»Feierliche Atmosphäre« in Washington

IWF-Gegner bewerten Proteste gegen Frühjahrstagung als Erfolg

 

Am Montag, dem letzten Tag der Proteste gegen Internationalen Währungsfonds (IWF) und Weltbank, ging die Polizei von Washington D.C. erneut gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor. Nur zwei Häuserblocks von den Tagungsorten entfernt feuerten die Beamten in den frühen Morgenstunden Tränengas ab und knüppelten auf Demonstranten ein, die wie am Vortag Menschenketten bildeten und Barrikaden errichteten, um Downtown Washington »dichtzumachen«. Die Zahl der seit Samstag festgenommenen IWF-Gegner erhöhte sich auf 1 300.

Der Bürobezirk um die Gebäude von IWF und Weltbank sowie am Weißen Haus war von den Behörden zum diplomatischen Hoheitsgebiet erklärt und einer Festung gleich abgeriegelt worden. Am Montag durften Büroangestellte freinehmen. Außerdem hatte die Stadt die Mehrzahl der 750 IWF- und Weltbankfunktionäre an beiden Sitzungstagen schon um fünf Uhr morgens mit bewaffneten Eskorten an den Tagungsort geleitet.

Deshalb operierte Polizeichef Charles Ramsey nach einem »flexiblen« Konzept: blockieren lassen, wenn es nicht stört, »Knüppel und Tränengas frei«, wenn der Tagungsverlauf es erfordert.

Am Sonntag waren 35 000 Demonstranten mit Sprechchören entlang der Absperrgitter um das Areal gezogen, wo ein belagerter IWF tagte. Draußen mischten sich vermummte Junganarchisten mit Pazifisten aus der Ökoszene, Feministinnen plauderten mit den »Studenten gegen Sweatshops«, gewaltfreie Gruppen drängten allzu neugierige FBI-Agenten sanft auf die andere Straßenseite, und US-Grüne hielten im Schatten vor den Barrikaden ein Schläfchen. Am Nachmittag schlossen sich Gewerkschafter und traditionelle Linke, die auf der »Ellipse«, einem nahegelegenen Park, eine Großkundgebung gegen IWF und Weltbank abgehalten hatten, den Blockadeaktionen an.

Ein für US-Verhältnisse einzigartiges Bild bot das Bündnis aus Gewerkschaftern und anderen sozialen Bewegungen, das bei den Protesten gegen die Welthandelsorganisation in Seattle entstanden war. Noch Anfang der 70er Jahre hatten gewerkschaftlich organisierte Bauarbeiter in der New Yorker Wall Street Vietnamkriegs-Gegner zusammengeschlagen. Doch der ehemals antikommunistische Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO verfolgt angesichts des Schwundes seiner Mitglieder seit Mitte der 90er Jahre eine Öffnungspolitik nach innen und außen.

Am Montag setzten rund 5 000 standhafte IWF-Gegner die Proteste trotz Dauerregens in der militarisierten Innenstadt fort. Die Behörden schränkten das Demonstrationsrecht ein, um den Geschäftsbetrieb am ersten Wochentag aufrechtzuerhalten. Das »taktische Komitee« des Demonstrationsbündnisses hatte beschlossen, die Polizeibarrieren zu überrennen und die Tagung als krönenden Abschluß zu stürmen. Doch angesichts der großen Medienpräsenz wurden »verhandelte Festnahmen« beschlossen. Mehr als 500 Demonstranten ließen sich am Nachmittag ohne Gegenwehr von der Polizei verhaften.

Zu recht sprachen die Organisatoren von »Mobilization for Global Justice« nach drei Tagen Spannung von einer »feierlichen Atmosphäre«. Ein Jahr zuvor hatten in Washington nur zwei Dutzend protestiert. Die Funktionäre von IWF und Weltbank hätten »sich daran gewöhnt, ihren Geschäften in der Anonymität nachzugehen, weit weg von der Öffentlichkeit«, sagte eine Sprecherin, »das haben wir diese Woche für immer geändert«. Die nationalen und internationalen Finanzmanager dagegen starrten auf die derzeitigen Achterbahnbewegungen der Aktienkurse wie das Kaninchen auf die Schlange. Und angesichts der weltweiten Kritik beschlossen sie »Armutslinderung« und »interne Reformen« - die alte verlogene Leier.

Max Böhnel, Washington

Der Artikel erscheint zeitgleich in: Junge Welt


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