Bericht aus den gesperrten Straßen von Washington DC

von Greg Ruggiero 15. April 2000

Aggressives Vorgehen der Polizei und Massenfestnahmen in den Straßen von Washington DC

 

Heute morgen führte die Polizei im "Zentrum" eine Razzia durch, in dem AktivistInnen Gewaltlosigkeitstrainings machten, Propagandamaterial herstellten, freie Mahlzeiten, Informationen und Kondome verteilten und taktische Pläne für die Demonstrationen aufstellten. Unter dem Vorwand der "Feuerschutzbestimmungen" räumte die Polizei das Zentrum und verhinderte, daß die OrganisatorInnen Propagandamaterial, Kostüme etc. mit hinausnahmen. Örtliche Kirchen standen sofort als alternative Räume zur Verfügung und die Übungen zum zivilen Ungehorsam und Medientraining konnten ohne Unterbrechung für den Rest des Tages weiterlaufen.

Um 15.30 Uhr schloß ich mich den AktivistInnen vor dem Justizministerium für eine Demonstration gegen das US-Gefängnissystem an. Nach einer halben Stunde von Redebeiträgen verließen Hunderte von DemonstrantInnen den Platz und gingen in Richtung IWF und Weltbank. Die Zahl der DemonstrantInnen wuchs unterwegs von Hunderten auf Tausende an. Auf halber Strecke telefonierte ich mit Mike Eisenmenger im Independent Media Centre (IMC) um zu berichten, daß die Bullen eine strikte Kontrolle aufrechthalten wollten, ganze Einheiten von Polizisten mit Motorrädern scheuchten DemonstrantInnen von den Straßen und zurück auf die Fußwege. Polizeiblockaden bestimmten den Weg und die Richtung der Demonstration. Trotzdem war die Motivation hoch, wir wurden immer mehr und unsere Stimmen und Trommeln übertönten den Lärm der Hubschrauber über uns.

Als wir an der Krezung der "I" und 20 Street NW ankamen, überwand die Menge die Polizei und wir gingen auf die Straßen und riefen: "Wem gehören die Straßen? UNS!" Nur ein paar Minuten später hielt die Demonstration an der Kreuzung 20th Street und "K". Die Polizei wartete schon auf uns und hatte die Kreuzung mit einer regulären Division der Stadtpolizei gesperrt. Der Demozug hielt, aber die Sprechchöre und Redebeiträge durch Megaphon gingen weiter.

Ungefähr 20 Minuten später erkannte die Menge: unsere Straße, dicht gedrängt mit DemonstrantInnen, war vom Rest der Demo abgeschnitten und von Bullen eingekesselt. An beiden Enden der Straße hatte die Polizei den Zugang abgeriegelt und hielt uns alle, ca. 500-600 DemonstrantInnen, fest. Ich telefonierte gerade mit Eisenmenger als ein gepanzertes Fahrzeug hinter den Polizeilinien auf der Kreuzung 20th/"K" ankam. Als eine Flotte von großen gelben Schulbussen hinter dem gepanzerten Fahrzeug anrollte, wurde allen die Lage klar: sie bereiteten sich auf Massenfestnahmen aller eingekesselten DemonstrantInnen vor. IAC-OrganisatorInnen begannen mit Hilfe ihrer Megaphone, die Leute auf die Festnahmen vorzubereiten. Eisenmenger und seine Leute kamen an. Er rief mich auf meinem Handy an und wir konnten uns durch die Linie der Polizei sehen. Mit Hilfe der Handies gab ich einen Videoreport über die Lage in der abgesperrten Straße durch.

Jessica K. Glass und fünf, sechs andere Journalisten vom IMC waren mit eingekesselt. Während es bürgerlichen Journalisten erlaubt wurde, den Kessel zu verlassen, durften die Leute von Independent Media nicht raus. Jessica versuchte, mit den Bullen zu verhandeln, aber das führte zu nichts. Die einzigen, die raus durften, war die bürgerliche Presse.

Eine Menge von UnterstützerInnen fing an, sich hinter der Absperrung an der Kreuzung 20th/"K" zu versammeln und es gab Sprechchöre: "Let them go, let them go, let them go!" Leutnant Jeff Harold von der Polizei in DC rollte mit seinem Motorrad an und übernahm die Mitte der Polizeikette. Er sagte ungefähr: "Sie haben ohne Genehmigung demonstriert. Festnahmen werden sofort erfolgen." Dann gab er einen Befehl und von beiden Seiten marschierte die Riot-Polizei geschlossen auf uns zu; sie grunzten alle bei jedem Schritt wie Conan. Sie schlossen uns schnell enger ein. Ich wählte schnell ein paar Freunde in New York an, beschrieb unsere Lage, und bat darum, meine Familie zu verständigen, wenn ich mich innerhalb von 24 Stunden nicht wieder melden konnte. Als die Bullen von beiden Seiten anrückten, ging die Menge aus der Mitte der Straße weg an die Seiten. Gerade als es ganz danach aussah, daß ich während der A16 im Bau sitze, sah ich, wie ein Team von zwei Journalisten der bürgerlichen Presse auf die Bullenkette zulief und ihre Presseausweise hochhielt; sie wollten noch durch, bevor ihre Handgelenke Plastikverzierungen bekamen. Ich schloß mich ihnen schnell an, hielt meine Kamera wie einen Presseausweis hoch und hielt die Luft an, während ich durch die Bullenkette lief. Ich war unheimlich froh als ich es geschafft hatte und versuchte sofort, Jessica über ihr Handy zu erreichen, um ihr zu sagen, wie sie da rauskommen könnte. Aber sie hatte kein Glück. Nur ein paar Minuten später fotografierte ich, wie die Bullen ihre Hände auf den Rücken zwangen, ihr Plastikhandschellen anlegten und sie durch den Regen zu einem der Gefängnisbusse abführten. Als sie abgeführt wurde, rief ihr ein IMC Video-Mitarbeiter eine Interviewfrage zu: "Warum bist du hier?" Jessica antwortete: "Um die Nachrichten zu verbreiten, die die Konzernpresse niemals bringen wird. Um die Medien zu befreien! Um die Medien zu befreien!"

So sieht die Demokratie am 15. April 2000 aus.

 

For complete coverage of all the D.C. protests see: www.indymedia.org
Translation: AFD Hamburg I-AFD_2@anarch.free.de
Quelle: A - I N F O S N E W S S E R V I C E: http://www.ainfos.ca/

 


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