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KLARtext-Info Nr. 1

Dezember 2000

Finanzkonzerne und Rentenreform

 

Ziele der Rentenreform

* Jürgen Husmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände BDA:
"Im Mittelpunkt der anstehenden Reformen in den Alterssicherungssystemen hat ... eine bessere Mischung von umlagefinanzierter gesetzlicher und kapitalgedeckter privater Altersvorsorge zu stehen". (arbeitgeber 5/52-2000, S. 19)

* Manfred Laux, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Investmentgesellschaften e.V.
"Das Kernstück des Entwurfs ist der Aufbau einer ergänzenden privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge (unter Einbeziehung von Investmentfonds ...). Er kann -bei sachgerechter Ausgestaltung im Detail - zu einem erheblichen Effizienzschub in der privaten als auch der betrieblichen Alterssicherung beitragen. ... Als wesentliche Neuerung sieht der Entwurf vor, dass - anders als in der Vergangenheit - auch normale Lohnbestandteile über die Gehaltsumwandlung steuer- und zulagenbegünstigt für Zwecke der Alterssicherung eingesetzt werden können". (Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 21/2000, S. 1251, 1258)

* Gabriele Hoffmann, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. - GDV
stellt fest, daß der "gezielte Aufbau und die Förderung der kapitalgedeckten individuellen und betrieblichen Altersversorgung eine deutliche Änderung der Marschrichtung früherer Reformansätze " und den "Kern des aktuellen Rentenkonzepts" darstelle. (Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 21/2000, 1260)

* Axel Siedenberg, Geschäftsleitung Deutsche Bank Research:
"Ziel sollte sein, den Anteil der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Vorsorge von zur Zeit rund 15% auf etwa 40% im Jahre 2030 zu steigern". (Frankfurter Rundschau 04.12.1999)

 

Umsetzung der Ziele

a) Reduzierung der gesetzlichen Rente:

"An einer weitreichenden, entschlossenen Reduzierung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung führt kein Weg vorbei." (Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen Nr. 177, Frankfurt 28.08.2000)
Die private Vorsorge führt automatisch zu Kürzungen bei der gesetzlichen Rente.
"Husmann (Vorstandsvorsitzender des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger - VDR) wies ... darauf hin, daß sich diese Niveaus (die Senkung des Rentenniveaus von 70% auf offiziell 64% des durchschnittlichen Versicherteneinkommens) auch nur deswegen ergeben, weil der Bundesarbeitsminister bei der Berechnung der Nettolöhne von den Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer die Aufwendungen zur privaten Vorsorge pauschal abzieht, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Vorsorge" (VDR aktuell, Informationen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vom 17.10.2000, Tel. 069/ 1522-279).

"Einem typischen Arbeiter, der weniger als der durchschnittliche Berufstätige verdient, bliebe dann (nach der Reform) nicht mehr als die Sozialhilfe. Denn die wenigsten Rentner haben 45 Jahre am Stück gearbeitet. Die real gezahlte Rente liegt heute bei etwa 60% des letzten Nettolohns." (FTD 14.11.2000)
Nach der Reform nur noch bei rd. 50%. (Deutsches Institut für Altersvorsorge - zur Deutschen Bank-Gruppe gehörend, nach FTD 20.10.2000)

b) Steigender Zwang zur privaten Vorsorge

"Es ist kein Zufall, daß sowohl die private als auch die betriebliche Vorsorge in den Ländern am besten ausgebaut ist, in denen das staatliche Sozialversicherungsniveau relativ niedrig ist" (Bundesverband Deutscher Investment-Gesellschaften: Investment 2000, Frankfurt o.J., S. 45)

* Wolfgang Gerke, Prof. für Bank- und Börsenwesen Universität Erlangen-Nürnberg
"Langfristig müssen wir dahin kommen, daß jeder Arbeitnehmer sich seinen eigenen Fonds zur Altersvorsorge anspart. Er soll selbst entscheiden können, welche Anlageformen er wählt und welches Risiko er eingehen will. ... Was wir brauchen, sind anlageorientierte Pensionsfonds nach amerikanischem Vorbild". (Wirtschaftswoche 06.04.2000, S. 26)

"Der insgesamt entstehende private Absicherungsbedarf außerhalb des Förderkonzepts ist ... für den einzelnen erheblich". (Position der Versicherungswirtschaft zur Förderung von zusätzlicher kapitalgedeckter Altersvorsorge, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 21/2000, S. 1263)

Die SZ stellt fest, daß es den Bürgern nicht klar sei, "welch große Veränderung die geplante Privatvorsorge bedeute". ... Zusätzlich fürs Alter sparen werden nur diejenigen, die es sich leisten können. Für die kleinen Leute taugt Riesters Konzept nicht, klagt unermüdlich der Rentenstratege der Union, Horst Seehofer." (SZ 10.11.2000)
Bisher haben nur 8,4% der an- und ungelernten Arbeiter und 12,5% der Facharbeiter eine private Rentenversicherung (iwd Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Nr. 33/2000).

c) Ausbau der betrieblichen kapitalgedeckten Altersvorsorge

"Betriebliche Altersversorgung muß zum Kern der Rentenreform werden". (Handelsblatt 01.08.2000)
Das Anlagevermögen in Pensionsfonds betrug in Deutschland 1999 nur 310 Mrd. DM, in Großbritannien dagegen rd. 2.500 Mrd. DM (Financial Times Deutschland - FTD 25.10.2000).
Die eingenommenen Gelder fließen in die Finanzmärkte.
"Pensionsfonds basieren auf dem Prinzip der Ansammlung und rentierlichen Anlage von Kapital". (Heinz Fischer, Axel Siedenberg, Deutsche Bank nach FR 04.12.1999)

"Auf Kapitaldeckung setzt nach Ansicht der Asset Manager (Vermögensanlagemanager) von der Dresdner Bank zunehmend auch die "zweite Säule der Alterssicherung", die betriebliche Vorsorge. Deshalb sieht Joachim Mädler, oberster Vermögensverwalter in dem Geldhaus dort 'äußerst erfolgversprechende' Perspektiven. Denn in Deutschland habe derzeit nur rund eine Drittel aller Arbeitnehmer Anspruch auf eine Betriebsrente. ... Er (Mädler) geht davon aus, daß Anleger Renditechancen für ihr Geld zunehmend außerhalb der Landesgrenzen sehen und es dort anlegen wollen". (FR 19.01.2000)

Nach einem Richtlinienentwurf der EU-Kommission sollen die Anlagevorschriften für betriebliche Pensionsfonds gelockert werden. Maximal 70% der betrieblichen Altersversorgung sollten in Aktien, Wertpapieren oder Industrieanleihen angelegt werden können. In Deutschland liegt diese Schwelle z.Zt. deutlich niedriger. Außerdem sollten mindestens 30% des Fondskapital international angelegt werden. (Frankfurter Rundschau 12.10.2000).

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft - GDV
"Ohne eine nachhaltige Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen kann es ... zu keinem weitreichenden Ausbau der betrieblichen Altersversorgung kommen. Der GDV begrüßt daher den Ansatz der Bundesregierung, die betriebliche Altersversorgung in das neue Förderkonzept zur zusätzlichen kapitalgedeckten Altersversorgung einzubeziehen". (ZfGK 21/2000, 1263)
Und zwar über die steuerliche Förderung von Pensionsfonds und Direktversicherungen. Bei Direktversicherungen legt der Betrieb Lohnbestandteile bei einem Versicherungsunternehmen an.

d) Steuerfreiheit der privaten Kapitalanlagen - "nachgelagerte Besteuerung"

Der Bundesverband deutscher Banken (ebenso die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände - arbeitgeber 5/52-2000, S. 20 und die EU-Kommission) fordert die nachgelagerte Besteuerung der privaten Altersvorsorge auch in Deutschland. Das bedeutet, daß die Beiträge, die zur privaten Altersvorsorge an die Finanzkonzerne fließen, im Gegensatz zu heute nicht mehr versteuert werden. Nur die im Alter ausgezahlten Beträge sollen besteuert werden (eben "nach"gelagert, nicht "vor"gelagert). (SZ 10.11.2000)
Die Finanzkonzerne erhoffen sich von der Steuerfreiheit der privaten Kapitalanlagen eine höhere Nachfrage nach ihren Altersvorsorgeprodukten.
Die Steuerfreiheit der privaten Altersvorsorge würde allein durch die Lebensversicherungen zu Einnahmeausfällen von mindestens 19 Mrd. DM pro Jahr führen. (iwd Nr. 34, 24.08.2000, 5)
Rentenexperte Prof. Dr. Bert Rürup, Berater von Arbeitsminister Riester, schätzt die Einnahmeausfälle insgesamt auf 30-40 Mrd. DM jährlich. (FTD 20.04.2000)

 

Vorteile der Rentenreform für die Finanzkonzerne

"Die Pläne der deutschen Regierung für eine Rentenreform, bei der die private Vorsorge steuerlich gefördert werden soll, verheißen den Banken und Versicherungen glänzende Geschäfte". (FTD 08.09.2000)

a) Ausdehnung des Markts für Altersvorsorgeprodukte

Die Gesamtsumme der bis zum Jahre 2010 angesparten Gelder wird auf bis zu 540 Milliarden DM geschätzt (Financial Times Deutschland - FTD 14.11.2000). Entsprechend höhere Profite und Renditen werden erwartet. Zum Vergleich: die Kapitalanlagen der Lebensversicherer in Deutschland betrugen Ende 1998 903 Mrd. DM (FR 2./.3.Juni 1999). Ihre Beitragseinnahmen betrugen 102,7 Mrd. DM jährlich.

b) Steigerung der Aktienkurse und damit der Kurswerte der Finanzkonzerne

Laut der US-Investmentbank Goldman Sachs steigen die Börsenwerte der Finanzkonzerne durch die Rentenreform um rd. 50 Mrd. DM. Relativ am meisten würde die Dresdner Bank, die AMB und die Ergo-Versicherung (Allianz) profitieren. (Financial Times Deutschland 08.09.2000)

 

Anregungen und Material an: Rainer Roth, Berger Str. 195, 60385 Frankfurt, Tel/Fax: 069/ 453832

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