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Updated: 18.12.2012 15:51 |
"Generalstreik" auf dem Land: Wieviele argentinische Bauern heissen eigentlich Cargill - oder Perón? Straßenblockaden quer durchs ganze Land, größer werdende Protestdemonstrationen gegen die Regierung Kirchner 2, Auseinandersetzungen mit Regierungsanhängern auf den Straßen, Plätzen und in den Medien: der Protest "der Bauern" gegen die Besteuerung der Lebensmittelexporte prägt das aktuelle Geschehen in Argentinien. Seit rund drei Wochen verschärft sich der Ton - und die Reaktionen und Stellungnahmen sowie Aktivitäten dazu zeigen auch das übrig gebliebene linke Lager höchst uneinheitlich. Während Gruppierungen, die sich am "Wiederaufbau" des Landes nach der sozialen Katastrophe zur Jarhundertwende hemmungslos bereicherten - nicht zuletzt große Unternehmen des auch hier rapide wachsenden Sojasektors - die unsoziale Politik der Regierung kritisieren, kritisieren diverse Strömungen der regierenden peronistischen Partei die "antinationalen Machenschaften" der Oligarchie. Die beiden großen Gewerkschaftsverbände reagieren unterschiedlich: Die (peronistische) CGTA auf Seiten der Regierung, die (immer noch nicht offiziell anerkannte) CTA im Bündnis mit der Kleinbauernvereinigung, die ebenfalls protestiert. Die aktuelle Materialsammlung "Sojastreik?" vom 3. April 2008 versucht einen Überblick - und einen Einblick in Gründe, warum die "Fronten" der Auseinandersetzung manches Mal bizarr erscheinen... Sojastreik? Seit Mitte März spitzen sich die Auseinandersetzungen in Argentinien zu: Bauern leisten Widerstand nennen es die einen, wenn immer öfter Bilder von Traktoren, die Straßen blockieren auch im Internet verbreitet sind. Die anderen sagen: Es ist die traditionelle Oligarchie, die Widerstand gegen die Exportsteuer (vor allem für Soja) der Regierung Kirchner leistet. In den Städten nehmen die Demonstrationen pro und contra Regierung laufend zu, die Medien leisten, je nach Ausrichtung, massive Mobilisierungsarbeit für beide Seiten. Inzwischen liegen über 70 Frachtschiffe leer in argentinischen Häfen und die Handelskonzerne wie Cargill, die Soja zumeist einkaufen, mobilisieren Medien weltweit. Einen ersten Eindruck davon, dass die Entwicklung durchaus nicht einheitlich und schon gar nicht einfach zu bewerten ist, bringt die Demonstrationsreportage "El K-chetazo" beim alternativen Netzportal "lavaca" vom 26. März 2008. Dort werden zwei Rechtsanwälte ztiert, die beide an der Demonstration gegen die Regierung teilnehmen: Der eine ist ein traditioneller Rechter, die andere eine von der Regierung enttäuschte Kirchner-Wählerin. Der eine kritisiert die neue Steuer und die Politik der Regierung, die die Amnestie für die Militärdiktatoren aufhebe, die andere fordert eine höhere Steuer für Agrofirmen und Großgrundbesitzer und eine konsequentere Verfolgung der Verbrecher. Und dieser Beitrag bei lavaca ist kein Einzelfall: Wo auch immer konkret über Demonstrationen berichtet wird, fällt schnell auf, wie uneinheitlich die Gründe der DemonstrantInnen sind. Silberne Kochtöpfe Die Massenproteste, von Kochtopfpercussion begleitet, haben spätestens seit der Jahrhundertwende in Argentinien Tradition - und auch diesmal wird getrommelt, nur: oft genug auf silbernen Kochtöpfen statt der berühmten Aluprodukte. Die wichtigsten ländlichen Organisationen Sociedad Rural, Confederaciones Rurales Argentinas, Coninagro und Federación Agraria Argentina gehören, in unterschiedlicher Weise selbstverständlich zum Establishment der herrschenden Klasse und damit auch ins peronistische Gesellschaftsnetz. Als die argentinische Staatsgewalt mit dem "Massaker von Avellaneda" die Piqueterobewegung blutig unterdrückte, war einer der wichtigsten Einpeitscher gegen die "Subversion" der damalige Chef der Sociedad Rural Enrique Crotto, erinnert der redaktionelle Beitrag "La sociedad sojera parece recuperar la armonía entre sus partes" vom 28. März 2008 in "Prensa de Frente", der im weiteren unterstreicht, dass das "Projekt Soja" ein gemeinsames Projekt eben dieser Agrarvereinigungen und der Regierung sei, das lediglich Abstimmungsprobleme habe. Wie diese "Sojabauern" in den letzten Jahren abkassiert haben wird in dem Blogbeitrag "Las cacerolas de plata" des Journalisten Enrique Gil Ibarra vom 26. März 2008 angedeutet, der beispielsweise ausführt, dass ein Besitzer von 300 Hektar Sojapflanzungen bereits einen jährlichen Reingewinn von rund 180.000 US Dollar erzielt und darauf verweist, dass es unter den "Streikenden" jede Menge Besitzer von 1.000 oder 1.5000 Hektar Soja gäbe. "¿Retenciones, control estatal de las exportaciones (monopolio de la Junta Nacional de Granos) o reino del 'mercado'?" heisst die Stellungnahme des Movimiento de Campesinos de Santiago del Estero vom 25. März 2008 bei Indymedia Argentinien: In dieser wird einer der Gründe für die komplizierte Situation genannt, indem die Federación Agraria Argentina heftig dafür kritisiert wird, dass sie als Gruppierung vorwiegend von Kleinbauern, nie die Entschlossenheit aufgebracht habe, sich von den Organisationen der Großgrundbesitzer und des Agrokapitals zu trennen, und stattdessen hingenommen habe, dass im Zuge der Etablierung der "Sojarepublik" etwa 30.000 Bauern ihr Land verloren hätten. Gewerkschaftliche "Widerspiegelung" Der als alternativ (zur traditionellen CGTA) geltende Gewerkschaftsbund CTA hatte am 25. März 2008 die Erklärung "Postura frente al conflicto agropecuario" veröffentlicht, mit der eine differenzierte Besteuerung je nach Bewirtschaftungsgröße gefordert und verteidigt wird. Des weiteren unterstreicht die CTA die Notwendigkeit dass, in Zusammenarbeit mit demokratischen Organisationen des Landes wie Federación Agraria Argentina- FAA, Movimiento Campesino de Santiago del Estero- MoCaSE, und Produzentenkooperativen eine neue Agrarpolitik gemeinsam entwickelt werde. Währenddessen der strategische Partner der CTA, eben die FAA, unterstreicht, es werde zu unkontrollierbaren Folgerungen kommen, wenn die Besteuerung nicht rückgängig gemacht werde. Am selben Tag veröffentlichte die traditionelle argentinische Gewerkschaftszentrale CGT eine Erklärung "The CGT against the Oligarchy and Its Proxies' Destabilization" unterzeichnet unter anderem vom Generalsekretär Hugo Moyano (die englische Übersetzung, auf die hier verwiesen wird, ist im Maganzinblog der "Monthly Review" publiziert...). Hier wird klar und eindeutig für die Regierung Stellung genommen (die habe eine wirksames Sozialprogramm für kleinbauern aufgelegt, wird dabei behauptet) und darauf verwiesen (ohne darin einen Widerspruch zum Regierungslob zu sehen) dass 900 Oligarchen 35 Millionen Hektar Land besäßen, während 137.000 Produzenten gerade einmal zwei Million Hektar bewirtschafteten.Auch ansonsten gibt es Stellungnahmen und Aktivitäten von allen denkbaren Seiten her: von den Armenpriestern über einen Zusammenschluss von Fachökonomen zu diversen Organisationen aus der Provinz und jeder linken Gruppierung. Ein wachsender Teil dieser Linken vertritt eine Position, wie sie die (trotzkistisch inspirierte) PTS (Partei der Sozialistischen Arbeiter) in einem Kommuniqué vom 31. März 2008 vertritt: "Ni con el Gobierno ni con la oligarquía" - und neben der Enteignung der Großgrundbesitzer und des Agrokapitals auch die Abschaffung wieterhin geltender Gesetze der Militärdiktatur für die LandarbeiterInnen fordert. Zusammengestellt von hrw |