letzte Änderung am 11. Juli 2002

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Express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/02

Editorial

 

Geneigte Leserinnen und Leser,

kaum konnte sich der Hauch eines Eindrucks festsetzen, die Gewerkschaften hätten sich mit den diesjährigen Tarifrunden, der Gesundheitskampagne, dem »Nein« zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und den Demonstrationen für das Tariftreuegesetz »ein Stück weit« vom Geiste der Berliner Republik und deren mit »modernisiertem« nationalem, pardon »patriotischem« (Josef Fischer), Selbstbewusstsein vorgetragenen In- und Auslandseinsätzen emanzipiert, muss man ein entsprechend konzipiertes Editorial schon wieder umschmeißen. Es ist auf die deutschen Gewerkschaften eben doch noch mehr Verlass als auf selbigen Fußball. Das rot-grüne »Management by Tipp-Kick« jedenfalls funktioniert prächtig. Da der Auf-stieg aus der Vorrunde in der Liga der Maastricht-Player nach der gelben Karte zur Staatsverschuldung und den unhalbiert hohen Arbeitslosenzahlen gefährdet scheint, gar ein mögliches Ausscheiden im Monat der Ereignisse von Weltbedeutung nicht ausgeschlossen werden kann, überlässt man jetzt dem Christoph Daum des Arbeitslosenstatistikbereinigungsbusiness’ die Aufstellung: Peter Hartz heißt der Maniker, der seine diesbezüglichen Qualifikationen bereits bei dem staatlichen Zuschussunternehmen »5000 x 5000« unter Beweis gestellt hat und jetzt testhalber die Puppen zum Tanzen bringt. Und sie tanzen, als wär’s nach seiner Pfeife: Zwickel, Engelen-Kefer, Sommer passen sich die Bälle zu, Bsirske steht noch im Abseits, aber der hat sich schon mit seinem jüngsten »ver.di-Papier« zur Gesundheitspolitik als gekonnter Umfaller erwiesen (siehe »verdi vs. Bsirske«, S. 3). »Sag Ja zur Ich AG oder Du musst Dich vor Deutschland verantworten« – mit dieser Drohung braucht man unseren Jungs und Mädels aber gar nicht zu kommen. »I want to believe«, nach dieser Devise haben sie sich längst gegen jegliche Rationalität und für den puren Aberglauben in Bezug auf eine Beschäftigungspolitik entschieden, die ohnehin, wie Heinz Bierbaum im Rahmen einer express-Veranstaltung jüngsthin ausführte, dieses Prädikat schon lange nicht mehr verdiene, sondern bestenfalls noch auf individuelle »Vermittelbarkeit« setze. Da sich Extreme, wie man seit Gottvater und Sohn wissen kann, in sich mitnichten vermitteln, braucht’s etwas Drittes in der Mitte. Entsprechend religiös geht’s zu: Pauschalierung des Arbeitslosengeldes ja, aber bitte ohne Kürzung; Ausweitung der Leiharbeit ja, aber bitte ohne Reduktion der Kernbelegschaften; Zeitarbeit ja, aber ohne Lohndifferenzen zu Festanstellun-gen; mehr individuelle Beratung in Arbeitsämtern ja, aber ohne mehr Geld und Personal für diese; staatlich bezuschusste Selbständigkeit ja, aber ohne mehr Scheinselbstständige usw. usf. Das ist der Stoff, aus dem die Mythen der Moderne sind.

Kein Grund zum Feiern sollte man denken – wir tun’s trotzdem, denn aus Widersprüchen lässt sich auch lernen, und laden Euch alle herzlich dazu ein:

»Das Fest« – 40 Jahre express

Es gibt einen Termin: 14. September, 14 Uhr bis open end, und einen Ort: Bürger(!)haus Bornheim in Frankfurt a.M. Es gibt Musik, es gibt Kabarett, eine Ausstellung, eine »interaktive Chronik« und »Zurufe« von GenossInnen, Ex-GenossInnen, WegbegleiterInnen, IndividualistInnen, AnhängerInnen der BürgerInnenrechte und VertreterInnen (der Idee) des Proletariats u.v.m.

Uuuuund: Inhalte. »Organizing the battlefield« oder etwas seriöser: »Voraussetzungen emanzipatorischer Gewerkschaftsarbeit auf der Höhe des Weltmarktes«, das wäre es, um was es uns geht. Zwischen »Any-thing goes« und »Rien ne va plus« gibt es dazu im Moment jede Menge Anregungen und Abgrenzungen, die aus der Auseinandersetzung mit Negri/Hardts »Empire« entstanden sind, das daher einen thematischen Bezugsrahmen für die Diskussionsveranstaltung und für die nächsten Ausgaben bilden soll. (S. auch neben-stehenden Beitrag)

Ein genaues Programm folgt in der nächsten, der Jubiläumsausgabe des express, die nach unserer Sommerpause Ende August erscheint. Bis dahin wünschen wir Euch einen heißen Sommer und kühlen Kopf.

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