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"Gemeinsam sind wir stark" – Lehrerplattform aller Schultypen Vorarlbergs

Presseerklärung zum Lehrerinnen- und Lehrertag am 28. März 2001

Am Mittwoch, den 28. März 2001, werden sich ab 14.30 im Feldkircher Montforthaus Lehrerinnen und Lehrer aus allen Schulen Vorarlbergs - Pflichtschulen, höhere Schulen, Berufsschulen, Landwirtschaftsschule, Pädagogische Akademie – versammeln. Zu dieser Protestversammlung rufen die Lehrervertretungen und die schultypenübergreifende und überfraktionelle Plattform "Gemeinsam sind wir stark" auf.

An diesem Tag will die Regierungsmehrheit im Nationalrat das sogenannte Jahresnormmodell für die Pflichtschulen (Novelle des Landeslehrerdienstrechts) beschließen lassen. Ebenfalls an diesem Tag wird voraussichtlich ein Aktionstag der Universitätslehrer/innen stattfinden.

Anlass des Protests sind Gehaltseinbußen, die Verlängerung der Arbeitszeit und die Vernichtung von mehreren tausend Lehrerstellen (ca. 7 %). Viele Lehrerinnen und Lehrer müssen um ihre Weiterbeschäftigung fürchten, junge Bewerberinnen haben kaum mehr Aussicht auf Anstellung. Der Protest richtet sich gegen die massiven Einsparungen im Bildungsbereich im Namen einer sogenannten Budgetkonsolidierung. Die genannten Verschlechterungen werden uns durch das bereits beschlossene Budgetbegleitgesetz (für die Bundeslehrer/innen) und das Jahresnormmodell (Landeslehrerdienstrecht für die Pflichtschulen), über das noch verhandelt wird, aufgezwungen.

Wir Lehrer/innen haben in den letzten Jahren überproportionale Beiträge zur Budgetkonsolidierung geleistet. Wir wurden von den Sparmaßnahmen dreifach getroffen:

a.. als Staatsbürger/innen und Arbeitnehmer/innen (Änderung bei den Steuerabsetzbeträgen, Steuerreformen),

b.. als öffentlich Bedienstete (zweimalige Nulllohnrunden 1997 und 1998, 2001 für viele Kolleg/innen sogar ein nominelles Minus),

c.. als Lehrer/innen (im Rahmen des Sparpakets 1998).

Dies hat bereits bisher zu einem deutlichen Rückgang unserer Einkommen geführt. Das Gehalt der mittleren Stufe 9 der BundeslehrerInnen zum Beispiel ist zwischen 1991 und 2001 inflationsbereinigt um 5,9% gesunken.

Der Protest der Vorarlberger Pflichtschullehrer/innen ist deswegen notwendig, weil die Gewerkschaftsführung die LehrerInnen im Stich gelassen hat. Es ist ein besonderer Skandal, dass das Jahresnormmodell von der Bundesleitung der Pflichtschullehrergewerkschaft ausgeheckt worden ist. Ohne ausreichende Information, mit demagogischen Versprechungen und vor Abschluss der Verhandlungen über den Sozialplan ließ die Gewerkschaftsführung im Schnellverfahren über das Modell abstimmen. Das Ergebnis wurde zusätzlich noch verfälscht, indem Stimmen, die sich gegen jede Verschlechterung aussprachen, nicht mitgezählt wurden. Die Vorarlberger Stimmen (96% gegen Budgetbegleitgesetz und Jahresnormmodell) wurden einfach für ungültig erklärt und scheinen im Endergebnis nicht auf. Dieses ist damit null und nichtig.

Die Gewerkschaft hat sich in den letzten Jahren generell als unfähig oder unwillig erwiesen, Verschlechterungen abzuwehren. Mehr noch: sie hat der Regierung bei deren Durchsetzung geholfen, indem sie auf jeden Widerstand verzichtet hat. Obwohl die Regierung die Sozialpartnerschaft de facto aufgekündigt hat, ist die Gewerkschaftsspitze nach wie vor auf Verhandlungen eingeschworen. Ergebnis sind bestenfalls "Abfederungen" von Verschlechterungen.

Die Lehrer/innen werden in Feldkirch ihre Streikbereitschaft bekunden. Vom Protesttag in Vorarlberg soll ein Signal für die anderen Bundesländern ausgehen, wo viele Schulen und Landessektionen der Lehrergewerkschaft ebenfalls seit längerem die Durchführung eines Streiks fordern. In Wien führen Lehrer/innen aus allen Schulen am selben Tag zur Unterstützung der Vorarlberger Lehrer/innen eine Kundgebung bei der Zentrale der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst durch.

Wir fordern die Lehrersektionen der Gewerkschaft auf, dem Kaputtsparen des Bildungssystems, den Gehaltskürzungen und der Zerstörung unserer Motivation als Lehrer endlich mit einem bundesweiten unbefristeten Streik aller Lehrer/innen entgegenzutreten. Wir verlangen die Rücknahme des Budgetbegleitgesetzes und des Jahresnormmodells und ein großzügiges Investitionsprogramm für die österreichischen Schulen. Denn die Sanierung des Budgetdefizits auf Kosten der Schule führt in ein Bildungsdefizit. Dieselbe Politik hat zu massivem Lehrermangel in der Schweiz, in Deutschland und in Großbritannien geführt. In diesen Ländern kann gegenwärtig das schulische Standardangebot nicht gewährleistet werden.

Wir unterstützen die Universitätslehrer/innen und Student/innen in ihrem Kampf gegen das neue Dienstrecht und die Studiengebühren und erklären uns mit dem Widerstand von Beschäftigten aus anderen Bereichen des Öffentlichen Diensts bzw. von ausgegliederten Gesellschaften (wie z.B. Telekom) gegen Entlassungen und Lohnsenkungen solidarisch.

Ablauf der Veranstaltung

Für die Plattform "Gemeinsam sind wir stark"
Robert Sutterlütti, Armin Roßbacher, Ekkehard Muther

hier noch weitere Hintergruende aus der email eines aktivisten vom 25.3.01

 

Am Mittwoch Nachmittag findet hier eine Protestversammlung der LehrerInnen statt, zu der ca. 2000 erwartet werden. (Protest gegen Regierung UND Gewerkschaft).

Die Leute sind z.T. sehr wütend über den "Verrat" durch die Gewerkschaft, protestieren in dieser Versammlung gegen Gehaltssenkungen, Mehrarbeit und Stellenabbau und dokumentieren ihre Streikbereitschaft. Die Versammlung wurde von einer Aktionsplattform von LehrerInnen "Gemeinsam sind wir stark" organisiert, die vor einigen Wochen entstanden ist und wo ich auch mitwirke.

Dort ist auch ein unbefristeter wilder Streik (da die Gewerkschaftsspitze ja gegen uns steht) ein Thema.

Die Kürzel (BBG, JNM) bezeichnen die neuen Gesetze. Im Dezember wurde das Budgetbegleitgesetz (BBG) beschlossen. Mit ihm sollen die Budgetsparzielle = Nulldefizit 2002, vor allem ein Stellenabbau im öffentlichen Dienst (Verwaltung, Schulen usw.) erreicht werden. Das BBG gilt für verschiedene verschiedene Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes, ein Teil betrifft die Lehrer höherer Schulen (Gymnasien, technische Lehranstalten und Handelsakademien). Die Bestimmungen dabei:

Bisher: Jede Schulklasse hat einen Klassenvorstand, d.h. einen Lehrer / eine Lehrerin, der / die sich um allgemeine Dinge in der Klasse kümmert, um soziale und organisatorische Anliegen. Bisher bekam man für diese Tätigkeit im Ausmaß einer Unterrichtsstunde bezahlt, bzw. die Klassenvorstandstätigkeit wurde als eine Stunde innerhalb der vollen Lehrverpflichtung (= 20 Unterrichtsstunden pro Woche, ohne Vor- und Nachbereitung) angerechnet. D.h., ein Klassenvorstand musste noch 19 Stunden unterrichten.

Damit ist es jetzt vorbei.

Während die Lehrer der höheren Schulen im Dezember schon einen Tag lang streikten, verzichtete die Gewerkschaft der Pflichtschullehrer (Volks- und Hauptschulen) auf Streik und arbeitete stattdessen ein "Alternativmodell" aus, das dieselben Einsparungen bringen sollte, jedoch angeblich sozial verträglich, gekoppelt mit einem Sozialplan (Vorruhestand). Die Gewerkschaft hat sich dabei eine völlig neue Berechnung der Jahresarbeitszeit, das sogenannte Jahresnormmodell (JNM), ausgedacht. Das Hinterhältige dabei war, dass sie bei den PflichtschullehrerInnen eine Abstimmung durchführte: Die LehrerInnen durften zwischen dem Regierungsmodell (Budgetbegleitgesetz) und dem Gewerkschaftsmodell (Jahresnormmodell) wählen, wenn man gegen beides votierte, war die Stimme ungültig. Die Gewerkschaftsfunktionäre machten Propaganda, das Gewerkschaftsmodell bekam die Mehrheit. In meiner Region aber stimmten fast 100 % gegen beide Sparmodelle, alle diese Stimmen waren aber ungültig. Die Gewerkschaft hat also den Einsparungen eine pseudodemokratische Legitimation ferpasst und dadurch jedem Widerstand den Boden entzogen.

Es stellt sich inzwischen heraus, dass das Gewerkschaftsmodell ärger als das Regierungsmodell ist (Gehaltsverlust von durchschnittlich 10 % des Gehalts), die Leute kommen sich von "ihrer" Gewerkschaft total verschaukelt vor, uns so kam es zum Widerstand vor allem auch gegen die Gewerkschaft. Viele Schulen führen ab sofort Boykottmaßnahmen durch, d.h. sie führen keine Schiwochen, Kulturwochen, Elternkontakte, Projekttage, alles, was so über den Normalunterricht hinausgeht, durch und wollen auch streiken (das Problem ist, dass ein solcher Streik ein wilder Streik wäre, da ihn die Gewerkschaft nicht genehmigt). In "meiner" Region kam es zum Zusammenschluss des Widerstandes an den höheren Schulen und an den Pflichtschulen, es wurde eine Aktionsplattform gegründet.

Zur Zeit spitzt sich die Sache zu: In den letzten 3 Monaten haben viele Schulen (Dienststellenversammlungen) und lokale Gewerkschaftssektionen und Komitees "die Wiederaufnahme der Streikbewegung" bzw. die Durchführung eines unbefristeten Streiks gefordert. Es sind in verschiedenen Teilen Österreichs (in Wien, aber auch hier in meiner Region) inzwischen Basis-Aktionskomitees aus engagierten Leuten entstanden, in ihnen wirken gewerkschaftliche Basis"funktionäre" (Gewerkschaftliche Betriebsausschüsse an den Schulen, PersonalvertreterInnen, aber genauso Leute ohne Funktion und Leute, die gar nicht bei der Gewerkschaft sind) mit. Die Gewerkschaftsleitungen (ie Leitungen der Bundessektionen Pflichtschullehrer und Höhere Schulen innerhalb der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) ist unter Druck geraten, es ist ein ziemlicher Kampf zwischen Basis und Gewerkschaftsspitze bzw. zwischen eher Linken und den Christgewerkschaftern, die häufig die Gewerkschaftsspitze vertreten, im Gange. Aber auch an der Basis gibt's genügend Zauderer (Angst über massiven Gehaltsausfall für den Fall, dass ein unbefristeter Streik zu lange gehen könnte.) Die Gewerkschaftsspitze spielt mit der Zeit und will und will den Streik nicht durchführen. Die wollen dogmatisch den sozialen Frieden aufrechterhalten, Verantwortung fürs Staatsganze übernehmen und dem Sparprogramm der Regierung keine Steine in den Weg legen. Seit Monaten sind sie angeblich "am Verhandeln", vertrösten, tauchen zwischendurch für längere Zeit ab und melden sich mit Pseudoergebnissen wieder bei der Basis zurück.

Kommende Woche lässt die Leitung der Lehrersektionen in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nun schon zum dritten Mal in diesem Schuljahr über Streik und Kampfmaßnahmen abstimmen, obwohl die KollegInnen schon zweimal für Streik votiert haben, und sie versuchen mit allen Tricks die Sache für sich zu entscheiden. Mir kommt vor, sie lassen so lange abstimmen, bis eine Mehrheit gegen Streik ist.

Am kommenden Mittwoch nachmittags findet eben die Versammlung, von der ich oben geschrieben habe, bei uns hier statt. In Wien versammeln sich zeitgleich LehrerInnen aus verschiedenen Schulbereichen beim Gebäude der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und wollen Druck auf die Gewerkschaftsspitze ausüben.


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