17.4.2000, Washington

 

Das Frühjahrstreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank zu verhindern, ist den Demonstranten am ersten Protesttag in Washington nicht gelungen. Doch schon jetzt ist von einem politischen Punktsieg zu sprechen.

Die befürchteten Konfrontationen blieben bis Montagmorgen (Ortszeit) aus, obwohl 5000 frisch aufgerüstete Polizisten und der Secret Service schon einen Tag vor dem offiziellen Tagungsbeginn deutlich gemacht hatten, daß Regelverstöße nicht geduldet werden würden. Am frühen Samstagmorgen ritten Cops und Feuerwehr völlig überraschend im Hauptquartier des Bündnisses "Mobilization for Global Justice" ein und schlossen es aus "feuerpolizeilichen Gründen". Am Nachmittag kam es aus heiterem Himmel zu einer Massenfestnahme von etwa 650 Demonstranten, die sich friedlich vom US-Justizministerium zu den Gebäuden von IWF und Weltbank bewegten und gegen das Strafrechts- und Gefängnissystem protestierten.

Am Sonntag befanden sich schon um sechs Uhr morgens Hunderte von IWF-Gegnern in Downtown Washington, um mit Menschenketten und Barrikaden die Funktionäre des internationalen Finanzsystems von ihrem Treffen abzuhalten. Die Hauptquartiere von IWF und Weltbank war auf 90 Straßenblöcke mit Polizeisperren abgeriegelt. Auf zwei Kilometern rund um den Tagungsort bildeten ab sieben Uhr Tausende an fast 20 Straßenkreuzungen Ketten, um den Verkehr zu stoppen. Das Ziel des Anti-IWF-Bündnisses: "Shut Washington down !"

Doch die Behörden von Washington hatten aus den Demonstrationen von Seattle im Dezember die Lehre gezogen und reagierten flexibel. An den Stellen, wo die Finanzmanager mit einem extra organisierten Busdienst zum Tagungsort durchdringen wollten, setzte die Polizei gezielt Gewalt ein. Doch die meisten IWF-Delegierten waren schon im Morgengrauen eingetroffen. An anderen Stellen ließ die Polizei die Mehrzahl der Demonstranten einfach gewähren. Mehrfach schossen die Beamten Tränen- und Pfeffergas in besonders widerständige Protestgruppen, mehrfach knueppelten sie einfach wahllos daruf los. Andere Menschen, die sich auf die Straßen gesetzt hatten, wurden weggeschleift.

Dabei kam es zu mehreren Dutzend Festnahmen. Der Washingtoner Polizeichef Charles Ramsey ließ es sich nicht nehmen, vor Ort mit einzelnen Demonstranten zu sprechen. Gegenüber Journalisten schätzte er die Zahl der aktiv an den Blockaden Beteiligten auf 10.000. "Wir müssen ihnen auch ein bißchen etwas geben. Andernfalls, wenn wir ihnen alles wegnehmen, würde es gewalttätig werden", erklaerte Ramsey das Polizeikonzept, die Demonstranten seien "sehr, sehr gut organisiert. So etwas hat es hier bisher nicht gegeben".

Gewerkschafter, Grüne und Linke sprachen dagegen einhellig von einem "historischen Bündnis", das in den USA nach Jahrzehnten äußerster Distanz bis hin zu offener Feinschaft endlich konkrete Züge annehme.

Auf der "Ellipse", einem Großpark hinter dem Weißen Haus und unweit der Blockadeaktionen, versammelten sich am Sonntagmorgen weitere Zehntausend zu einer genehmigten Kundgebung gegen die Politik von IWF und Weltbank. Mit Riesenapplaus wurde dabei eine linke Delegation begrüßt, die aus Bolivien angereist war. Dort hatte ein breites Bündnis vor Kurzem für die Lahmlegung des gesamten Landes gesorgt und die Privatisierung der staatlichen Wasserwerke verhindert - und damit ein "Strukturanpassungsprogramm" des IWF zu Fall gebracht. Am Nachmittag formierten die Kundgebungsteilnehmer einen beeindruckenden Demonstrationszug und schlossen sich den autonomen und studentischen Gruppen mit einer riesigen Menschenkette an.

Am Montagnachmittag sollten die Blockadeaktionen gegen die Tagung fortgesetzt werden. Doch die Polizei kündigte an, die Unterbrechung des Geschäftsbetriebs am ersten Wochentag zu unterbinden und unverzüglich zu Festnahmen zu schreiten.

Während Bündnis-Sprecher am Sonntagabend von einem "Fest des Widerstands" sprachen, herrschte bei der offiziellen Finanzwelt eher peinliches Schweigen. IWF-Sprecher versprachen aus dem umzingelten Gebäude kleinlaut "Armutlinderung" und "Reformen". Andere wiederum starren weiterhin bangen Blickes auf die heftig ausschlagenenden Kurven der Aktienmärkte. Am Freitag war das wöchentliche Spekulationsvermögen auf einen Schlag um 2 Billionen Dollar geschrumpft.

Max Böhnel, Washington


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