express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

Nr. 9/2000
http://www.labournet.de/express/

 

Zu dieser Ausgabe

 

"Die Zeiten kommen, die Zeiten ändern sich: Wo gestern eine Kirche stand, ist heute eine ..."

Als Variation des alten Fidel Castro-Zitats lässt sich fast jeder Beitrag der vorliegenden Ausgabe lesen:
Wo vorher "Friedensmission" drauf stand, ist zwar immer noch Bundeswehr drin, doch sie soll künftig auch "interventionsfähig" werden. So jedenfalls die Vorstellungen des Bundesverteidigungsministeriums oder der Expertenkommission zur Zukunft des Wehrdienstes unter Weizsäcker. Dazu gehört auch der sukzessive Umbau der bisherigen Rekrutierungsgrundlagen – weg von der allgemeinen Wehrpflicht, hin zu einem deutlich höheren Anteil von BerufssoldatInnen.

Christa Sonnenfeld untersucht, was diese "Neukonzeptionierung der Bundeswehr" für den Bereich des Zivildienstes bedeuten würde: Auf welcher gesetzlichen Grundlage könnte der Zivildienst, der ja immer ‘nur’ ein "nicht-militärischer Ersatzdienst" war, dann weiter aufrechterhalten werden? Welche Szenarien gibt es für den Entfall der bisherigen Rekrutierungsmaßnahmen? Wie sollen die Lücken geschlossen werden, die die Zivildienstleistenden mit ihren Tätigkeiten im zumeist sozialen und pflegerischen Bereich bislang zu Billigst-Konditionen füllen? Zwischen Freiwilligem Sozialem Jahr und Appell an die BürgerInnenpflicht sieht und begründet sie die Gefahr einer Anwendung des existierenden gesetzlichen Instrumentariums aus BSHG und SGB III, d.h. den Arbeitszwang, nun auch für den Bereich der Sozialen Arbeit. Anderen Zusammenhängen zwischen Beschäftigungspolitik und Umbau der Bundeswehr geht Reiner Herth in seinem Beitrag nach: Er sieht in den diversen Plänen zur Neudefinition der Bundeswehr nicht nur eine "zweite Wiederbewaffnung", sondern weist auch auf die zahlreichen mittlerweile existierenden Kooperationsabkommen zwischen Bundeswehr und zivilen Arbeitgebern hin. Die Verzahnung von militärischen und zivilen gesellschaftlichen Arbeitsbereichen führe jedoch, so seine These, nicht zu einer Zivilisierung des Militärs, sondern schaffe zusätzliche Akzeptanz für dessen Notwendigkeit. Sofern die Gewerkschaften daran nicht ohnehin, wie ÖTV und DAG, per Kooperationsvereinbarungen beteiligt seien oder wie die IGM explizit an der Notwendigkeit der Bundeswehr festhielten, stünden sie diesen Entwicklungen bislang weitgehend kommentarlos gegenüber – auch das war einmal anders in der Geschichte (s.o.).

Über einen recht schnellen Gezeitenwechsel im Gefilde der HBV berichtet Anton Kobel in seinem Beitrag über deren diesjährige Tarifrunde. Ein knappes dreiviertel Jahr dauerte es, bis die HBV ihre Kritik an den Modellen zum Einstieg in eine generelle Privatisierung der Altersvorsorge vergessen hatte und mit ihren Abschlüssen in diese Richtung den Boden bereitete.

Derzeit sieht es auch in den übrigen Einzelgewerkschaften des DGB nicht so aus, als ob es noch eine große Bereitschaft dazu gäbe, sich gegen die Riestersche Rente öffentlichkeitswirksam aus dem Fenster zu lehnen, sprich: die noch vor kurzem für den Herbst versprochene Mobilisierung ins Laufen zu bringen. Doch auch der Herbst wird vorbei gehen, und dann kann man sich bald schon wieder daran machen, von neuem zu vergessen. Vorher soll allerdings noch die dritte Bundeskonferenz der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken stattfinden – wir berichteten bereits mehrfach, doch bevor es jemand vergisst: Sie findet vom 27.-28.10. in Frankfurt/M. statt (Infos s. S. 15).

Und damit uns allen anlässlich des bevorstehenden Feiertages auch wieder einfällt, für welche Kirche(n) dieser steht, laden wir alle LeserInnen herzlich zu einem munteren kleinen "Memory" (pardon: "DDR-Gedächtnisspiel" ein (zu bestellen über: VEB Inkognito, 030-614 10 44).