letzte Änderung am 15. Oktober 2003 | |
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Von Felix Koltermann
Es ist Sonntag morgen, acht Uhr. Draussen vor der chiapanekischen Stadt San Cristobal de las Casas, treffen immer mehr Leute ein, um sich im Morgennebel auf fuenf Busse zu verteilen. Von hier aus wird die Karawane der Zivilgesellschaft aus Chiapas, dem suedlichsten Bundesstaates Mexikos, zur fuenften Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO starten. An Bord der Busse sind fast zu gleichen Teilen Mitglieder von NGO's aus Chiapas und Mitglieder indigener Gemeinden und auslaendische Aktivisten. Lange wurde diese Karawane vorbereitet und Moeglichkeiten gesucht, ueber Spenden den Indigenas aus den armen Gemeinden die Mitfahrt zu ermoeglichen. Fuer die Mobilisierung in den indigenen Gemeinden hatte man eigens einen Film gedreht, der sich mit den Auswirkungen der Liberalisierungspolitik im Rahmen der WTO auf die Gemeinden auseinandersetzt. Fuer Montag Mittag, den 8. September, war die Ankunft im mexikanischen Karibikbad Cancun geplant. Zum Erstaunen aller waren die erwartenden Kontrollen auf der Strecke weitestgehend ausgeblieben. Etwas schwerer hatte es die Karawane aus Mexiko Stadt, die auf der Strecke mehrmals von Polizei und Militaer angehalten und kontrolliert wurde. Trotzdem kamen im Laufe des Tages immer mehr Aktivisten und Karawanen auf dem Gelaende des Baseballstadions Beto Avila an, wo sie das internationale Camp fuer die Tage des Protestes gegen die WTO beherbergen sollte. Nur den Aktivisten aus Mittelamerika wurde durch horrende Visumkosten von bis zu 100 Dollar die Einreise quasi unmoeglich gemacht. Die angereiste Zivilgesellschaft war Aufrufen nationaler und internationaler NGO's gefolgt, sich an den Protesten gegen die WTO zu beteiligen. Trotz der so unterschiedlichen Regionen, aus denen die Leute angereist waren, einte alle die Sorge um eine Globalisierung, die aus den Fugen geraet, festgemacht an einer supranationalen Macht wie der Welthandelsorganisation WTO, die immer staerker ins Leben der Menschen eingreift.
Um die Konferenz im Kongresszentrum auf der Halbinsel Cancuns vor Protesten zu schuetzen, wurden Tausende Polizisten nach Cancun verlegt und schweres Polizeigeraet aus dem Norden herangeschafft. Von Beginn der offiziellen Konferenz an versperrten grosse Metallzaeune den Zugang zur roten Zone. Mussten sich Touristen wie Beschaeftigte starken Kontrollen unterziehen. Jeden Kilometer auf der ueber 20 km langen Halbinsel gab es Strassensperren.
Die offizielle Konferenz fand vom 10.-14. September im Kongresszentrum auf der Halbinsel Cancuns statt. Eingeladen waren Delegierte aller 148 Mitgliedsstaaten der WTO, Journalisten und NGO's. In Cancun sollte eine Bilanz der seit zwei Jahren laufenden Welthandelsrunde der Konferenz van Doha gezogen werden. Unter dem Namen "Entwicklungsrunde" sollte insbesondere auf die Belange der Entwicklungslaender eingegangen werden. In Cancun sollten unter anderem das Dienstleistungsabkommen GATS und das Abkommen ueber geistiges Eigentum TRIPS einer Ueberpruefung unterzogen werden, sowie ueber die Forderung der Industrienationen ueber die Aufnahme von Verhandlungen ueber die sogenannten Singapurthemen (Investitionen, Oeffentliches Beschaffungswesen, Wettbewerb, Handelserleichterungen) diskutiert werden. Auch die Liberalisierung des Agrarhandels war ein wichtiges Thema im Vorfeld.
Der Ursprung der WTO: Die Welthandelsorganisation ging 1994 aus dem AIlgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT hervor und gruendete sich auf der Konferenz von Marrakesch als eigenstaendige Organisation, mit dem Ziel, die weltweite Liberalisierung voranzutreiben. Das hoechste Gremium der WTO ist die alle zwei Jahre stattfindende Ministerkonferenz, die die Rahmen-beschluesse trifft und die Tagesordnung der Verhandlungen festlegt. In Genf sitzt unter dem Generalsekretaer Supachai Pantichpakdi das Sekretariat, das alle Aktivitaeten koordiniert. Die eigentliche politische Fuehrung der WTO obliegt dem allgmeinen Rat, der sich aus den staendigen Vertretern der Mitgliedslaender in Genf zusammensetzt. Ein sehr wichtiges Organ der WTO ist die Streitschlichtungsstelle, die von Staaten sowie Konzernen angerufen werden kann, wenn sie der Ansicht sind, dass ihre Rechte verletzt wurden.
Die Abkommen innerhalb der WTO:
Die WTO will die Liberalisierung des Welthandels durch Oeffnung der Grenzen fuer jegliche Waren und Gueter sowie den Abbau von Zollschranken vorantreiben. Das Konkurrenzprinzip (alle sollen in allen Laendern gleiche Bedingungen haben) und das Marktgesetz ( der Markt regelt alles) sollen auf alle Bereiche angewandt werden. Dies soll innerhalb von fast zwei Dutzend Abkommen geschehen, von denen die wichtigsten das alte GATT (Warenhandel), das GATS (Dienstleistungen), das TRIPS (Geistiges Eigentum) und das AoA (Landwirtschaft) sind.
Die Kritik, die von vielen Seiten an die WTO herangetragen wird, ist sehr vielschichtig. Da gibt es zum einen die inhaltliche Kritik vor allem von NGO's aus dem Sueden an den Agrar- verhandlungen, worauf ich noch weiter eingehen werde. Dann gibt es besonders in Europa und den USA Kampagnen gegen die Privatisierung oeffentlicher Dienstleistungen. Die groesste Befuerchtung ist, dass die Grundversorgung einer Gesellschaft bei der Privatisierung z.B. des Wassersektors gefaehrdet wird. Immer wieder wird der WTO auch ein Demokratiedefizit vorgeworfen. Offiziell werden zwar alle Beschluesse im Konsens gefasst, aber unzweifelhaft verfuegen die grossen Indrustienationen Europas und die USA ueber einige Druckmittel um andere Laender auf ihre Seite zu ziehen. Die Erfahrung zeigt, dass solche Druckmittel auch immer wieder eingesetzt werden
Das Foro de los Pueblos
Das "Foro de los Pueblos" (Forum der Voelker),das vom 9.-14. September stattfand, sollte der Platz sein, ueber die Kritik am herrschenden Weltwirtschaftssystem zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und Alternativen zu entwickeln. Egal ob beim Forum der deutchen Heinrich-Boell-Stiftung im klimatisierten Best-Western Hotel, dem Foro Campesino der Bauernorganisation Via Campesina in einer Turnhalle oder dem internationalen Gewerkschaftstreffen im Theater Cancuns. Es gab ein breites Angebot von Veranstaltungen, groesserer oder kleinerer Art, zu den unterschiedlichsten Themen,die alle mehr oder weniger mit dem Welthandel und dem Widerstand dagegen zu tun hatten. Ein kleines Programmheft mit Stadtplan, vom Willkommenskomittee der Stadt herausgegeben, half die Tagesplanung zu erleichtern.
Das Foro Campesino
Die Veranstaltungen begannen schon am 8. September mit dem von der Via Campesina organisierten internationalen Kleinbauernforum, zwei Tage vor Beginn der offiziellen Konferenz. Dort ging es um verschiedene Themen, die die Landwirtschaft, insbesondere der Entwicklungslaender betreffen, wie gentechnisch veraendertes Saatgut, Biopiraterie, nachhaltige Landwirtschaft und Umweltschutz. In grossen und kleinern Arbeitsgruppen wurden diese Themen intensiv diskutiert. In der Mehrzahl waren Campesinos (mex.=Kleinbauern) aus aus Mexiko anwesend, aber auch Delegationen aus Mittelamerika, Europa, den USA und Asien. Am Ende der dreitaegigen Konferenz wurde eine Erklaerung von Cancun verabschiedet. Darin forderten die Campesinos die Ausklammerung der Agrarfrage aus der WTO, das Recht auf Lebensmittelsouveraenitaet, den Schutz ihrer Gemeinschaften, das Verbot gentechnisch- veraenderter Produkte und der Patentierung von Lebewesen. Man hatte sich dafuer entschieden, dieses Dokument nicht offiziell der WTO zu uebergeben, da man dort keinerlei Spielraum fuer Reformen sieht.
Die EZLN in Cancun
Ueberraschenderweise wurden auf einem dieser Foren mehrere Grussbotschaften der EZLN (Zapatistisches Heer der Nationalen Befreiung) aus Chiapas verlesen. Darin bedankten sich Subcommandante Marcos und die Komandantes Esther und David fuer die Einladung zum Forum, das sie als wichtiges Treffen des Widerstandes gegen den Neoliberalismus bezeichneten, und unterstuetzten die Forderungen der Campesinos. "Die Erde, die wir bearbeiten gehoert uns", so Comandante David, "nicht den Banken oder denjenigen, die Duengemittel und Pestizide verkaufen und gentechnisch veraendertes Saatgut foerdern. Die Erde gehoert auch nicht denjenigen die sie als Ware ansehen, sie kaufen und verkaufen, zerstoeren und toeten." Als einen Weg des Widerstandes ging er auf die autonomen zapatistischen Gemeinden ein: "Und unser Wort, Brueder und Schwestern, ist das der Autonomie und des Widerstandes". Es war das erste Mal das die Zapatisten, die sich 1994 unter anderem aus Protest gegen den Eintritt Mexikos in die nordamerikanische Freihandleszone NAFTA erhoben hatten, sich direkt in internationale Foren gegen den Neoliberalismus einschalteten.
Das Foro Boell
Mehrtaegig war auch das Forum der Heinrich Boell Stiftung. An einem zentralen Ort inmitten des Zentrums von Cancun gelegen, fanden viele Menschen den Weg dorthin. Die diversen Veranstaltungen deckten fast alle Bereiche der WTO-Verhandlungen ab. So ging es um die Themen Dienstleistungen, die Liberalisierung des Wassermarktes, kulturelle Vielfalt und Lebenmittel-souveraenitaet. Viele nahmhafte Referenten brachten ihre Kritik an der WTO an.
Alternativen zum Neoliberalismus
Auf der Halbinsel, wo auch das Tagungszentrum der WTO lag, fanden ebenfalls verrschiedene Veranstaltungen statt. So lud das "International Forum on Globalisation" (IFG) am 10. September namhafte Referenten unter dem Thema "Alternativen zur Globalisierung und zur WTO" in das Theater Cancuns ein. Den Weg in den klimatisierten Saal fanden jedoch nur wenige Aktivisten aus Cancun, da seit dem Morgen ein grosser Metallzaun den Zugang zur Hotelzone versperrte.
Zwei Tage, spaeter diskutierten nur unweit entfernt von RMALC eingeladene Experten ueber die Alternativen zu neoliberalen Wirtschaftsabkommen. Insbesondere Lateinamerika ist von zahlreichen Freihandelsabkommen und deren negativen Folgen betroffen, wie ich im folgenden erlaeutern werde.
NAFTA und ALCA
Die wichtigste Freihandelszone Amerikas ,die NAFTA, wurde 1994 gegründet und erstreckt sich von Kanada über die USA bis nach Mexiko. Viele der dort umgesetzten Liberalislerungen und Deregulierungen wie der Investitionsschutz gelten als beispielhaft fuer die WTO. Mexiko hat außerdem noch ein Freihandelsabkommen mit der EU. Und auch die Laender Mittelamerikas verbindet ein eigenes Abkommen. Geplant ist, bis 2005 eine Freihandelszone fuer ganz Amerika zu schaffen (ALCA). Insbesondere die USA versuchen darin auf regionaler Ebene das umzusetzen, was innerhalb der WTO als nicht machbar erscheint.
Die negativen Folgen
Da die NAFTA am laengsten existiert, lassen sich an ihr am besten die negativen Folgen des Abkommens beschreiben. Diese Folgen zeigen sich insbesondere in der Landwirtschaft. Dort stehen sich eine hochsubventionierte und industrialisierte Landwirtschaft auf Seiten der USA und eine hauptsaechlich kleinbaeuerliche Land-wirtschaft auf Seiten Mexikos gegenueber. In Mexiko sind Millionen von Menschen auf das schmale Einkommen aus kleinbaeuerlicher Taetigkeit angewiesen. In den letzten Jahren wurde duch billige Importe aus den USA jedoch viel kleinbaeuerliche Landwirtschaft in den Ruin getrieben. Diesen Menschen bleibt entweder nur die Migration in die mexikanischen Staedte oder die illegale Einwanderung in die USA.
Die Bedeutung des Mais
Aldo Gonzalez, Vertreter der indigenen Campesinos aus Oaxaca (Mexiko), erklaerte die Bedeutung des Mais auf einem Forum folgendermassen: "Der Mais, Haupt- nahrungsmittel unserer Gemeinden, wie der Mehrheit der Mexikaner, ist Teil unserer indigenen Kultur. Er ist Teil unserer Geschichte, denn unsere Vorfahren waren es, die ihn in jahrhundertelanger Arbeit zur Nutzpflanze umzuechteten. Heute wird dieses Erbe von genmanipuliertem Mais aus den USA bedroht, der nicht wieder ausgesaeht werden kann und den wir teuer einkaufen muessen."
Militarisierung und Wirtschaftsabkommen
Sehr aufschlussreich war, wie auf verschiedenen Veranstaltungen der Zusammenhang beispielsweise zwischen dem PPP (Plan Puebla Panama) und einer zunehmenden Militarisierung der vom Plan betroffenen Regionen hergestellt wurde. Die Aufstandsbekaempfung wird als ein zentraler Aspekt dieses Planes betrachtet, der offiziell die marginalisierten Regionen entwickeln soll, letztlich aber die Selbstbestimmung lokaler Gemeinschaften voellig negiert und die Bevoelkerung nur als billige Arbeitskraft fuer die geplanten freien Produktionszonen (Maquiladoras) ansieht. Ein Vertreter einer den Zapatisten nahestehenden Organisation aus Chiapas schloss mit seiner Schilderung des Widerstandes gegen diese Aktivitaeten den Bogen zur Rebellion in Chiapas. Er war als Teil einer Karawane der chiapanekischen Zivilgesellschaft zu den Protesten nach Cancun gekommen.
Das Alternativkonzept
Auf den verschiedenen Foren wurden auch einige Alternativkonzepte zu den aktuellen Entwicklungen in Lateinamerika diskutiert. Gemeinsam war vielen Vorschlaegen, dass sie von einer Entwicklung des Lokalen ausgehen. D.h. zuerst sollen die baeuerlichen Comunidades ihr Gleichgewicht finden und davon ausgehend eine Entwicklung auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene voran getrieben werden. Dabei soll wichtigstes Merkmal stets die Befriedigung der Grundbeduerfnisse einer Gesellschaft, insbesondere die Lebensmittelsouveraenitaet und der demokratische Zugang zu Ressourcen sein. Privatisierungen, wie in der Politik supranationaler Organisationen (WTO und Weltbank) vorgesehen, wurde eine starke Absage erteilt. Alberto Arroyos Botschaft von RMALC war, wir "muessen streiten fuer das, was wir sein koennen und sein wollen und nicht das, was wir sein sollen."
Bauernmarsch und Maertyrertod
Bleibenden Eindruck hinterliessen die Campesinos von "Via Campesina” mit einem Marsch am 10. September zum Abschluss ihres dreitaegigen Forums ueber Lebensmittelsouveraenitaet. Sie demonstrierten gemeinsam mit einem grossen Spektrum anderer Gruppen, von vermummten Anarchisten, Studenten und internationalen Vertretern bis hin zu mexikanischen Indigena-Gruppen. Ca. 15,000 Menschen zogen zu den Absperrungen am Eingang zur roten Zone. Hauptforderung war die Ausklammerung des Agrarthemas aus den WTO-Verhandlungen, die Ablehnung von Patenten an Lebewesen sowie gentechnisch veraenderter Lebensmittel. Waehrend dieser Demonstration beging der koreanische Bauer Lee Kyung Hae Selbstmord aus Protest gegen die toedliche WTO Liberalisierungspolitik. Lee war Teil einer 150-koepfigen Delegation aus Korea, die fuer die Zeit der Proteste in Cancun weilte. In der Folge stand sein Tod im Mittelpunkt zahlreicher Veranstaltungen, wurden Gedenkminuten und Mayazeremonien zu seinem Tod abgehalten. "Wir alle sind Lee" wurde zum praegenden Sprechchor.
Abschlussdemo
Fuer den 13. September war die grosse Abschlussdemo des "Foro de los Pueblos" geplant. Leider nahmen daran nur ca. 6-8000 Menschen teil. Es war vor allem ein bunter und lauter Marsch, der vom internationalen Camp im Baseballstadion zu den verstaerkten Absperrungen am km 0 der roten Zone zog. Dort lief dann der vorher abgesprochen Plan ab. Vermummte Frauengruppen bildeten Menschenketten und fingen unter deren Schutz an, die Drahtzaeune aufzuschneiden. Nach getaner Arbeit kamen die koreanischen Aktivisten und rissen mit dicken Tauen eine Bresche in die Absperrung. Die Polizei sah all dem tatenlos zu. Vor der Bresche liessen sich Hunderte Demonstranten auf der Strasse nieder, beschuetzt vom Mondgott La Luna und hielten im Angesicht gepanzerter Polizeifahrzeuge eine Kundgebung ab. Zu keinem Zeitpunkt war das Eindringen in die rote Zone geplant gewesen. Es sollte ausschliesslich um den symbolischen Sieg gehen.
Die Agrarfrage
Das Thema Landwirtschaft stand in Cancun von Anfang an im Vordergrund der offiziellen Verhandlungen. Unversoehnlich standen sich sich die USA und die EU, die nicht von ihrer hochsubventionierten Landwirtschaft lassen wollen, und die Entwicklungs- und Schwellenlaender, angefuehrt von den G21(die Agrarexporteure unter den Entwicklungs- und Schwellenlaendern angeführt von Brasilien und Indien) gegenueber. Ueber die insbesondere in Europa als sehr wichtig eingeschaetzten Abkommen wie GATS oder TRIPS wurde kaum verhandelt.
Das Ende der Konferenz
Dass die offizielle Konferenz zu einem Fiasko wurde, war nicht so sehr auf den Druck der Strasse zurueckzufuehren, sondern auf die konsequente Weigerung der G-21 und einiger Entwicklungslaender, neue Verhandlungen zu den sogenannten Singapur- Themen (Investitionen, Oeffentliches Beschaffungswesen, etc.) aufzunehmen und einem desastroesen Agrarkompromiss zuzustimmen. Dass es der WTO nicht gelang, auf der nur alle zwei Jahre stattfindenden Ministerkonferenz weiter reichende Beschluesse zu fassen, ist als grosses Scheitern zu werten. Nichts desto trotz werden die Koepfe der Welthandelselite wie der US-Amerikaner Zoellick und der WTO Generalsekretaer Supachai Panitchpakdi weiter versuchen in Geheimverhandlungen im WTO-Sitz in Genf und in bilateralen Gespraechen das Moegliche aus dieser Verhandllungsrunde, die offiziell im Dezember zu Ende gehen soll, herauszuholen. Bis, wie es das Motto der Proteste in Cancún war, die WTO entgleist ist (Descarrillemos a al OMC), ist es daher noch ein weiter Weg.
Dass die Proteste in Cancun weniger Massenhaft als geplant ausfielen, ist kaum den Organisatoren anzulasten, die ihr Moeglichstes taten. Cancun ist eben doch recht weit von Europa und den USA entfernt. Ein Manko war, dass viele Veranstaltungen eher Insidertreffs informierter Menschen glichen. Cancun als Stadt war genausowenig in die Proteste integriert wie in die offizielle Konferenz. Fuer die WTO sind die Argumente und Aengste, die von der Strasse und zahlreichen NGO’s kommen, weiterhin eher ein Sicherheitsrisiko denn ernstzunehmende Kritik, auch wenn es einige NGO's bis in die WTO-Salons geschafft haben. Dort duerfen die NGOs zwar ihre Meinung kundtun, aber Einfluss auf die Prozesse haben sie nicht. Umso mehr haben die grossen NGOs dann denjenigen gefehlt, die die negativen Folgen der Liberalisierung des Weltagranhandels am meisten zu spueren bekommen haben, den Bauern auf dem "Foro Campesino". Von Cancun ging der erste Aufruf zum Sozialforum der Amerikas im naechsten Jahr in Quito aus. Die Botschaft ist, dass man weiterhin bereit ist, fuer eine andere Welt zu kaempfen. Denn auch wenn die Konferenz von Cancun gescheitert ist, so ist die Welt noch kein Stueck besser, geschweige denn anders geworden.
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