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Updated: 18.12.2012 15:51
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Morddrohung gegen Sprecher der besetzten Kachelfabik Zanon

In der Nacht zum 26. Februar hinterliess ein anonymer Anrufer mit verstellter Stimme eine Morddrohung auf dem Anrufbeantworter des Privattelefons von Raúl Godoy, dem Vorsitzenden der örtlichen Kachelarbeitergewerkschaft SOECN. Die Drohung bezog sich auf Raúl Godoy, seine Freundin und auf Alejandro López, der ebenfalls zur Leitung der SOECN gehört und bekannter Sprecher der besetzten Fabrik ist.

Die Kachelfabrik Zanon produziert seit drei Jahren “unter Arbeiterkontrolle”. In dieser Zeit haben die ArbeiterInnen die Produktion von 20000 m2 pro Monat auf 300000 m2 erhöht, und Einkommensmöglichkeiten für 170 weitere ArbeiterInnen geschaffen. Mittlerweile verdienen dort mehr als 430 ArbeiterInnen ihren Lebensunterhalt. Die Fabrik ist als herausragendes Beispiel von Arbeiterselbstverwaltung und Basisdemokratie in ganz Argentinien und über die Grenzen hinaus bekannt geworden. Die compañeros von Zanon haben ihre Erfahrung mit mehreren Auslandsreisen verbreitet; Raúl Godoy war im November 2003 in Deutschland, bei der Internationalen Konferenz von TIE und bei Veranstaltungen in mehreren Städten.

Die Fabrik Zanon befindet sich in Neuquén (Patagonien), einer Provinz, deren Gouverneur Sobisch als Hardliner gilt. Ende letzten Jahres gab es von Seiten der Provinzregierung eine neue Räumungsdrohung gegen die besetzte Fabrik. Zanon hat als einziger der besetzten Betriebe in Argentinien bisher keinerlei Legalisierung erreicht. Im Februar hätte der Konkurs der Firma erklärt werden sollen. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass der Betrieb der von den Zanon-ArbeiterInnen gegründeten Kooperative FaSinPat (Fábrica sin Patrones – Fabrik ohne Chefs) überlassen würde. Stattdessen hat der Konkursrichter das “Cram-Down”-Verfahren eröffnet: die Fabrik wird für Investoren zum Kauf ausgeschrieben. Den ArbeiterInnen wird damit ebenfalls “angeboten”, als Investoren aufzutreten und die Fabrik zu kaufen. Zu diesem Thema fand am 18.2. im Hof der Fabrik eine der Vollversammlungen statt, bei denen sich die ArbeiterInnen regelmässig treffen, um eine gesamte Schicht lang zu diskutieren. Dort wurde das Cram-Down-Verfahren, das Spekulanten und Strohmännern Tür und Tor öffnet, sowie der Vorschlag, die Fabrik mitsamt der 170 Millionen Pesos Schulden von Zanon zu übernehmen, einhellig verurteilt. In einer öffentlichen Erklärung haben die compañeros von Zanon klargestellt, dass sie mit den Schulden dieses Unternehmers nichts zu tun haben. Sie fordern stattdessen weiterhin, dass ihre Arbeiterselbstverwaltung anerkannt, und dass die Fabrik endgültig enteignet und ihrer Kooperative zur Verfügung gestellt wird. Sobald die Ausschreibung eröffnet ist, wird es weitere Mobilisierungen der Zanon-ArbeiterInnen geben – um eventuellen Investoren klar zu machen, dass sie mit dieser Fabrik und diesen ArbeiterInnen nichts zu lachen haben werden. Sollte sich kein Investor finden, wäre der Weg frei für die Konkurserklärung und die Übernahme durch die Kooperative.

Die ArbeiterInnen von Zanon sehen die Morddrohungen gegen ihre Sprecher als Teil der Eskalationsstrategie der Provinzregierung gegen die sozialen Bewegungen. Provinzinnenminister Manganaro hat in einer öffentlichen Rede Ende letzten Jahres die Arbeiter von Zanon als Lügner, Betrüger und Gesetzesbrecher bezeichnet, gegen die endlich vorgegangen werden müsse. In diesem Klima liegt die Vermutung nahe, dass auch die Morddrohungen aus der Regierungsecke kommen. Mit solchen finsteren Methoden werden nicht nur die compañeros von Zanon verfolgt, sondern auch offizielle Persönlichkeiten. Wenige Tage vorher hatten zwei JustizbeamtInnen, die für Kinder- und Jugendschutz zuständig sind, ebenfalls telefonische Morddrohungen erhalten. Sie hatten sich gegen eine Verschärfung der Gesetze gegen Jugendliche ausgesprochen, die Innenminister Manganaro vorantreibt. Wegen dieser Vorfälle reiste sogar der Menschenrechts-Sekretär der Regierung Kirchner in die Provinz. Er versprach die Einrichtung eines Büros zur Beobachtung der Menschenrechtslage. Ansonsten könne er aber nichts machen, da diese Fragen in die Kompetenz der Provinzregierung fallen...

In Argentinien sitzen 40 Menschen wegen Protestaktionen im Knast, und 4000 haben offene Strafverfahren laufen, wegen Teilnahme an Aktionen in den letzten Jahren. In der Provinz Neuquén wird am 7. März ein Verfahren gegen mehrere Leute eröffnet, die an dem Volksaufstand in dem Erdölstädtchen Cutral-Co vor acht Jahren beteiligt gewesen sein sollen. Dieser Aufstand gilt als Geburtsstunde der piqueteros, der organisierten Arbeitslosen, die mit Strassenblockaden Druck machen. Bei dem Verfahren in Cutral Co, wie bei vielen anderen Verfahren in Argentinien, geht es um langjährige Knaststrafen. Gegen die verschärfte Repression unter der Provinzregierung Sobisch rufen die ArbeiterInnen von Zanon gemeinsam mit weiteren Organisationen für morgen, 3.März, zu einer Demonstration in Neuquén auf, und zu einer Karawane nach Cutral Co am folgenden Montag, um die Angeklagten bei ihrem Prozess zu begleiten.

Alix Arnold (Argentinien)


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