letzte Änderung am 24. November 2003 | |
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Auch seine Partei gehöre doch zur Familie der fortschrittlichten Kräfte, betonte Kader Arif. Er ist nationaler Beauftragter der französischen Sozialistischen Partei für Globalisierung und warb vor mehr als 2000 Globalisierungskritikern für seine Organisation. Eigentlich waren auf den Veranstaltungen des zweiten Europäischen Sozialforums in Paris, das am Samstag mit einer Großdemonstration zu Ende ging, keine Parteien zugelassen. Mit einer Ausnahme: Auf zwei Konfrontationsveranstaltungen mit den sozialen Bewegungen sollten Parteivertreter Rede und Antwort stehen.
Aber nicht nach Konfrontation, nach Umarmung stand der Sozialistischen Partei der Sinn. Der Bürgermeister von Paris, auch er ist Mitglied der Partei, stellte mit einer Million Euro fast ein Drittel der Gesamtkosten des Sozialforums. Auch die konservative Regierung, nicht einmal zu den Konfrontationsveranstaltungen eingeladen, buhlte um die Gunst der Globalisierungsgegner: Sie stellte eine halbe Million Euro zur Verfügung und übte sich mit einschmeichelnder Rhetorik: Premierminister Jean Pierre Raffarin forderte alle Pariserinnen und Pariser auf, die Globalisierungsgegner mit offenen Armen zu empfangen. Der ehemalige Premier Alain Juppe umarmte gar nicht erst, sondern bezeichnete sich selbst als "altermondialiste", wie die Globalisierungsgegner in Frankreich genannt werden.
Aber die Bewegung sperrt sich und ist zickig vor allem bei Projekten, die der französischen Regierung und anderen in Europa besonders am Herzen liegen. Bernard Cassen, der internationale Sprecher von Attac Frankreich, kritisiert, Zitat, "die neoliberale Staatsreligion", die in der EU-Verfassung festgeschrieben werden soll. Denn neben dem Krieg im Irak stand der Abbau sozialer Sicherungssysteme im Mittelpunkt der Kritik: Die Aufweichung des Kündigungsschutzes, die Kürzung der Renten und der Arbeitslosenversorgung, der Aufbau und die Aufrüstung einer EU-Truppe und die Privatisierung öffentlicher Dienste. Jeder selbstherrliche Regierungsakt verbreitert die Basis. Im vergangenen Jahr in Florenz, auf dem ersten Europäischen Sozialforum, war der Kreis noch vergleichsweise klein. Und in Italien gab es kein Liebesgeflüster, sondern handfeste Drohgebärden eines peitscheschwingenden Berlusconi.
In diesem Jahr sind neben den üblichen Nichtregierungsorganisationen, dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac, Bauernvereinigungen und Arbeitslosenverbänden auch mehr Gewerkschaften, französische Schauspieler und Künstler, arabische, afrikanische und asiatische Immigrantenorganisationen hinzugekommen. Insgesamt kamen 50.000 Gegner der neoliberalen Globalisierung nach Paris, fast 20.000 davon aus dem europäischen Ausland.
Je größer der Kreis, um so notwendiger für die etablierten Parteien, die widerspenstige Bewegung zu zähmen. Nicht zuletzt, weil in Frankreich Wahlen vor der Tür stehen. Und die Umfragen sehen schlecht aus, sowohl für die Parteien der ehemaligen Mitte-Links-Koalition, als auch für die regierenden Konservativen. Steigende Werte erzielt hingegen ein Parteienbündnis, das politisch links von der PDS zu verorten ist, mit einem offen antikapitalistischen Programm auftritt und noch nicht im Nationalparlament sitzt.
Für die Bewegung sind die als großzügige Geschenke deklarierten Gelder für das zweite Europäische Sozialforum einfach nur das, was einer demokratischen und sozialen Bewegung zusteht. Das meint jedenfalls Sophie Zafari, die für die größte französische Lehrergewerkschaft FSU das Sozialforum in Paris mit organisiert hat.
O-Ton Sophie Zafari, FSU: In Wirklichkeit ist das doch kein Geld, das den Parteien gehört, sondern es sind öffentliche Gelder. Wir haben keinen Hehl daraus gemacht, dass wir ohne öffentliche Unterstützung ein so wichtiges Treffen nicht durchführen können. Also haben wir Hilfe eingefordert. Das Interesse der politischen Parteien, sogar der rechten, zeigt uns, dass wir eine sehr bedeutende Bewegung darstellen.
Die Bewegung ist mobilisierungsfähig, aber was kann sie erreichen? Am 15.Februar, einem internationalen Antikriegstag, ausgerufen vom Ersten Europäischen Sozialforum, gingen weltweit 15 Millionen Menschen auf die Strasse. Den Krieg konnten sie damit allerdings nicht verhindern. Auch die Gewerkschaften, die sich in Paris stärker als zuvor am Sozialforum beteiligten, konnten trotz zahlreicher Streiks und Proteste vor allem in den mediterranen Ländern den Abbau sozialer Sicherungssysteme nicht aufhalten. Die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und der sozialen Bewegung soll nun enger werden und kommendes Frühjahr in einen europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau münden. Dieses Vorhaben unterstützte auch Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, bei einem Treffen der deutschen Teilnehmer des Sozialforums in Paris.
O-Ton Frank Bsirske: Und ich will an dieser Stelle keinen Zweifel daran lassen, dass wir diskutieren an einem solchen europäischen Aktionstag auch aktiv teilzunehmen, und aktiv teilzunehmen heißt zu mobilisieren. (Beifall) [..] Wenn diese Regierung weiter so abwirtschaftet wie sie es tut, dann dürfte die Alternative, die dann ins Haus steht, eher die Problematik noch zuspitzen. Und das verlangt gesellschaftliche Bewegung, das verlangt den Aufbau von Gegenmacht [..]
Die Bewegung setzt nicht mehr auf die etablierten sozialdemokratischen Parteien. Für die Gewerkschaften in Deutschland allerdings ist die Sozialdemokratie nach wie vor der politische Arm. Wie dieser Balanceakt ausgehen wird, ist offen.
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