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Rendite statt Rente?

Zu der Anhörung der Rentenreform der Regierung erklärt Ulla Lötzer, Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Bundestages:

Die Bundesregierung orientiert sich in ihrer Wirtschaftspolitik immer deutlicher am amerikanischen, kapitalmarktorientierten Modell. Ein Schritt ist die Steuerbefreiung bei Verkäufen von Unternehmensbeteiligungen.
In die gleiche Richtung weist das geplante Gesetz zur Regelung von Unternehmensübernahmen und die Veränderung der Führung und Kontrolle von Unternehmen, das sich am internationalen Standard der Corporate Governance ausrichtet. Das Ziel dieser Politik ist die stärkere Berücksichtigung der Interessen der Anteilseigner (Shareholder). Die Bundesregierung will so den US-Boom nachholen, die deutschen Unternehmen und Finanzmarktakteure im globalen Konkurrenzkampf stärken und den Finanzplatz Deutschland für ausländische Anleger attraktiver machen.

Die Rentenreform ist ein weiteres Element dieser Strategie der Rot-Grünen Bundesregierung. Die kapitalgedeckte Eigenvorsorge soll ein obligatorischer Bestandteil der zukünftigen Alterssicherung werden. Die Rentenreform der Bundesregierung führt zu zwei schwerwiegende Konsequenzen:
Erstens untergräbt sie die paritätische Finanzierung des Sozialversicherungssystems, denn die kapitalgedeckte Rente wird allein vom Arbeitnehmer aus seinem Nettolohn, ggf. mit staatlichen Zuschüssen, finanziert. Zweitens führen die zwangsweise privat angesparten Beträge zu einer Stärkung der deutschen Finanzinstitutionen (Banken, Versicherungen, Fonds). Durch ihre größeren Portfolios werden diese die Interessen der Shareholder noch effektiver auf Kosten anderer gesellschaftlicher Gruppen durchsetzen können. Unternehmen, Branchen und ganze Volkswirtschaften werden verstärkt der alleinigen Orientierung an den Renditeerwartungen der Anleger ausgesetzt. Das geht weiter zu Lasten sozialer, ökologischer oder regionalpolitischer Interessen. Demokratische Errungenschaften wie die Mitbestimmung werden entwertet.

Ein ökonomisches und demographisches Problem, mit denen das Umlageverfahren der Altersicherung angeblich nicht fertig wird, lässt sich auch durch die Kapitaldeckung nicht lösen. Beide Systeme sind an gleiche ökonomische Zusammenhänge gebunden und funktionieren im Endeffekt ähnlich. Die Bundesregierung glaubt, hohe Renditen für eine kapitalgedeckte Rente nutzen zu können und ignoriert dabei die gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung. Neben dem Kapitalmarktrisiko steckt im kapitalgedeckten Modell ein Interessenkonflikt: Notwendig sind relativ hohe Löhne, um sich ausreichend privat absichern zu können. Um die unterstellten hohen Renditen aber erzielen zu können, dürften die Löhne nicht stark steigen, sondern müssen tendenziell sinken.

Die soziale Asymmetrie wird bei der Umsetzung des Rentenreformentwurfes zunehmen. Das wird auch nicht durch eine wie auch immer geartete Subventionierung der unteren Einkommen auszugleichen sein. Bestätigt wird dies durch die Erfahrungen, Ergebnisse und zukünftige Projektionen in den Nationen, die bereits in den 70/80er Jahren verstärkt auf die Kapitaldeckung gesetzt haben. Deshalb unterstützen wir die Proteste von attac (Netzwerk für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte) gegen den Rentenentwurf der Bundesregierung.

Presseerklärung von Ulla Lötzer, MdB zur Rentenreform vom 11.12.00


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