express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/02

editorial

Im 40. Jahr seines Bestehens legt sich der express unter dem Motto »auf dass die Texte laufen lernen« ein neues Gewand zu. Dieses Relaunch wird begleitet von einer regelmäßigen Erinnerung an Debatten, die hier geführt wurden – wohl einige Jahre alt, aber nichtsdestotrotz aktuell. Als Weinkenner hat man keine Angst vor altem Wein in neuen Schläuchen. Deshalb beginnen wir unsere Dokumentationsreihe mit einem Text von Helmut Schauer aus dem Jahr 1988. Dass wir mit diesem Text anfangen, hat allerdings einen traurigen Anlass: Helmut Schauer ist am 12. November letzten Jahres gestorben. In seinem Nachruf erinnert Joachim Beerhorst u.a. an dessen Teilnahme und Mitgestaltung des Kongresses »Notstand der Demokratie« 1966, dessen Schlusserklärung wir hier aus aktuellem Anlass ebenfalls abdrucken. Bis auf wenige Formulierungen könnte sie auch heute am Ende eines Kongresses gegen den »Otto-Katalog« stehen. Mit dem gravierenden Unterschied aber, dass heute wirklich Krieg geführt und nicht nur »gespielt« wird, oder dass eine gesellschaftliche Gegenbewegung wie die dem Jahr 1966 folgende nicht in Sicht scheint. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre irritierend wirkt der scheinbar noch ungebrochene Glaube an das Grundgesetz, das durch die Politik der Notstandsgesetze gewissermaßen »missbraucht« worden sei. Ähnliche Vorstellungen finden wir allerdings in der Erklärung »Wir haben es satt« der kritischen DDR-Oppositionellen, die sich damit wieder in die politische Arena zurückmelden. Auch hier ist die »Idee« des Rechtsstaats der Maßstab ihrer Kritik am Abbau desselben, statt diesen Abbau als immanentes Moment des Rechtsstaats zu begreifen und zu kritisieren.

Bleibt trotzdem zu hoffen, dass diesem Protest eine ähnliche Bewegung folgt wie dem Notstandskongress.