Auskommen mit Einkommen

Folge 2: Möchte bitte

Gehen Sie eigentlich gern zur Arbeit? Ich schon. Naja, meistens. Sagen wir zu 80 Prozent. Das sind vier von fünf Tagen, also die ganze Woche außer Montag.

Ist schon seltsam, dass ich gerne zur Arbeit gehe. Könnte mich ja auch zuhause gut amüsieren. Am Wochenende und im Urlaub klappt das hervorragend.

Mir ist allerdings aufgefallen, dass ich in der Freizeit höhere Ansprüche stelle. Meine Kinder achten emsig darauf, dass ihr Vater nicht ohne Arbeit ist. Gefällt mir aber meist nicht, Tassen aufzuheben oder die Reste des Frühstücks mit dem Staubsauger wegzuräumen.
Und bei so viel kindlicher Fürsorge lege ich auch noch Wert auf die Form:
„Papa, ich will was trinken!“
„Wie heißt das?“
„Ich möchte bitte was trinken.“
Manchmal der störrische Widerstand: „Ich kann nicht `möchte bitte’ sagen.“

Im Büro bin ich weit weniger pedantisch. Die Weingummis des Kollegen verschwinden ohne große Bittefloskeln in meiner Hand. Als Dank gebe ich zu hören: „Die sind gut. Kannst du öfter kaufen.“ Meine Kinder könnten es nicht besser.

Dieser Wechsel im Kommunikationsverhalten braucht allerdings eine Weile und erreicht seinen Höhepunkt immer am Freitagmittag. Der Kollege revanchiert sich einstweilen mit ähnlichen Nettigkeiten. Und dabei entwickelt sich ein munterer Schlagabtausch im Laufe der Woche, ohne den die Arbeit nur halb so attraktiv wäre. Kindisch, aber wirkungsvoll.

Am Wochenende verläuft der Prozess dann umgekehrt. Bürosprache aus – Elternsprache an. Deswegen ist der Montag auch so gefährlich.
„Ich brauche Ihren Monatsbericht bis 12 Uhr.“
„Das heißt `möchte bitte’!“
Wie die Antwort des Vorgesetzten ausfallen würde, weiß ich nicht. Vermutlich „Ich kann nicht `möchte bitte’ sagen.“

Bjørn Jagnow – www.bjoernjagnow.de