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Auch die Industriegewerkschaft Medien hat jetzt ihre Mitglieder zu Protestaktionen gegen die von der Bundesregierung geplante Rentenreform aufgerufen. Zusammen mit anderen Gewerkschaften sollen Informations- und Aktionstage organisiert werden. Der Aufruf an die Mitglieder der IG Medien hat folgenden Wortlaut:
Die aktuellen Plaene der Bundesregierung zu einer Rentenreform bieten keine tragfaehigen Antworten auf die erkannten Probleme der Alterssicherung.
Die IG Medien tritt mit anderen im DGB vereinten Gewerkschaften fuer eine grundlegende Korrektur der Rentenreformplaene der Bundesregierung ein. Auch das neuerliche Spitzengespraech mit Bundeskanzler Schroeder zur Rentenreform brachte keine Kehrtwende. Nach wie vor sind Gewerkschaften und Regierung noch nicht auf einer Linie. Statt des Ausgleichsfaktors sieht der neue Vorschlag nun einen Abschlagfaktor ab 2011 vor. Auch soll es bei der privaten Vorsorge bleiben, die die Arbeitnehmer alleine zu tragen haben. Zwar soll nun das Rentenniveau bis 2020 nicht unter 67 % sinken, aber von einer paritaetischen Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Zusatzvorsorge ist nach wie vor nicht die Rede. Die Defizite auf einen Blick:
1. Die Abkehr von der paritaetischen Finanzierung bei der Alterssicherung.
2. Die Einfuehrung eines Abschlagfaktors ab 2011.
3. Die unzulaenglichen Massnahmen fuer eine eigenstaendige Alterssicherung der Frauen sowie der Verzicht auf eine bedarfsorientierte Mindestsicherung in der Rentenversicherung Die IG Medien fordert daher ihre Mitglieder auf, gemeinsam mit anderen im DGB organisierten Gewerkschaften, beginnend am 6. Juli 2000, betriebliche Informations- und Aktionstage durchzufuehren, um den Protest gegen die Rentenplaene der Bundesregierung deutlich zu machen und fuer die eigenen Vorstellungen einzutreten.
IG Medien-Hauptvorstand
Monika Papke
Stuttgart, 03.07.2000
In scharfer Form kritisiert in der neuesten Ausgabe von "Druck+Papier", einer Mitgliederzeitschrift der Industriegewerkschaft Medien, der Pressesprecher der Gewerkschaft, Hermann Zoller, die Plaene der Bundesregierung zur Rentenreform. "Wer haette das gedacht: Der Sozialabbau geht weiter - mit einer neuen Rollenbesetzung und einer anderen Melodie. Das Ergebnis der rot-gruenen Demontagepolitik deckt sich mit der schwarz-blauen Abrissbirne: Die Reichen werden reicher, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um den Lohn ihrer Arbeit gebracht", schreibt Zoller einleitend und behauptet: "Es gibt keinen Grund fuer diese Art von dramatischer Beschneidung der Renten." Das Rentenproblem werde politisch nur deshalb so aufgebauscht, um einen Vorwand fuer die weitere Entlastung der Unternehmen zu finden. "Die Unternehmen sollen aus der solidarischen Verantwortung fuer diesen Sozialstaat wieder ein Stueckchen mehr entlassen werden. Im Jahre 2010 sollen die Arbeitgeber nur noch 9,3 Prozent, ! die Arbeitnehmer dann aber 13,3 Prozent als Rentenbeitrag zahlen", schreibt Zoller. "Das langfristig Schlimmste an Riesters Reform ist das Aufknacken des Systems einer sich solidarisch finanzierenden Gesellschaft."
Als besonders schlimm stellt Zoller heraus, dass die Jungen gegen die Alten ausgespielt werden. "Dabei werden auch die heute jungen Menschen belogen. Denn es gibt keinen Ausstieg aus dem Gesetz, dass Kinder und Enkel fuer den Lebensabend der Eltern sorgen muessen. Wie auch immer das Alterseinkommen finanziert wird, ob ueber unser Rentensystem, ueber Aktien oder Sozialhilfe: Es ist immer die arbeitende Generation, die das Geld fuer die Rente erarbeiten muss."
Wer haette das gedacht: Der Sozialabbau geht weiter - mit einer neuen Rollenbesetzung und einer anderen Melodie. Das Ergebnis der rot-gruenen Demontagepolitik deckt sich mit der schwarz-blauen Abrissbirne: Die Reichen werden reicher, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um den Lohn ihrer Arbeit gebracht. Die "Reform der Rentenversicherung" ist ein grosser Etikettenschwindel. Er wird erleichtert, weil die Materie kompliziert und deshalb schwer zu verstehen ist. So einleuchtend es klingt: "Die Menschen arbeiten immer kuerzer und leben laenger und bringen deshalb die Rentenversicherung in Probleme", so falsch ist diese Behauptung. Es gibt keinen Grund fuer diese Art von dramatischer Beschneidung der Renten.
Wir leben in einem Land, das wirtschaftlich eine Weltmacht ist, in dem Gewinne nicht nur fliessen, sondern sich in Sturzbaechen ueber die Unternehmen ergiessen. Noch im Sommer 1999 stellte Riesters Ministerium Berechnungen an, denen zufolge unter Beibehaltung eines Nettorentenniveaus von 70 Prozent im Jahre 2030 ein Beitragssatz von 26 Prozent erforderlich waere. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haetten unter Beibehaltung eines den Lebensstandard sichernden Rentenniveaus in etwa 30 Jahren also jeweils 13 Prozent paritaetisch zu finanzieren. Unter Strafe der Armut im Alter will Rot-Gruen den Arbeitnehmern jetzt einen Gesamtversorgungsbeitrag (gesetzlich plus privat) aufzwingen, der noch in diesem Jahrzehnt - also mehr als 20 Jahre frueher - die 13-Prozent-Marke erreicht.
Warum nun aber dieser tiefe Schnitt in das Rentensystem? Die Antwort laesst sich leicht finden: Die Unternehmen sollen einmal mehr "entlastet" werden. Deshalb wird das Rentenproblem so aufgebauscht. Es geht auch unter Sozialminister Walter Riester leider nicht um die Sicherung des Rentensystems, sondern um dessen Zerstoerung. Die Unternehmen sollen aus der solidarischen Verantwortung fuer diesen Sozialstaat wieder ein Stueckchen mehr entlassen werden. Im Jahre 2010 sollen die Arbeitgeber nur noch 9,3 Prozent, die Arbeitnehmer dann aber 13,3 Prozent als Rentenbeitrag zahlen.
Da wird eine Kuh heilig gesprochen, nur damit niemand an der Richtigkeit der Behauptung zweifelt: Die Beitraege duerften nicht ueber 22 Prozent steigen. Warum eigentlich nicht? Damit die Unternehmen geschont werden - nur deswegen! Welche Taeuschungsmanoever hier in die Welt gesetzt werden, um die Menschen fuer dumm zu verkaufen! Was helfen stabile Beitragssaetze, wenn die Arbeitnehmer vier Prozent ihres Lohnes als Eigenvorsorge aufbringen muessen? Wuerde die Rente paritaetisch finanziert, dann muesste der Arbeitnehmer nur zwei Prozent uebernehmen.
Wer nicht privat vorsorgt, aus welchen Gruenden auch immer, dessen Rentenniveau wuerde im Jahr 2050 von derzeit 70 Prozent auf dann 54 Prozent sinken. Hinzu kommt, dass bei einer obligatorischen privaten Vorsorge die Nettoloehne gekuerzt werden - was dann die kuenftigen Renten weiter nach unten druecken wird. Das ist nicht die einzige zufaellige Begleiterscheinung. An den Arbeitslosen geht die private Vorsorge vorbei. Sie werden damit zweimal bestraft.
Ein anderes Schlagwort ist der "demografische Wandel". Natuerlich ist die Arbeitszeit verkuerzt worden, und erfreulicherweise leben die Menschen laenger. Das ist aber kein Grund zur Panik. Die andere Haelfte der Wahrheit wird - bewusst - verschwiegen: die gestiegene Produktivitaet. Ihre Wirkung liegt weit ueber der Verkuerzung der Arbeitszeit, sonst haetten wir nicht eine so hohe Arbeitslosigkeit.
Schlimm ist. dass die Jungen gegen die Alten ausgespielt werden sollen. Dabei werden auch die heute jungen Menschen belogen. Denn es gibt keinen Ausstieg aus dem Gesetz, dass Kinder und Enkel fuer den Lebensabend der Eltern sorgen muessen. Wie auch immer das Alterseinkommen finanziert wird, ob ueber unser Rentensystem, ueber Aktien oder Sozialhilfe: Es ist immer die arbeitende Generation, die das Geld fuer die Rentner erarbeiten muss.
Gerade die juengere Generation wird es sein, die unter Riesters Reform leiden wird. Nach diesem Modell wird sie sehr viel frueher sehr viel mehr an Belastungen tragen, als sie ohne die Demontage der sozialen Rentenversicherung zu tragen haette. Und: Statt 13 Prozent sollen die Juengeren im Jahre 2030 sogar 15 Prozent zahlen. Fuer die Sachverstaendigen des DGB geht das Konzept der Regierung Schroeder weit ueber das hinaus, was die SPD an der Bluem'schen Reform als "unanstaendig" kritisiert hat. Durch diese Kuerzungsmassnahmen werde die Rentenversicherung im Laufe der Zeit zu einer beitragsfinanzierten Sozialhilfe.
Es sei mal unterstellt, dass fuer die Sicherung der Renten tatsaechlich etwas getan werden muss. Dann gibt es allerdings ganz andere Werkzeuge als Riesters Axt. Die politisch gewollte Einengung des Kreises der Versicherten muesste aufgebrochen werden zum einen durch den Abbau der Arbeitslosigkeit, zum anderen durch die Einbeziehung von Selbstaendigen, Beamten und Beziehern von Vermoegenseinkuenften in die Versicherungspflicht sowie durch die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Wuerde man gar noch die jetzt geplante Subventionierung der Vorsorge der Rentenversicherung zuleiten, dann waeren die Beitraege ueber sehr lange Zeit stabil.
Das langfristig Schlimmste an Riesters Reform ist das Aufknacken des Systems einer sich solidarisch finanzierenden Gesellschaft. Die Philosophie, die als Triebfeder dient, laesst sich in zwei Punkten buendeln: Die Unternehmer sollen bei Laune gehalten werden, dann laeuft der Laden schon so gut, dass die Mehrheit der Bevoelkerung ausreichend etwas abbekommt. "Der Sozialstaat sollte sich staerker auf die schwaecheren Gruppen konzentrieren und fuer die uebrigen, die fuer ihre Sicherung selbst sorgen koennen, nur Mindestsicherungen organisieren." So beschreibt man beschoenigend in Beraterkreisen des Kanzlers die Fortsetzung der Aushoehlung des Sozialstaates.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass schon vor Riester die Renten gekuerzt wurden. Seit 1977 wurden regelmaessig die Rentenleistungen gekappt. Waeren diese Eingriffe nicht erfolgt, bekaemen die Rentner heute etwa ein Drittel mehr. Stichworte: Verringerung der Anrechnung der Ausbildungszeiten, Abkopplung von der Bruttolohnentwicklung, Einfuehrung des Krankenversicherungsbeitrags, Beitraege zur Pflegeversicherung, Aufhebung der Altersrente mit 60 Jahren fuer Frauen und Arbeitslose, Berufs- und Erwerbsunfaehige, Abkopplung von der Nettolohnentwicklung.
Mit all dem sind die Unternehmer noch nicht zufrieden. Sie halten die bisherigen Vorschlaege der Regierung Schroeder fuer unzureichend. Sie wollen immer mehr. "Die Kuerzung des Rentenniveaus wuerde viele Rentnerinnen und Rentner zu Sozialhilfeempfaengern machen. (...) So darf man mit Menschen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, nicht umgehen", heisst es im SPD-Wahlprogramm 1998. - Dieses Rentenkonzept muss vom Tisch.
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