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Rentenkrieg und Kriegsrenten

Alle zwei Jahre eine Rentenreform, die Jahrzehnte halten soll. Jede neue Rentensenkung, jede Beitragserhöhung entlarvt das Geschwätz von gestern als Lüge. Lüge auch, die Renten seien auf Dauer nicht bezahlbar. Riester von der SPD hat es mal wieder vorgemacht: Zuerst waren nur noch 62% vom Nettolohn als Rente bezahlbar. Nach einigen Tagen Knatsch sind wieder 64% bezahlbar!

Nein, das heutige Niveau ist bezahlbar!

Die junge Generation, sagen uns die Reichen, wolle die steigende Rentenlast nicht mehr hinznehmen. Die gesetzliche Rente müsse gesenkt und zum Ausgleich eine private eingeführt werden, die aus den Profiten von Kapitalanlagen gespeist werde. Die neue Gesamtrente werde wieder das "unbezahlbare" alte Niveau erreichen — bei gleicher Beitragssumme, die die Gesellschaft aufbringt. Die Reichen, die Unternehmer wollen sich zweifach bereichern: Sie wollen die paritätische Beitragszahlung kippen und ihre eigene Beitragslast senken. Mit solcherart wachsenden Profiten kaufen sie sich leicht in Rentenfonds ein, auf deren weitere Gewinne sie spekulieren.

Es lohnt ein Blick über die Grenzen. In der Schweiz wird die kapitalfinanzierte Rente durch Profite aus dem Ausland "gesichert"! Die amerikanischen Rentner wurden blaß, als vor einiger Zeit in den asiatischen "Tiger"staaten die Wirtschaft in den Keller stürzte. Die Profite, die die amerikanischen Rentenfonds in Asien einsammeln, reichten kaum mehr aus, um amerikanische Renten zu bezahlen. Die Weltbank, beispielsweise, leiht sich Geld bei Rentenfonds und verleiht es weiter an Entwicklungsländer, beispielsweise für Bewässerungsprojekte. Auf den bewässerten Äckern wachsen Früchte, die in den Industrieländern für harte Währung verkauft werden müssen. Mit dem Erlös zahlt das Entwicklungsland seine Schulden bei der Weltbank, diese zahlt ihrerseits an den Rentenfonds und dieser wieder an die Rentner. In diesem Karussel schuften nur die Menschen im Entwicklungsland.

Die kapitalfinanzierte Rente: eine globale Wechselreiterei

In Deutschland möchten die Konzern- und Bankenchefs das gleiche Spielchen treiben. Die supergroße Koalition aus SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU möchte den Herren der Banken und der Industrie eine jährliche Zwangsabgabe in Höhe vieler Milliarden zuschieben. Anfangs müssen daraus kaum Renten bezahlt werden, später immer mehr, in 15 oder 20 Jahren so etwa die Hälfte, in 35 Jahren fast alle Renten. Der Kurs führt schnurstracks in einen Crash, wahrscheinlich schon in zwei Jahrzehnten! Wieso?

Alle kapitalistischen Glücksritter begeben sich auf den gleichen Trip: Deutsche Anleger sammeln Profite in Frankreich, um deutsche Renten zu befriedigen; französische Anleger versuchen es umgekehrt, nicht zu vergessen amerikanische, britische, japanische usw. Solange nur die USA aus den Tigerstaaten und aus China ihre Renten scheffeln, funktioniert das — auch bei einem Absturz der Wirtschaft. Sind alle auf dem gleichen Trip, so gibt es einen Massensturz.

Der kapitalistische Ausweg heißt dann: KRIEG! Krieg den Konkurrenten um die mager gewordene Rendite. Krieg den Ländern, die zu wenig Rendite liefern oder die sich weigern, noch länger die Malocher für die anderen Länder zu spielen.

Wer um 1900 zur Neuen Mitte zählte, gab nichts auf die dünne Bismarck-Rente. Der war privat versichert. Mit dem verlorenen ersten Weltkrieg war "die gute alte Zeit" mit den schönen Auslandsrenditen vorbei. Die Inflation der 20er Jahre erledigte die unerfüllbaren, privaten Rentenhoffnungen. "Alle haben Kolonien, nur Deutschland gönnt man sie nicht", schrieen die Hitler-Faschisten und eröffneten das Feuer. Private Versicherungen waren nach diesem neuen verbrecherischen Abenteuer kaum noch etwas wert; die Währungsreform von 1948 besiegelte deren Abwertung. Die Kriegsrenten nach den Weltkriegen waren bekanntermaßen dürftig.

Dreimal das gleiche Spiel?

Ein drittes Mal sollte das nicht wieder passieren! Mit dieser Absicht trafen sich die Alliierten während des 2. Weltkriegs in Bretton Woods: Den Zahlungsverkehr für Güter ließen sie frei, aber weiteren Kapitalverkehr unterwarfen sie strikten Schranken und Kontrollen. Die Renten waren im Inland, nicht im Ausland zu erwirtschaften, daher auch die Rentenreform von 1957 unter Adenauer, die noch heute funktionieren würde. Die USA nutzten schon bald trickreich das Abkommen von Bretton Woods, um sich den Vietnamkrieg von den andern mitfinanzieren zu lassen. 1973 platzte diese Kapitalordnung. Kauf von Unternehmen und Konzernen ist heute an jedem Ort möglich, wenn man das nötige Kleingeld hat. Die Zwangsbeiträge zur privaten Rentenversicherung würden das Portemonnaie kapitalistischer Giganten füllen, die die Gewinne der eingesackten Unternehmen in Osteuropa, Lateinamerika, Indien, Indochina, China ungebremst um den Globus rollen möchten.

Was wird zuerst sein: Die Milliardäre kriegen sich der Profite wegen übel in die Wolle oder die Milliarden schmeißen das ganze Spiel durcheinander?

Wolf Goehring


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