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Updated: 18.12.2012 15:51
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Rede am 1. Mai 2007 bei der DGB-Kundgebung in Schwäbisch Hall

Sabine Leidig (Geschäftsführerin im Attac-Bundesbüro)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich will euch zu Beginn eine Passage aus dem 1.Mai-Aufruf vorlesen, den der Europäische Gewerkschaftsbund in diesem Jahr gemeinsam mit Attac Europa veröffentlicht hat:

"Sie werden nicht durchkommen!
Die unbelehrbaren Eliten der mächtigsten Staaten der Welt treffen sich Anfang Juni zum G8-Gipfel in Deutschland. Die G8 steht noch immer für eine Weltwirtschaftspolitik, die an den Rendite-Interessen der Finanzanleger und Konzerne ausrichtet ist. Sie verfolgen seit nun bald 20 Jahren den Plan, die Investoren gegen politische Veränderungen und demokratische Kontrolle zu versichern. Die Staatshaushalte sollen den Aktionären die entgangenen Gewinne ersetzen, wenn sich die Spielregeln ändern, weil wir stärker werden.

Aber: wir werden sie stoppen!
Die andere Welt wird sich unüberhörbar zu Wort melden und für eine Globalisierung von unten einstehen: für gleiche soziale, politische und kulturelle Rechte aller Menschen, für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, für die Garantie öffentlicher Güter und für globale soziale Gerechtigkeit - für unsere Losung: Mensch und Umwelt vor Profit!

Wir widersetzen uns und blockieren!
Gewerkschaften und Globalisierungskritiker aus ganz Europa rufen auf: Beteiligt euch alle an den gewaltfreien Massenblockaden! Gemeinsam werden wir dieses Treffen verhindern und die G8 zum scheitern bringen." (so weit der Text)

Vielleicht staunt ihr jetzt, dass diesem G8-Gipfeltreffen eine so große Bedeutung zugemessen wird, dass wir das starke Kampfmittel der Straßenblockade einsetzen wollen .. aber die Diskussionen in den Aktionsbündnissen und Sozialforen im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass die G8 als Symbol für die Interessenpolitik der Kapitalseite steht. Und auf diesem Gipfel-Treffen werden die demokratischen Fortschritte in Frage gestellt, die wir in den letzten Jahren erreicht haben. Deshalb haben die meisten Basisgruppen diese Aktionsform unterstützt.

In den kommenden Wochen werden die TrainerInnen aus der Werkstatt für gewaltfreie Aktionen, von Greenpeace und von den Waldheide-Veteranen auch hier vor Ort sein, damit sich möglichst viele Bezugsgruppen schon gut vorbereitet haben .. ich hoffe, ihr euch da beteiligen könnt. Weil wir ja nicht alle Tage solchen widerstand leisten. Bei mir ist es jedenfalls schon 8 Jahre her. Das war damals im Herbst 2007, als wir mit den gemeinsamen Streik- und Blockadeaktionen die Privatisierung unserer Bahn verhindert haben. Kurz nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm. Bestimmt erinnern sich auch noch viele von euch daran.

Ich will euch diese Geschichte noch mal ins Gedächtnis rufen, weil ich glaube, dass dort ein Schlüssel liegt zu einer Reihe von erfolgreichen Auseinandersetzungen, die wir in der Zwischenzeit gemeinsam geführt haben:

Da waren zum Einen die G8-Gipfel-Proteste mit der eindrucksvollen internationalen Demonstration in Rostock. Damals hatte der DGB zwar nicht aufgerufen, aber es sind doch eine Menge GewerkschafterInnen da gewesen - viele junge, aber auch die Kollegen vom Hamburger Hafen, etliche die gerade gegen die Konzernstrategen kämpften bei Allianz, Siemens und Daimler-Crysler. Eine ganze Reihe Mitglieder aus den Gewerkschaftsvorständen waren auf dem Alternativgipfel und einige haben sich auch an den Blockaden beteiligt - was übrigens ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Polizei nicht wie befürchtet gleich Tränengas und Knüppel eingesetzt hat.

Wir waren alle ziemlich motiviert und irgendwie ermutigt, weil so viele Leute aus verschiedenen Ländern und den unterschiedlichsten Gruppen zusammen gekommen waren in diesem Protest - dazu noch die vielen KünstlerInnen und Konzerte.

Beim Alternativ-Gipfel, in einem Workshop zum Thema Bahnprivatisierung mit Frank Bsirske, Leuten von RobinWood, Attac und Kollegen aus England wurde dann die Idee ausgebrütet, dass die Tarifrunde mit Aktionswochen vom Bündnis "Bahn für Alle" verbunden werden könnte. Und weil es in vielen Städten schon Aktive Grüppchen gab, und eine gut besuchte Internetseite und E-Mail-Verteiler war es möglich in ein paar Monaten die organisatorischen Vorbereitungen zu treffen. Im Oktober dann der flächendeckende Streik von TRANSNET, GdL und Ver.di für gute Löhne bei einer Bahn für Alle. Dazu die angekündigten Blockaden gegen den Börsengang der Bahn vor den großen Bahnhöfen, bei denen sich ja erstaunlich viele Leute angeschlossen haben. Das Wichtigste war vielleicht, dass sich die Umweltverbände offensiv hinter uns gestellt haben. Schließlich war die Klimadebatte gerade in aller Munde. Dass sich Angela Merkel als Umweltengel aufspielte und gleichzeitig die Bundesregierung das Verkehrssystem aus der Hand geben wollte, das wirklich eine ökologische Perspektive bietet für Transport und Mobilität, das war so offensichtlich verlogen, dass selbst im Heute-Journal unsere Aktionen große Sympathie hatten. Dazu kamen noch die Solidaritätsaktionen bei Bombadier und in vielen anderen Betrieben, wo bei Betriebsversammlungen Unterschriften gesammelt wurden, dann die Solidaritätskonzerte und unser DeineBahn-Lied, das ein richtiger Hit geworden ist. Wir konnten in der Öffentlichkeit, in den Fernseh- und Zeitungsberichten und Interviews erklären, dass mehr Personal, soziale Sicherheit und ordentliche Einkommen notwendig sind, um die Bahn sicher und pünktlich zu machen, dass diese Infrastruktur ein gesellschaftliches Gut ist, das demokratisch gestaltet und ausgebaut werden muss und nicht an den Gewinninteressen von Gasprom oder anderen Ivestoren orientiert sein darf. Die Leute haben viel diskutiert über diese Fragen und ihre erfahrungen aus anderen Bereichen eingebracht. Das war großartig! Wir hatten das Privatisierungsgesetz nach zwei Wochen endgültig gekippt und damit einen richtigen Meilenstein gesetzt, oder vielmehr eine Welle ausgelöst.

Denn seither ist ja wirklich viel in Bewegung geraten!

Das zeigte sich schon ganz deutlich bei der Bundestagswahl 2009, wo die Klimaallianz 9% und die Linkspartei 21% der Stimmen bekommen hatten und plötzlich eine echte starke Opposition da war.

Dass die große Koalition kurz davor endlich einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 € die Stunde eingeführt hatte (aus Angst vorm Wähler), hat sie nicht vor dem Absturz gerettet, der dann zur Ampelkoalition geführt hat.

In den Jahren danach ist es uns endlich gelungen, die große Gesellschaftsdebatte anzustoßen, in der wir noch immer intensiv drin stecken. Die Frage lautet endlich: "Wie wollen wir leben?" Sie lautet nicht mehr: "Was tut den Unternehmen gut?"

Letztere Frage ist in einer zwar Marktwirtschaft durchaus bedeutend, aber zunächst muss ein Gemeinwesen Kriterien für "ein gutes Leben" aushandeln und dann die Frage beantworten, was denn die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche dazu beitragen könnten. Wir wollen so leben, dass eine intakte Umwelt, eine friedliche Welt, eine Wohlstand produzierende Volkswirtschaft und auskömmliche Arbeitsbeziehungen die Basis bilden für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Einzelnen sollen möglichst viele Möglichkeiten haben, um ein selbst bestimmtes, freies Leben zu führen, ohne den "gesellschaftlich anderen" aus dem Blick zu verlieren. Im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens stünde also der Mensch - nicht das Unternehmen. Dann erst ist die Frage zu beantworten, wie denn das zu bewerkstelligen wäre. Es geht nicht nur um ökonomische Probleme, es geht um die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt.

Mit dem Umbau der Bürgerbahn haben wir ja schon wichtige Erfahrungen gesammelt, wie sich so ein Prozess organisieren lässt:

Hier in der Region ist der 15-Minuten-Taktverkehr nach Stuttgart, Heilbronn und Fürth eingeführt worden, weil bei den Bürgerumfragen klar geworden ist, dass die Leute das brauchen. Und die vielen neuen Arbeitsplätze, die Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche für die Bahnbeschäftigten, die Verbindung mit dem Gütertransport...das alles hat das Leben hier besser gemacht.

Ok, am Anfang war es nicht so leicht - vor allem ungewohnt in den regionalen Bahnräten zu sitzen mit den Umweltschützern und Seniorengruppen, Schülersprechern und Einzelhändlern... die Vertreter der Beschäftigten hatten nicht immer gleich offene Ohren. Aber überall da, wo die Landratsämter gute Moderatorinnen geschult hatten, sind doch recht schnell vernünftige Entscheidungen gefallen.

Zur Zeit wird die Einrichtung von europäischen Energieräten vorbereitet - eine wirklich spannende Geschichte - Ich habe gehört, dass aus Schwäbisch Hall zwei Kollegen vom kommunalen Kraftwerk da engagiert sind.

Es wird Zeit, dass wir in diesem Bereich weiter kommen, weil es nicht reicht, eon, Vattenfall, enbw, und RWE zu enteignen. Das hat die neue Regierung ja versprochen und auch umgesetzt. Jetzt geht es darum, mit den Fachleuten die Modellprojekte auszuwerten und dann vor Ort Umbauprogramme umzusetzen, - Niedrigenergiehäuser, noch mehr Reparaturwerkstätten, Solar, Wind, Erdwärme und vor allem die müssen wir betrieblichen Umwelt- Initiativgruppen stark machen.

Das neue Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass Experten und Einwohner einbezogen werden können, es gibt eine Initiativrecht und Zugriff auf den Öko-Umbau-Fond, mit dem Unternehmen finanziell unterstützt werden, wenn die Gewerkschaften vor Ort das befürwortet. Es gibt eine super gute Internetplattform, wo jede Menge konkrete Lösungen und Erfindungen vorgestellt werden - bitte helft mit, denn der CO²- Ausstoß muss bis 2050 um 80% reduziert werden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich will jetzt den Bogen schlagen zum Anfang meiner Rede und zum Aufruf zu den G8- Protesten:

ihr kämpft zur Zeit, wie die Gewerkschaften in fast allen europäischen Ländern, um die Anhebung des Mindestlohnes. " Du hast mehr verdient" ist das Motto - "15 € ist das Mindeste!"

Ich denke die Chancen stehen nicht schlecht, dass diese Kampagne Wirkung zeigt, vor allem weil die Migrantenorganisationen einbezogen sind - und da sind wirklich viele kämpferische und fantasievolle KollegInnen dabei und natürlich weil wir im letzten Jahr eine sozial- ökologische Regierung gewählt haben, die die Kräfteverhältnisse in Europa ziemlich nach links rückt.

Aber wenn es den G8 gelingt, das Investorenschutz-Abkommen durchzudrücken, dann werden z.B. Siemens, Lidl und Aldi, die nach der EU- Dienstleistungsrichtlinie ihren Firmensitz nach England oder Ungarn verlegt haben, die entgangenen Gewinne für die Auslandsinvestitionen hier bei der Bundesregierung einklagen - Gewinne, die sie verlieren, weil die Mindestlöhne steigen. Das wäre ein enormes finanzielles Drohpotential - überall auf der ganzen Welt würde die Macht der Konzerne gegen die Menschen wieder gestärkt.

Deshalb: Macht mit beim Gegenwind gegen G8:
Massenblockaden 2015 und internationale Protestdemonstrationen schon in 4 Wochen - am 2. Juni 2007 Juni in Rostock - eine Chance Veränderungen anzustoßen!


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