektronikgewerkschaft organisieren inzwischen zusammen ca. 180.000 echte Mitglieder, nachdem vor zwei Jahren eine Neuaufnahme aller Mitglieder durchgeführt und damit die vorherige, automatische Mitgliedschaft beendet wurde. Die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung in unterschiedliche Orientierungen konnte bis heute nicht aufgehoben werden und schwächt sie angesichts der stetig zunehmenden politischen und ökonomischen Probleme. Doch gibt es in jüngerer Zeit auch Zeichen, dass unter dem Druck der Verhältnisse einheitliches Handeln wächst.
Einen erneuten wesentlichen Einschnitt in der Entwicklung des Landes stellte die Wahl Lukashenkos 1994 zum Präsidenten dar. Sein Wahlsieg war Ausdruck der Enttäuschung nicht erfüllter ökonomischer Erwartungen und der Schwäche einer wenig gefestigten Demokratie, in der weite Teile der Bevölkerung auf einen starken Mann setzten, der sich mit populistischen Parolen von dem Gezänk der zerstrittenen Parteien absetzte. Zielstrebig entmachtete Lukashenko das aus den ersten freien Wahlen hervorgegangene demokratisch gewählte Parlament, setzte in einem Referendum 1996 eine auf seinen Herrschaftserhalt ausgerichtete Verfassung durch und brachte relativ schnell alle gesellschaftlichen Bereiche unter die Kontrolle des Präsidialapparats. Ein starker Sicherheitsapparat mit KGB und Sonderpolizeitruppen verbreitet Angst und Unsicherheit und setzt jeden politisch Oppositionellen einer hohen persönlichen Gefährdung aus. Willkürliche Verhaftungen und Prozesse, die Ermordung und das ungeklärte Verschwinden missliebiger Politiker und eine staatlich kontrollierte, gleichgeschaltete Presse- und Medienlandschaft wecken Erinnerungen an die südamerikanischen Diktaturen der 70er Jahre. Filetstücke der belarussischen Wirtschaft sind in das Sondervermögen des Präsidenten eingebracht worden, unterliegen damit seiner direkten Kontrolle und sichern das Regime auch wirtschaftlich ab. Die weitgehende internationale Isolation Weißrusslands und das Einfrieren jedweder Wirtschaftshilfen hat bisher wenig Wirkung gezeigt, lässt sich aber trefflich nutzen, um das böse Ausland für die desolate Situation verantwortlich zu machen.
Die in diesem Herbst durchgeführten Parlamentswahlen gerieten erneut zur Farce, das erwartete Ergebnis wurde von Organisationen wie der OSZE als irregulär bezeichnet. Ein Teil der Opposition hatte zum Wahlboykott aufgerufen, und die meisten Oppositionspolitiker, die sich der Wahl stellen wollten, wurden schon im Vorfeld durch undurchschaubare formale Hürden an der Beteiligung gehindert. Gespannt blickt man jetzt schon auf die Präsidentenwahlen im nächsten Frühjahr. Gelingt es der Opposition, die zunehmende Unzufriedenheit im Lande zu nutzen und einen gemeinsamen Gegenkandidaten zu Lukashenko aufzustellen? Oder wird das Land unter irgendwelchen Vorwänden unter Ausnahmerecht gestellt und die Diktaktur endgültig etabliert?
Die Wirtschaft Weißrusslands befindet sich nun seit fast 10 Jahren auf einer ununterbrochenen Talfahrt. Ordnungspolitisch haben sich in Weißrussland weitgehend die alten Wirtschaftsstrukuren erhalten, d.h. es gibt keine nennenswerte Privatisierung, und die Betriebe arbeiten weiterhin weitgehend unter staatlicher Kontrolle. Durch die Freigabe der Wechselkurse und die Öffnung der Märkte für ausländische Waren haben sich aber die Absatzmöglichkeiten für die einheimischen Produkte massiv verschlechtert. Die meisten Fabriken haben bei nicht wesentlich geschrumpften Belegschaften und veralteter Technik eine Auslastung von 20 bis 30 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazitäten. Geringe Löhne in der Industrie zwischen 50 und 100 US-Dollar monatlich, für viele Berufsgruppen wie z.B. Lehrer noch darunter lassen, sofern sie überhaupt gezahlt werden, die Menschen jetzt schon seit Jahren an oder unter der Armutsgrenze leben. Während z.B. der Preis für Wodka politisch vergleichsweise niedrig gehalten wird, sind Fleisch- oder Milchprodukte (1 kg Schweinefleisch oder Käse kosten ca. 4 Dollar) für viele Menschen unerschwinglich. Schmuggel und Handel im Rahmen einer ausgeprägten Schattenwirtschaft sowie der Eigenanbau (glücklich, wer eine Datscha oder Verwandte auf dem Lande hat) sind schon seit Jahren wichtige Faktoren des Überlebens. Ob im Gesundheitswesen, im Wohnungssektor oder in der Landwirtschaft kein Bereich ist von der Krise ausgenommen. Alleine die Anlehnung an den großen russischen Bruder, ebenfalls mit großen wirtschaftlichen Problemen belastet, verhindert den Absturz ins Bodenlose und garantiert eine gewisse Stabilität. So hat Russland weiterhin die Energieversorgung gesichert in dem rohstoffarmen Land existenznotwendig obwohl Weißrussland nicht in der Lage ist, die Öl- und Gaslieferungen zu bezahlen und sich immer mehr verschuldet. Inzwischen wird Russland zur Begleichung der Schulden die Beteiligung an belarussischen Unternehmen angeboten, die alte Dominanz Moskaus kommt wieder durch die Hintertür. Selbst westliches Kapital, sonst Diktaturen durchaus nicht ablehnend gegenüberstehend, hat zur Zeit keine Erwartungen, dass in Weißrussland getätigte Investitionen die geringste Rentabilität versprechen. Ein Automobilwerk von Ford ist gerade wieder geschlossen worden, und ein schon lange geplantes Joint-Venture von John Deere und dem Minsker Traktorenwerk nie zustande gekommen.
Die Neuorientierung von gewerkschaftlicher Arbeit in Weißrussland gestaltet sich unter den skizzierten politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen verständlicherweise extrem schwierig. Setzten die zahlenmäßig schwachen, aber vor allem zu Beginn durchaus einflussreichen Freien Gewerkschaften auf den totalen Bruch mit dem System (Forderung nach Privatisierung, staatliches statt betrieblich organisiertes Sozialsystem, Demokratie nach westlichem Muster und nationale Unabhängigkeit), waren die alten Gewerkschaften in gradueller Abstufung eher für behutsame Reformen. Zwar hatten auf nationaler Ebene, wie schon beschrieben, fortschrittliche Kräfte in einigen der alten Gewerkschaften die Führung übernommen, doch waren die Gewerkschaftsvertreter auf der betrieblichen Ebene durch die Verwaltung des Sozialbereichs (Wohnungen, Kindergärten, Krankenhäuser, Kultur und Sport) weiterhin unmittelbar in die Interessen der Betriebe eingebunden. Diese Einrichtungen können kaum noch finanziert werden und darben, sofern sie noch nicht geschlossen wurden, vor sich hin. Immerhin versuchen die Betriebsgewerkschaften als letzten Rest von Besitzstandswahrung und mangels Alternative , diese Sozialeinrichtungen solange wie möglich zu halten. Ein allzu kämpferisches Vorgehen hätte sie hier zudem in Misskredit bei den Betriebsdirektoren gebracht. Daneben blieben die meisten Leitungskräfte des Betriebs Mitglied bei der Gewerkschaft, und auch dies verhinderte häufig eine klare, an den Interessen der Belegschaft orientierte Politik.
Die Freien Gewerkschaften traten im Gegensatz zu den vorsichtig agierenden offiziellen Betriebsgewerkschaften sehr offensiv und militant auf, hatten aber meist mangels ausreichender Mitglieder sowie Angst und Apathie bei der Mehrzahl der Beschäftigten nur in Ausnahmefällen die entsprechende Mobilisierungsfähigkeit. Der in den letzten Jahren bedeutsamste Arbeitskampf, der Streik bei der Minsker Metro von 1997, endete mit dem Rausschmiss und der gerichtlichen Verfolgung vieler AktivistInnen. Gerade wegen ihrer Militanz waren sie dem Regime ein Dorn im Auge und vielen direkten und indirekten Repressalien ausgesetzt. Eine durch Präsidentenerlass vorgeschriebene Neuregistrierung der Gewerkschaften hatte zur Folge, dass vor allem viele Betriebsorganisationen der Freien Gewerkschaft nicht mehr anerkannt wurden, somit nicht mehr legal agieren können und keinen Zutritt zu den Betrieben haben.
Bei den alten Gewerkschaften war die politische Haltung gegenüber dem Regime lange Zeit nicht so deutlich. Unter der selbstverordneten Prämisse, eine Gewerkschaft müsse sich politisch neutral verhalten, vermieden viele der betrieblichen Gewerkschaftsführer eine klare Position. Die Spitze der Föderation unter ihrem Vorsitzenden Goncharik kritisierte allenfalls moderat die Politik Lukashenkos. Deutlicher positionierten sich seit langem die Vorsitzenden der ASM und der Radioelektronikgewerkschaft, Buchvostov und Fedynich. Vor allem Buchvostov, der als Mitbegründer der Arbeiterpartei Abgeordneter im aufgelösten Parlament war, profilierte sich öffentlich als einer der wichtigsten Oppositionspolitiker.
Innerhalb der eigenen Gewerkschaften war diese Haltung nicht unumstritten. Mit Spannung wurden daher die diesjährigen Gewerkschaftstage, auf denen Neuwahlen anstanden, erwartet. Schon im Vorfeld versuchte das Lukashenko-Lager, durch verschiedenste Interventionen die Wiederwahl der kritischen Gewerkschaftsvorsitzenden zu verhindern: War es im Falle der Radioelektronikgewerkschaft die Gründung einer "gelben" Gewerkschaft durch die Betriebsdirektoren bei Zenit, dem größten Betrieb der Branche, und die offene Drohung mit Entlassung, falls die falschen Leute gewählt würden, war es bei der ASM die kurzfristige Aufstellung eines regimekonformen Gegenkandidaten. Auf den Gewerkschaftstagen versuchten Vertreter des Industrieministeriums vergeblich, Stimmung zu machen der fortschrittliche Flügel setzte sich durch, und die bisherigen Vorsitzenden und ihre Politik wurden mit großen Mehrheiten bestätigt.
Als letzter in der Reihe der Gewerkschaftstage fand der Kongress der Föderation statt. Deren Vorsitzender Goncharik hatte sich den Zorn des Regimes zugezogen, weil die Föderation eine Eingabe an die Internationale Arbeitsorganisation ILO mitunterzeichnet hatte. Als Schlusspunkt der Einschüchterungskampagne wurden kurz vor dem Kongress der Föderation die Konten des Dachverbandes durch die Regierung gesperrt. Trotz oder gerade wegen der nun unverhohlen auf dem Tisch liegenden Drohung, das weitere Bestehen und die Arbeit der Gewerkschaften rein finanziell zu verunmöglichen, schaffte Goncharik mit großer Mehrheit die Wiederwahl. Statt die Gewerkschaften zu zerschlagen und auseinanderzudividieren, hat die immer offener werdende Repressionspolitik die Einheit der weißrussischen Gewerkschaftsbewegung einen entscheidenden Schritt nach vorne gebracht.
Die Grundlage für den Kurswechsel innerhalb der Föderation hatte sich schon länger angedeutet. Vor allem die ASM als eine der fortschrittlichsten Gewerkschaften innerhalb der Föderation hatte immer wieder ihre Mitglieder zu Protestaktionen mobilisiert und es geschafft, den Dachverband dabei mit einzubeziehen. Durch die vom Regime erzwungene Verlegung von Demonstrationen an den Stadtrand, die offene Androhung der Betriebsdirektoren, Beschäftigte, die sich beteiligten, zu entlassen, und das faktische Totschweigen durch die staatlich kontrollierten Medien fanden diese Aktionen zwar weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, doch waren sie Signal genug, dass Lukashenko auch gegenüber den gemäßigten Gewerkschaften die Zügel anzog.
Eine gemeinsame Beschwerde von Föderation und Freien Gewerkschaften bei der ILO wegen Verstoßes gegen die ILO-Konvention zur freien Betätigung von Gewerkschaften gab dem bisher internen Konflikt eine internationale Plattform. Detailliert sind in der Beschwerde die vielfältigen Behinderungen der Tätigkeit von Gewerkschaften belegt. Eine hochrangige Delegation der ILO ist im Rahmen einer Untersuchung vor Ort den Vorwürfen nachgegangen, und in der Vollversammlung der ILO im Frühjahr wird es wahrscheinlich zu einer Verurteilung Weißrusslands kommen. Für Lukashenko ist diese Beschwerde erneuter Anlass, die Gewerkschaften als Schädlinge nationaler Interessen darzustellen, weil sie das Ansehen Weißrusslands im Ausland verunglimpften. Die wirtschaftliche und diplomatische Isolierung Weißrusslands, wie z.B. das Aussetzen von Begünstigungsklauseln im Handel mit der USA oder die Einstellung von Unterstützungsprogrammen durch die EU, treffen Weißrussland empfindlich, zeigen aber leider bisher keinerlei innenpolitische Wirkung.
Nicht zuletzt durch die ILO-Beschwerde ist auch bei den internationalen Gewerkschaftsorganisationen die Situation in Belarus stärker in den Blick gekommen. Einige haben inzwischen belarussische Branchengewerkschaften als Mitglieder aufgenommen.
Zwar haben einzelne nationale Gewerkschaften wie der niederländische FNV, die schwedischen Metallgewerkschaften und auch die deutsche IG Metall bereits seit einigen Jahren gute Kontakte nach Belarus. Gemeinsam mit TIE oder dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt werden schon seit langem Austausch- und Bildungsprogramme durchgeführt. Diese Auslandsbeziehungen haben für die belarussischen Gewerkschaften einen hohen Stellenwert. Die Breite an Solidarität und internationaler Unterstützung, wie es sie im Rahmen einer kurzfristig durch den IBFG organisierten Kampagne in diesem Herbst gab, war für die belarussische Gewerkschaftsbewegung jedoch eine neue Erfahrung und stärkte sie entscheidend. Besonders wichtig war hierbei die Unterstützung durch die russischen Gewerkschaften, weil damit die Hoffnung verbunden ist, dass über die russische Regierung Einfluss auf Lukashenko ausgeübt werden kann. Ob dies realistisch ist, sei dahingestellt.
"Time to change rulers" mit diesem programmatischen Satz war die Rede des Vorsitzenden der ASM vor dem Gewerkschaftskongress überschrieben. Helfen wir Ihnen dabei!
Aktuelle Informationen über die Situation in der Republik Belarus können im Internet unter http://www.belarus.de (deutsch/englisch) und http://www.trud.org (russisch/englisch) abgerufen werden.
* Klaus Spohn-Logé arbeitet für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt Baden und betreut in Kooperation mit der IG Metall seit langem ein Bildungs- und Austauschprogramm zwischen bundesdeutschen und belarussischen Beschäftigten.
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